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Oberbürgermeister fordern Öffnung des Einzelhandels

Schwäbisch Gmünd / Lesedauer: 4 min

Oberbürgermeister fordern Öffnung des Einzelhandels
Veröffentlicht:17.02.2021, 17:04

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Die drei Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Schorndorf und Tübingen, Richard Arnold, Matthias Klopfer und Boris Palmer haben sich in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz und Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt.

In diesem ist der dringende Appell formuliert, dem Handel in den Zentren der Städte eine Perspektive zu verschaffen. Sie fordern, dass der Einzelhandel möglichst bald mit guten Hygienekonzepten wieder öffnen darf und schlagen Schnellteststationen an den Zugängen zur Innenstadt vor. Außerdem plädieren die Verfasser für eine höhere Mehrwertsteuer für den Online-Handel.

Darin heißt es: „Wir wenden uns mit großer Sorge um unsere Innenstädte an Sie. Der im letzen November begonnene und im Dezember verschärfte Lockdown für Gastronomie, Kultur und Handel treibt immer mehr Betriebe in die Insolvenz. Uns erreichen verzweifelte Berichte von Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden. Einige von ihnen wenden sich bereits an die Gerichte.

+++Die Corona-Krise auf der Ostalb+++

Die versprochenen Finanzhilfen kommen zu spät und sind in vielen Fällen nicht existenzsichernd. Wir fürchten, dass zahlreiche Betriebe nicht mehr öffnen können, wenn es ihnen endlich wieder erlaubt ist. Das Sterben der Innenstädte ist in vollem Gange.

Das ist nicht nur ökonomisch ein Problem. Tote Stadtzentren rütteln an den Grundfesten unseres Gemeinwesens. Die Kommunen sind die Keimzelle der Demokratie. Wo ein Markt ist, kommen die Menschen seit Jahrhunderten zusammen. Sie betreiben dabei nicht nur Handel, sie tauschen sich aus, begegnen sich, schaffen Bürgersinn und Verantwortung für das Ganze.

Wir sind uns als Stadtoberhäupter bewusst, dass es maßgeblich in unserer Verantwortung liegen wird, das Herz unserer Stadt wieder zum Schlagen zu bringen. Die meisten Städte arbeiten schon länger an Stadtentwicklungskonzepten und der Revitalisierung der Zentren. Unbestritten ist, dass dafür ein bunter Nutzungsmix notwendig sein wird. Allein zum Einkaufen werden nicht mehr so viele Menschen in die Stadt kommen wie früher. Begegnung und persönliches Erlebnis müssen in vielfältiger Form ermöglicht und gefördert werden.

Wenn aber die Handelsfunktion ganz entfällt, so wird es in bestehenden Stadtstrukturen extrem schwer, die Funktion von Zentren aufrechtzuerhalten. Es drohen Leerstände und öde Schlafstädte.

Wir wenden uns daher mit dem dringenden Appell an Sie, dem Handel in den Zentren der Städte eine Perspektive zu verschaffen. Dafür ist es notwendig, dass die Geschäfte möglichst bald mit guten Hygienekonzepte öffnen dürfen. Nach unserer Überzeugung ist dies machbar, ohne allzu große Risiken für den Verlauf der Pandemie einzugehen. Mit Masken, Abstand, Personenzahlbegrenzungen, und Zeitfenstern für die Risikogruppe ließe sich sicher handeln.

Wir schlagen vor, dass Städte mit einer Inzidenz unter 35 sofort den Anfang machen dürfen und Innenstadtbezirke komplett öffnen können, wenn ein negativer Schnelltest vorgewiesen wird. Konkret hieße das: Die Stadt errichtet Schnellteststationen an den Zugängen zur Innenstadt. Einlass in Geschäfte, Restaurants und Kultureinrichtungen erhält nur, wer den an der Teststation ausgegebenen personalisierten Badge als Nachweis für einen negativen Test sichtbar mit sich führt.

Fast wichtiger als ein schneller Neustart ist aber eine langfristige Perspektive. Nach den Erfahrungen der letzten 12 Monate werden sich viele Unternehmen gut überlegen, ob sie das Risiko einer Schließung des stationären Handels weiter tragen wollen. Und für die vielen kleinen Geschäfte, die lebendige Innenstädte auszeichnen, dürften sich kaum Unternehmerpersönlichkeiten finden, die mit diesem Damoklesschwert über dem Kopf etwas Neues eröffnen oder ausprobieren. Wir brauchen einen Rahmen, der wirtschaftlichen Erfolg für den Handel in den Innenstädten wieder erreichbar macht.

Marshall-Plan für Innenstädte?

Deshalb plädieren wir für eine höhere Mehrwertsteuer für den Online-Handel. Mit einem dritten Steuersatz von 25 statt 19 Prozent könnte der Innenstadthandel gegenüber dem aggressiven Wettbewerb global agierender Konzerne mit großer Steuervermeidungskompetenz wieder mithalten. Das würde auch eine bestehende Schieflage ausgleichen.

Es ist eben sehr viel leichter, Steuern im Internet als in der Fußgängerzone zu umgehen. Ein Teil des Ertrags aus einer solchen Mehrwertsteuererhöhung sollte den Städten und Gemeinden zweckgebunden für Konzepte zum Wiederaufbau der Innenstädte zur Verfügung gestellt werden.

Im Städtetag wird derzeit zu Recht über einen Marshall-Plan für die Innenstädte diskutiert. Frau Bundeskanzlerin, Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, diese Aufgabe ist von herausragender Bedeutung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und kann nicht mehr warten. Schaffen Sie durch eine erhöhte Mehrwertsteuer für den Onlinehandel faire Wettbewerbsbedingungen und eine Finanzierungsquelle für den Wiederaufbau der Stadtzentren“.