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Weitsicht

Drei Monate um die Welt schärfen die Weitsicht

Lindau / Lesedauer: 6 min

Claudia und Karl Schober haben sich einen Traum erfüllt – Doch trotz Reisefieber: „Auswandern werden wir nie“
Veröffentlicht:12.07.2013, 17:30

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Schon mal von der Südsee geträumt, von einer Safari in Afrika oder gleich einer Tour rund um den Planeten? Zwei Lindauer haben dieses Abenteuer gewagt: Claudia und Karl Schober sind drei Monate lang unterwegs gewesen, haben eine Vielzahl von Erlebnissen und Eindrücken mitgebracht. Dazu gehören Begegnungen mit unzähligen jungen Menschen, aber auch die Erkenntnis: „Mancher in der Stadt bräuchte mehr Weitsicht.“

„Es ist ganz schön viel Arbeit gewesen – vorher!“ Claudia Schober lacht: Immerhin hat sie mit ihrem Mann in knapp 100 Tagen 29 Flüge absolviert. Die hat das Ehepaar vorsichtshalber schon vom heimischen Oberreitnau aus gebucht. Dabei war zuvor die Liste der Länder, die sie „unbedingt“ besuchen wollten, immer wieder umgestellt worden.

Drei Monate lang Lindau komplett hinter sich zu lassen, Familie, Handwerksbetrieb und politisches Engagement, das ist für das Oberreitnauer Paar genauso eine Herausforderung gewesen wie die tägliche Frage „Was machen wir heute?“ Während ihr Mann sich vom Sohn Internetfernsehen einrichten ließ, hat Claudia Schober ganz altmodisch ein dickes Notizbuch mitgenommen – und jeden Tag darin ihre Eindrücke festgehalten.

„Das Schönste überhaupt“, so Karl Schober, haben er und seine Frau gleich zu Beginn ihrer dreimonatigen Tour erlebt: In Botswana gehen sie auf Safari. Löwen, Elefanten, Giraffen, alles hautnah. Nicht nur vom Auto aus, sondern auch nachts: „Wir haben in Zelten geschlafen, ohne Zäune.“ Eine Wache hat nachts dafür gesorgt, dass die Wildnis nicht zu nah ans Lager kommt. „Aber man kriegt ein anderes Gefühl, eine andere Einstellung zur Tierwelt“, davon ist Schober überzeugt.

100 000 wollen Hände schütteln

Eine für die beiden Lindauer komplett fremde Welt hat sie nach ihrer Landung in Mumbai empfangen: das pralle südindische Leben. Mit Bussen oder zu Fuß – wie in vielen anderen Städten ihrer Weltreise ebenfalls – sind die beiden Schobers unterwegs. Sind fasziniert von der Natur der Backwaters, die sie per Boot erkunden, und von der Freundlichkeit der Menschen: „Du hast das Gefühl, als ob dir 100 000 die Hände schütteln wollen“, schildert Karl Schober.

Der Lindauer Bürgermeister und Handwerksmeister gibt gerne zu, dass ihn „das Exotische reizt“. Er ist aber auch ein genauer Beobachter. Hat die vielen Schulen im Süden des Subkontinents gesehen. Und ist überzeugt: „Da entwickelt sich ein ganz tolles Land.“

Dass Sohn und Tochter besorgt sind – etwa, als sie während der Safari tagelang nichts von den Eltern hören – lässt ein Lächeln über die Gesichter der Eltern huschen. Nach Indien ist auf jeden Fall ein Familientreffen angesagt: Gemeinsam haben sich Kinder und Eltern die thailändische Hauptstadt Bangkok angeschaut. Erleben, dass die Urlaubsregion Phuket zu jener Zeit scheinbar fest in russischer Hand ist.

Gegensätze prägen die Reise. Das haben Claudia und Karl Schober auch in Vietnam gemerkt. Natürlich wird die quirlige Hauptstadt Hanoi erkundet. Zwei Tage lang lassen sich beide aber auch gemächlich mit einer alten Dschunke durch die Halong-Bucht fahren. Und bewundern an der Seite zweier vietnamesischer Tourismus-Studenten Bereiche des Landes, „in die sonst kaum ein Urlauber hinkommt“. Was Schober besonders beeindruckt: „Das Land ist einiges hinten dran. Die Leute sind sehr arm. Aber sie vermitteln immer den Eindruck, als ob sie zufrieden sind mit dem, was sie haben.“

„No worries“, keine Sorge, das begleitet die beiden Schobers nach einem Stoppover in Singapore fast einen Monat lang: Per Wohnmobil erkunden die beiden Lindauer die Ostküste Australiens. Fahren nördlich von Cairns in die Regenwälder und später die Küste entlang nach Süden, vorbei an Plantagen, Sanddünen, durch typische kleine Städte.

Australische Mentalität fasziniert

„Du kannst alles erleben – und doch ganz allein sein.“ Das fasziniert Karl Schober genauso wie die vielen jungen Leute, mit denen sie plaudern. Die immer wieder wissen wollen, woher die beiden deutschen Weltenbummler nun kommen. „Da haben wir des besseren Verständnisses wegen Lindau schon mal in die Nähe von München verlegt“, grinst der 56-Jährige.

Mit ihrem vorletzten Stopp erfüllen sich die Lindauer einen lang gehegten Traum: Sie landen auf Bora-Bora. „Die Fliegerei dorthin ist schon umständlich gewesen“, erinnert sich Claudia Schober. „Aber an Schönheit ist dieser Flecken Erde nicht zu überbieten“, betont ihr Mann und schildert farbenprächtig ihren Bootsausflug durch türkisfarbene Lagunen.

Eines haben die beiden sehr schnell gemerkt: Weltenbummeln braucht Zeit. Südamerika haben sie deshalb aus ihrer Tour gestrichen. Sie schlendern durch die Straßen von San Francisco, fahren Cable Car, probieren im Napa Valley kalifornischen Wein. Dann wartet Mexiko. Schobers genießen die Isla Mujeres, besuchen Maya Ruinen und die Pyramide von Cobá. Machen sich später mit einem Mietwagen über unbefestigte Straßen Costa Ricas auf den Weg zu einem noch aktiven Vulkan. Die Landschaft begeistert die beiden. Karl Schober grinst: „Die Fahrt hat drei Stunden länger gedauert als geplant – weil meine Frau so viel fotografiert hat.“

Tausende von Fotos und Eindrücke haben die beiden in den drei Monaten gesammelt. Viele Augenblicke genossen. Und die Erkenntnis gewonnen: „Wir haben zwar unser Herz an Sydney verloren – aber Auswandern werden wir nie.“

Der Alltag hat Claudia und Karl Schober längst wieder eingeholt. „Aber ich sehe manches jetzt mit anderen Augen“, gesteht der Oberreitnauer. So habe er während der Stadtratsdebatte über die Wahlplakate nur mit dem Kopf schütteln können: „Bin ich denn im falschen Film?“ Eine Reise um die Welt öffne die Augen – „so mancher in der Stadt bräuchte auch mehr Weitblick“, ist Schober überzeugt.

Das Virus sitzt fest

Seiner Frau bleibt unterdessen die Freundlichkeit der Menschen unvergesslich. „Da könnten einige Lindauer schon noch was lernen.“ Und natürlich hat es Claudia Schober genossen, ihren Mann einmal drei Monate einfach nur für sich zu haben – im Lindauer Alltag undenkbar. Da warten Aufträge auf den Fliesenlegermeister, die nächste politische Sitzung sowieso.

Aber das Weltenbummlervirus hat sich festgesetzt. Vielleicht mal ein halbes Jahr nach Sydney? Oder die gestrichene Tour durch Südamerika nachholen? „Ich glaube schon, dass wir so etwas wieder machen.“