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Bauboom

Halbzeit: Wolfgang Steidles persönliche Bilanz

Aalen / Lesedauer: 6 min

Wie Aalens Erster Bürgermeister die vergangenen vier Jahren erlebt hat und was er noch anpacken will.
Veröffentlicht:08.01.2020, 06:04

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Der Bauboom in Aalen ist ungebrochen. Davon zeugen die vielen Kräne im Stadtbild, aber auch die nackten Zahlen der Aalener Bauverwaltung. Die hat 2018 und 2019 jeweils Investitionen in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro abgewickelt. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 wurden nur 14 Millionen bewirtschaftet. Im Dezernat werde aktuell viel umgesetzt, sagt Wolfgang Steidle - „mit fast der gleichen Mannschaft“.

Steidle leitet das Aalener Baudezernat seit vier Jahren. Er hat ein Projektmanagement eingeführt. Jeder Projektleiter berichtet zum Monatsende. Ist das jeweilige Vorhaben im Zeitplan, ist das Budget eingehalten, sind Rücksprachen nötig oder gibt es Entscheidungsbedarf? Aktuell hat der Chef 80 Berichte im Monat zu lesen.

Acht Jahre beträgt seine Amtszeit als Dezernent. Steidle hat also Halbzeit. Und wie sieht seine Bilanz aus? Er ist, wie er sagt, rundum glücklich und zufrieden – trotz der „intensiven Zeit“. Und ums vorwegzunehmen: Wenn 2021 ein neuer OB gewählt wird, steht Steidle nicht zur Verfügung. Er habe kein Interesse am Amt, sagt er auf Nachfrage, und werde sich neutral verhalten.

Steidle lobt das gute Miteinander in der Bauverwaltung

Fragt man ihn nach seinen vier persönlichen Höhepunkten in den ersten vier Jahren, nennt er an erster Stelle „das gute Miteinander in der Bauverwaltung“ und die „gute Basis“ mit dem Gemeinderat und den Ortschaftsräten. Er sei „froh“ über die Aalener Diskussionskultur, um am Ende zur besten Lösung zu kommen.

Das zweite Glanzlicht in vier Jahren sind für Steidle die vielen „herausragenden Investitionen der Privatwirtschaft“, allen voran der Neubau der Papierfabrik Palm . An dritter Stelle nennt er den Grundsatzbeschluss des Gemeinderats, der Innenentwicklung Vorrang vor der Außenentwicklung zu geben. Union, Ostertag und i-Live Tower: Keiner hätte gedacht, meint Steidle, dass all das parallel kommen könnte. Schließlich zählt er zu seinen vier Höhepunkten, dass der Gemeinderat 2016 beschlossen hat, den Anteil der umweltfreundlichen Mobilität fast zu verdoppeln.

Ärgernisse sind der Bahnhalt West und Nordumfahrung Ebnat

In vier Jahren ist nicht alles eitel Sonnenschein. Steidle ärgert sich „ein Stück weit“ über die Verzögerungen beim Baubeginn für die Nordumfahrung Ebnat . Er hofft nun auf den Spatenstich zum Jahresende 2020. Ebenso ärgert er sich über die Hängepartie beim Bau des Bahnhalts West. Und: In vier Jahren muss man auch mal unbequeme Entscheidungen treffen. So hat Steidle die erste Planung fürs Wasseralfinger Spiesel-Freibad gestoppt, obwohl sie bereits öffentlich war. Man habe gemerkt, sagt er, „irgendwie ist es nicht das richtige“.

Das wiederholte sich beim Limesmuseum – allerdings eher unbemerkt von der großen Öffentlichkeit. Der zunächst geplante strukturelle Eingriff ins Gebäude wäre laut Steidle zu groß gewesen. Das hätte deutlich mehr Kosten produziert und wohl einen Urheberstreit mit dem Erbauer provoziert. Also wurde die Planung ebenfalls„eingestampft“ und von vorne begonnen. Manchmal, meint Steidle, müsse man eben Verantwortung übernehmen und Mut beweisen.

Und was will er in den kommenden vier Jahren erreichen? Da kommt der Baubürgermeister zunächst auf eine qualitätsvolle Stadtentwicklung auf der Basis „Innen vor Außen“ zu sprechen. Bei dieser „neuen Art der Urbanisierung“ sollen der Mensch und die Natur noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Steidle will die Potenziale der Verkehrsachsen und Ortsdurchfahrten angehen, wie er sagt. Beispiel Stuttgarter Straße. Die sei nie ein bevorzugter Wohnstandort gewesen. Doch er sieht dafür gute Chancen in bestimmten Lagen, denn: „Wer hier wohnt, braucht nicht unbedingt ein Auto.“

An zweiter Stelle stehen für Steidle Umwelt und Klima. Darunter fallen begrünte Fassaden und Plätze, Wasserthemen und die Umsetzung der Grundsatzbeschlüsse zur Mobilität. Der Fokus soll mehr auf Fußgängern und Radfahrern liegen. Überhaupt will die Stadt, wie Steidle ankündigt, bei den Radwegen eine Schippe drauflegen. Mehr Grün, weniger Autos: Das dänische Kopenhagen gilt gemeinhin als Vorzeigestadt und kann, wie Steidle meint, teilweise ein Beispiel für Aalen sein - wenngleich nicht eins zu eins übertragbar.

Ökonomische, ökologische und soziale Themen sollen möglichst im Einklang stehen

„Bildung, Bildung, Bildung“ kommt an dritter Stelle. Dazu zählt Steidle ausreichend Kita-Plätze und „optimale“ Voraussetzungen für die Schulen. Außerdem sei „alles dafür zu tun, dass die Hochschule Erweiterungsmöglichkeiten hat“. Das Innovationszentrum am Campus Burren, das er, wie er sagt, schon in der Ideenphase begleitet hat und das vor vier Jahren eröffnet worden ist, bezeichnet er als Erfolgsgeschichte. Auch der AAccelerator soll junge kreative Köpfe und somit die Gründerkultur fördern. Die Wirtschaft sei im Wandel, sagt Steidle. Und: „Jede Firma, die man in Aalen hat, hat mal klein angefangen.“

All das sieht der Baubürgermeister unter einen integrativen, gesamtheitlichen Ansatz. In anderen Worten: Ökonomische, ökologische und soziale Themen sollen möglichst im Einklang stehen. Beispiel Wohnungsbau. Zwar soll die Innenentwicklung Vorrang haben, dennoch verteidigt Steidle den neuen Flächennutzungsplan. Der beziehe den Außenbereich behutsam und an geeigneter Stelle ein. Denn dass die Mieten und Baulandpreise erheblich steigen, könne ja keiner wollen. Oder anders ausgedrückt: Auch die junge Familie soll sich ein Häuschen leisten können.

Info - Nach dem Amtsantritt gleich in Klausur

Der Gemeinderat hat Wolfgang Steidle am 12. November 2015 zum neuen Ersten Bürgermeister der Stadt Aalen gewählt. Auf ihn entfielen gut 70 Prozent der Stimmen. Mit dem Amt verknüpft ist die Leitung des Dezernats II - die Bauverwaltung.

Steidle kann sich noch gut an seinen Amtsantritt erinnern. Am Dreikönigstag 2016 gab es einen kleinen Empfang im Rathaus mit den Amtsleitern und früheren Kollegen, wenige Tage später ging Steidle mit OB Thilo Rentschler und dem ebenfalls neu gewählten Zweiten Bürgermeister Karl-Heinz-Ehrmann auf Klausur. So beginnen die drei Bürgermeister seitdem jedes Jahr. Inzwischen werden sie von Stadtkämmerin Daniela Faußner begleitet.

Wolfgang Steidle war schon von 2003 bis 2014 bei der Stadt Aalen beschäftigt, zuletzt als stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamts. Anschließend wechselte er als Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung zur Stadt Ellwangen. Dort war er gut zwei Jahre, bevor er als Erster Bürgermeister ins Aalener Rathaus zurückkehrte. „Die Chance kriegt man nur einmal im Leben.“

Steidle hat Architektur und Stadtplanung in Stuttgart und Zürich studiert sowie berufsbegleitend Wirtschaftsingenieurswesen in Biberach. Er stammt aus Lauchheim-Röttingen, wo der 44-Jährige auch heute noch mit seiner Frau sowie den Söhnen Hannes (5) und Jona (7) lebt. gäss