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Sitzungssaal

Unter OB Schübel rollen in der Nazi-Zeit Köpfe

Aalen / Lesedauer: 4 min

Georg Wendt über die Stimmung nach Kriegsbeginn und die ersten Notmaßnahmen
Veröffentlicht:06.11.2019, 12:00

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Der kleine Sitzungssaal des Rathauses ist am Dienstagabend aus allen Nähten geplatzt. Viele Zuhörer standen an den Wänden entlang und im Eingangsbereich. Eingeladen hatten das Kulturamt der Stadt und der Geschichtsverein Aalen . Offensichtlich bestand in der Stadt durch die vorausgegangene Diskussion über Erwin Rommel größtes Interesse an Aufklärung über die Zeit des Nationalsozialismus und des Kriegsbeginns 1939. Man wollte auch wissen, wie die Stimmung in Aalen unter OB Karl Schübel und dem Kreisleiter Adolf Kölle in Ellwangen war.

Überrascht über die überwältigende Besucherzahl zeigten sich die Repräsentanten der beiden Veranstalter, Roland Schurig und Gerhard Kayser. Nur Kenntnisse könnten zu einem klaren Urteil über diese fatale Zeit deutscher Geschichte und ihre Auswirkungen in unserer Stadt führen, wurde von beiden Seiten betont.

Mit einer erstaunlicher Fülle an Informationen wartete der 34-jährige Georg Wendt auf, der erst knappe drei Jahre das Aalener Stadtarchiv leitet. Nicht nur lebendig und spannend vorgetragen, sondern auch durch viele zeitgenössische Fotos und Texte anschaulich gemacht, breitete er sein vielseitiges Wissen aus. Und dabei war dies nur der erste Teil seiner Zeitgeschichte, die er in jährlichen Beiträgen bis ins Jahr 2023 ausbreiten will, wie er ankündigte.

Karrieresüchtiger Ehrgeizling

Aalen hatte 1939 rund 16 000 Einwohner – ein extremes Wachstum, nämlich eine Verdoppelung zum Vorjahr, allerdings auch durch die ersten Eingemeindungen. Aalen war von der Oberamtsstadt zur württembergischen Kreisstadt aufgestiegen. Das richtige Betätigungsfeld für den aus einfachen Verhältnissen im Nordschwarzwald stammenden Karl Schübel, einen „karrieresüchtigen Ehrgeizling“, wie ihn Wendt charakterisierte.

Schübel sei am 1. Mai 1933 mit der ersten großen Mitgliederschwemme in die NSDAP eingetreten. Ob er schon vor seiner Zeit in Aalen ein Nazi-Anhänger war, darüber konnte Wendt nichts in Erfahrung bringen. In der Stadt am Kocher angelangt, ging der 34-jährige Schübel „machtbewusst und skrupellos“ ans Werk. In der Verwaltung rollten die Köpfe. Wer ihm nicht untertan und im neuen politischen System nicht verankert war, musste gehen. Es blieben am Schluss fast nur noch Parteigenossen. Wendt nannte sie „treu ergebene Schübel-Boys“.

Probleme hatte Schübel allerdings mit Kreisleiter Kölle, der sich als „alter Kämpfer“ aus dem ersten Weltkrieg und als „Alt-Nazi“ aus der Zeit vor 1933 Schübel überlegen fühlte und es diesen bei jeder Gelegenheit spüren ließ. So kritisierte er Schübel, der Umbau des „Braunen Hauses“ am Aalener Bahnhof sei mit nur 280 000 Reichsmark zu mickrig. Kölle hetzte Gauleiter Murr gegen das Aalener Stadtoberhaupt auf, gefälligst ein neues, repräsentativeres „Braunes Haus“ zu bauen, um als würdiger „Parteipalast“ zu dienen.

Statt der traditionellen Aalener Fastnacht führte Schübel einen Volksfasching zur „Pflege der Volksgemeinschaft“ ein. Einer der 39 Wagen fuhr mit dem Propaganda-Slogan „Juden heim nach Palästina“ durch Aalens Straßen. Schübel stilisierte Schubart als Vorkämpfer für ein großes einiges Deutschland.

Kultur spielte keine Rolle

Dass der VfR 1939 in die Gauliga aufstieg, passte in Schübels Konzept von der „Sportstadt Aalen“ mit einer neuen Schießanlage und einem renovierten Hirschbachbad. Im städtischen Haushalt wurde nur ein Prozent für Kultur aufgewendet, dagegen rund 30 Prozent für Ertüchtigungsmaßnahmen.

Der Kriegsbeginn 1939 sei in Aalen mit Begeisterung, aber auch mit Zurückhaltung und Furcht aufgenommen worden, führte der Stadtarchivar aus. Zaghafter Widerstand kam von einzelnen und aus kirchlichen Kreisen. Wie die Stimmung umkippte, zeigte er anhand von Briefzitaten junger Aalener beim Reichsarbeitsdienst (RAD) und an der Front (Willi Klumpp und Friedrich Keiner) auf. Als mit Wilhelm Rieger der erste Aalener Soldat gefallen war, erschien die erste Todesanzeige in der Kocherzeitung. Am Kriegsende waren es 1240 Aalener Gefallene. Luftschutz, Verdunkelungsmaßnahmen und Beschränkungen in der Ernährung folgten. Schübel sprach von Folgen des „von England erzwungen Krieges“.

Abschließend stufte ihn Wendt zwar nicht als „ideologischen Nazi der ersten Stunde“ ein, er habe jedoch das System gerne mitgetragen. Nach langem starken Beifall gab es noch Äußerungen aus dem Zuhörerkreis. Schübel habe sich gewehrt, dass Aalen braun wird und habe wohl auch nicht frei sprechen können (Artur Grimm). Schübel sei ein zwielichtiger Mensch und in der Verwaltung hart und rücksichtslos gewesen (Werner Lietzenmayer). Man müsse Schübel zwar als ausgezeichneten Verwaltungsfachmann gelten lassen. Er sei aber auch ein Nazi bis zum Schluss gewesen (Erwin Hafner).