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Initiative Freifunk will die Ostalb erobern

Aalen / Lesedauer: 4 min

In Essingen steht der erste Kirchturm Baden-Württembergs, der WLan anbietet
Veröffentlicht:14.06.2016, 20:24

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„Diese Internetseite kann nicht angezeigt werden – Kein Zugriff auf mobile Daten – Sie surfen jetzt mit reduzierter Geschwindigkeit , ihr Datenvolumen ist verbraucht.“

Die Fülle an Sätzen ist nahezu grenzenlos. Am Ende besagen sie jedoch alle fast das Gleiche: Internet gibt’s gar nicht oder nur eingeschränkt. Vor allem im ländlichen Raum rund um Aalen keine Seltenheit. Drei Essinger wollen das ändern.

Smartphonenutzer brauchen eine gehörige Portion Geduld, wenn der liebgewonnene, kleine technische Helfer mit der Geschwindigkeit „E“ im oberen Bildschirmrand ins Internet zuckelt. Freies WLan in Cafés und Bars ist örtlich stark begrenzt. Städtische Netze wie beispielsweise in Aalen sind häufig überlastet, die Anmeldung klappt nicht, und regelmäßig kommt es zu Verbindungsabbrüchen. Die Ausnahme: Essingen. Stefan Maier , Claus Walny und der evangelische Pfarrer Torsten Krannich betreuen „Freifunk Essingen“. Die nichtkommerzielle Initiative hatte ihren Ursprung vor rund 13 Jahren in Berlin, erklärt Maier, der sich seit März für freies Internet in der Region stark macht.

Rechtlicher Rahmen lange heikel

Das Prinzip ist simpel. Mehrere Router schließen sich in einem lokalen Computernetzwerk zusammen und bilden ein WLan-Netz, welches mittlerweile große Flächen Essingens abdeckt. Der rechtliche Rahmen in Deutschland war lange heikel. Unternehmen oder Privatleute müssen haften, wenn ihre Internetleitung für Strafbares missbraucht wird. Die sogenannte Störerhaftung greift hier. Die Bürgerbewegung Freifunk umgeht dies, indem die Internetboxen einen Server der Landesmedienanstalt Berlin sowie Provider im angrenzenden Ausland ansteuern. „95 Prozent der Anfragen laufen über das Ausland“, erklärt Maier: „Anders geht es in Deutschland nicht.“ Noch. Denn der Bundestag hat einem überarbeiteten Telemediengesetz zugestimmt. Im Herbst könnte der beschlossene Entwurf schon in Kraft treten – der notwendige Umweg der Freifunker über das Ausland damit wohl ade.

40 Internetboxen sind in Essingen bereits aufgestellt. Der Vorteil gegenüber den WLan-Netzen in Cafés: Der Zugang mit dem Smartphone klappt ohne Anmeldung, Passwörter und Zeitlimit. Für Maier vergleichbar mit dem mobilen Handynetz. Auf die Einwohner gerechnet, bietet die Gemeinde gleichzeitig das größte Freifunknetz im Großraum Stuttgart.

Doch wer stellt seinen privaten Internetanschluss der Allgemeinheit zur Verfügung? „Die Bandbreite reicht vom jungen Studenten über den Familienvater bis zum technikversierten Senioren“, beobachtet Maier. Vor allem Betriebe und Gaststätten würden immer mehr auf den Zug aufspringen. Für die drei Essinger eine gehörige Portion Arbeit: Bis zu zehn Stunden Freizeit müssen sie opfern – pro Woche.

Kein Ausspähen

Die Freifunk-Kästchen knapsen zwischen zwei und drei Mbit/s ab. „Ab einer 6000er-Leitung bemerkt man das nicht mehr“, so der Essinger, der privat selbst drei Knotenpunkte betreibt. Die Geräte würden zum Selbstkostenpreis ab 25 Euro angeboten. Die Angst, dass sich Fremde so auf den eigenen Computer einwählen können, muss Maier bei Interessierten jedoch häufig erst nehmen. „Der Zugang erfolgt über einen sogenannten VPN-Tunnel. Es besteht keine Gefahr des Ausspähens.“

Gut spähen lässt sich dagegen vom wohl höchsten und einzigartigsten Knotenpunkt in der Gemeinde. Der evangelische Kirchturm funkte als erster in Baden-Württemberg ins weltweite Netz. Die katholische Gemeinde will bis Ende Juni nachziehen. Und auch die Verwaltung Essingens ist bereits auf die Freifunker aufmerksam geworden, die künftig einen Zuschuss erhalten. Die Folge: Das Rathaus wird als nächstes in das private Netz aufgenommen. Derzeit noch eine Seltenheit in Deutschland, wo sich viele Städte mit eigenen freien Internetzugängen versuchen, meist jedoch nur mit mäßigem Erfolg.

In Aalen wollen die Essinger den Start begleiten. „Hier hoffen wir, dass sich engagierte Betreiber für ein Freifunk Aalen finden.“ Das ist aber noch Zukunftsmusik. Die ersten drei Router sind zwar in Betrieb. Auch Mögglingen bietet bereits einen Knotenpunkt an. Bis zu einem flächendeckenden WLan im Ostalbkreis ist es aber noch ein weiter Weg.