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Gemeindehaus

Württembergs erste Gemeindepfarrerin war Vikarin in Aalen

Aalen / Lesedauer: 4 min

Heide Kast war die erste Gemeindepfarrerin in Württemberg. Anfang der Sechziger Jahre war sie Vikarin in Aalen.
Veröffentlicht:14.11.2018, 12:15

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Ein Fest mit Tanz im damals neuen evangelischen Gemeindehaus hat ihr vorgeschwebt, damit die jungen Menschen nicht irgendwo „auf den Rummel“ mussten. Die Rede ist von Heide Kast. Anfang der sechziger Jahre war sie als junge Vikarin in Aalen. Später sollte sie die erste Gemeindepfarrerin in Württemberg werden, denn genau vor 50 Jahren, am 15. November 1968, hat die württembergische Landessynode mit großer Mehrheit die Frauenordination beschlossen. Heute sind Frauen im Pfarramt und darüber hinaus als Dekanin wie Ursula Richter in Schwäbisch Gmünd oder als Prälatin wie Gabriele Wulz in Ulm, die auch für Aalen zuständig ist, eine Selbstverständlichkeit und Alltag.

Als Heide Kast in Aalen war, war diese angestrebte Ordination von Frauen dagegen noch heftig umstritten. „Jungen und Mädchen sollten möglichst getrennt sein“, erinnert sich die Pfarrerin, die ihren Ruhestand in Ostfildern bei Stuttgart verbringt, an diese Zeit.

Deswegen war es auch schon ungewöhnlich, an ein Fest für Jungen und Mädchen im Evangelischen Gemeindehaus zu denken. Aber Heide Kast schwärmte so davon, dass sie sogar den damaligen Prälaten von der Idee überzeugte. Nicht nur das: Der Prälat kam auch zum Fest. Ansonsten aber verbindet sie mit ihrer Aalener Zeit, dass sie hier mit typischen Frauen- und Mädchenarbeiten betraut worden sei, also vor allem mit Religionsunterricht, am Schubart-Gymnasium etwa, und mit Bibelarbeit. „Dem CVJM, dem Christlichen Verein Junger Menschen, war ich aber offensichtlich nicht fromm genug“, schmunzelt sie am Telefon, „mit den Pfadfindern ging's besser.“ Gottesdienste hat sie auch gehalten, unter anderem in Ermangelung eines Gotteshauses in der Kantine der damaligen Firma Hengella, die später dem heutigen Wirtschaftszentrum an der Ulmer Straße weichen musste.

Die Kanzel der Stadtkirche aber war damals für die junge Vikarin tabu: „Drei weitere Pfarrer wollten dort gerne predigen, da war ich überflüssig“, erinnert sich die 80-Jährige. Das Gotteshaus selbst aber ist ihr als eine schöne Barockkirche in Erinnerung geblieben.

Eine Gemeinde leiten war zunächst nicht erlaubt

Frauen durften zwar schon seit 1904 Theologie studieren, das war der jungen Heide Kast aber zu wenig. Sie wollte eine Gemeinde leiten – und das war nicht erlaubt, als sie ihr Studium begann. Bis sie fertig sei, versprach ihr die Kirchenleitung, werde die Frauenordination durch sein. Heide Kast studierte zwei Semester in Berlin und dort erlebte sie, dass wegen des Pfarrermangels Frauen als gleichberechtigte Gemeindepfarrerinnen tätig waren. „Damals war absehbar, dass auch in Württemberg etwas passieren würde. Auch wenn der rechte Flügel, die 'lebendige Gemeinde', damals schon bremste.“

Inzwischen, 50 Jahre nach dem Beschluss zur Frauenordination, sind allein im Kirchenbezirk Aalen, zwischen Essingen und Wört, zwölf Pfarrerinnen tätig. Der evangelische Dekan Ralf Drescher teilt mit, dass im Frühjahr nächsten Jahres in Bopfingen zudem ein Pfarrehepaar aufzieht, das die dortige Pfarrstelle gemeinsam versehen wird. Für Drescher stellt nach eigenem Bekunden die gleichberechtigte Ordination von Frauen und Männern in den Pfarrdienst eine Selbstverständlichkeit dar. „Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen“, so Drescher.

Seit Jahren arbeite er gleichermaßen gut und gerne mit Pfarrerinnen und Pfarrern zusammen. Er kenne es gar nicht anders, dass auch Pfarrerinnen geschäftsführende Pfarrstellen leiten und Dekaninnen sind. „In der Prälatur Ulm schätzen wir es sehr, dass seit vielen Jahren eine äußerst profilierte Prälatin an der Spitze steht“, stellt der Dekan fest. Gleichwohl stelle sich die Situation innerhalb der Württembergischen Evangelischen Landeskirche offenbar so dar, dass der Frauenanteil an Studierenden zwar bei 60 Prozent liege, im ständigen Pfarrdienst am Ende jedoch nur 39 Prozent (Stand: 10/2018) ankämen.

Drescher sieht hier in erster Linie einen Zusammenhang mit Lebensplanung der Theologinnen im Anschluss an das Studium. Dabei verweist er selbst auf sehr gute Erfahrungen mit der Stellenteilung im Pfarramt für junge Familien: „Meine Frau und ich haben uns seinerzeit die erste Pfarrstelle ebenfalls geteilt!“ Arbeit, Familie und Kinder ließen sich hier sehr gut und partnerschaftlich miteinander vereinbaren.