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Wolkenweide

Beste Slammerin im Ländle kommt aus Aalen

Aalen / Lesedauer: 6 min

Jeanine Lang hat sich den Pokal beim Landeswettbewerb im Poetry Slam geholt
Veröffentlicht:16.05.2018, 19:18

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Ihre Texte sind gefühlvoll und bewegen. Sie schreibt von der „Magie der Worte“ und unter dem Titel „Wolkenweide“ über den Verlust ihrer Hündin Joy. Beide Texte hat die Aalenerin Jeanine Lang beim neunten Landeswettbewerb im Poetry Slam im Ulmer Roxy vorgetragen und diesen in der Kategorie der unter 20-Jährigen für sich entschieden. Im September reist die 19-jährige Landessiegerin zu den deutschen U20-Meisterschaften in Paderborn . Und mit ihr in Gedanken und auf dem Papier ihre geliebte Joy.

Geschichten erfunden und Texte fabriziert hat Jeanine Lang, die in San Joséundefinedin Kalifornien geboren wurde, bereits als kleines Kind. Noch gut kann sich die 19-Jährige, die mit zwei Jahren nach Aalen kam, daran erinnern, wie sie beim Besuch ihrer Oma dieser einen Block und einen Stift in die Hand gedrückt und diktiert hat, was sie aufschreiben soll. Und ihre Großmutter staunte nicht schlecht über die Geschichten des kleinen Mädchens. Als Jeanine selbst schreiben konnte, brachte sie allerlei Kurzgeschichten zu Papier und mit elf Jahren schrieb sie bereits einen eigenen Roman. Auch bei Schulprojekten habe sie sich stets darum gerissen, zur Feder greifen zu dürfen. „Schreiben ist ein Teil meines Lebens“, sagt die Aalenerin, die im vergangenen Jahr ihr Abitur am Ellwanger Gymnasium Sankt Gertrudis gemacht hat.

Vor 600 Besuchern mächtig Eindruck hinterlassen

Dass Jeanine nicht nur bildhübsch, sondern auch begabt und intelligent ist, zeigen nicht nur ihre Texte. Auch ihr Schulabschluss mit der Traumnote 1,0 sowie die Preise, die sie beim Abitur eingeheimst hat, sind ein Beleg dafür. Neben einem Preis in Französisch, in Englisch und in Naturwissenschaften erhielt sie den Scheffelpreis für herausragende Leistungen im Fach Deutsch und hatte somit die Ehre bei der Abiturfeier eine Dankesrede zu halten. „Diese sollte allerdings nicht gewöhnlich sein, sondern etwas Besonderes“, sagt Jeanine, deren Vater bei Carl Zeiss in Oberkochen arbeitet und deren Mutter in Aalen eine Praxis für Hypnose und systematische Therapie betreibt. Heraus kam der Text „Magie der Worte“, der von Brücken aus Buchstaben und Worten handelt, die die Menschen verbinden, und in dem etliche Beispiele aus der Jugendlektüre der 19-Jährigen wie Harry Potter, der Herr der Ringe oder Ronja Räubertochter vorkommen.

Diesen Text trug Jeanine im vergangenen Jahr bei zwei Poetry Slams im Aalener Frapé und im Ulmer Roxy vor. Und weil sie bei ihrem Auftritt in der Diskothek in der Donaustadt vor 600 Besuchern mächtig Staub aufgewirbelt und Eindruck gemacht hat, kamen die Veranstalter des Roxy-Teams Anfang des Jahres mit der Frage auf sie zu, ob sie nicht an der ersten Ulmer Stadtmeisterschaft für die U20-Jährigen mitmachen möchte. Die Aalenerin sagte zu, siegte bei der Veranstaltung im März und qualifizierte sich dadurch für den Landeswettbewerb, der vom 3. bis 5. Mai im Ulmer Roxy über die Bühne ging und bei dem 16 Teilnehmer unter 20 Jahren an den Start gingen.

Neben ihrem Text „Magie der Worte“ hatte die 19-Jährige einen sehr persönlichen und für sie emotionalen Text im Gepäck, von dem „ich lange nicht wusste, ob ich ihn vortragen soll“, sagt Jeanine. Unter dem Titel „Wolkenweide“ widmet sich dieser ihrer verstorbenen Australian-Shepherd-Hündin Joy, die im Sommer vergangenen Jahres überraschend im Alter von zehn Jahren verstorben ist. „Ich bin ein Einzelkind und Joy war für mich wie eine Schwester“, sagt Jeanine. Die Zeit nach ihrem Tod sei schlimm gewesen. Ihre Trauer hat die 19-Jährige zu Papier gebracht und heraus kam ein Text, der die Hoffnung beinhaltet, dass sich beide irgendwann an einem Ort, der Wolkenweide, wiedersehen.

Während andere Slammer auf der Comedy-Schiene fahren und das Publikum zum Lachen bringen wollen, hat Jeanine eine andere Intention. „Die Gefühle, die ich in die Texte hineinlege oder hineinschreibe, sollen Emotionen auslösen. Und wenn ich die Menschen berühren kann, habe ich mein Ziel erreicht.“ Vor dem Auftritt im Finale des Landeswettbewerbs sei die 19-Jährige sehr nervös gewesen. „Ich war mega aufgeregt und hab extrem gezittert“, erinnert sich Jeanine. Doch sobald sie auf die Bühne gegangen sei, sei sie ganz bei sich und ihren Texten gewesen, die sie stets auswendig vorträgt. „So kann ich mich auf das konzentrieren, was ich sage.“ Etwas Angst habe sie vor der Rezitation von „Wolkenweide“ gehabt. „Eben weil mir der Text so viel bedeutet und ich nicht wusste, wie die Zuhörer darauf reagieren. Als das Publikum allerdings immer leiser wurde und in der ersten Reihe zwei muskulöse Männer, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie meine Worte nachvollziehen können, total berührt gewesen sind, wusste ich, dass mein Inhalt ankommt und viele Verständnis für meine Trauer haben.“

Im September geht’s zu den deutschen Meisterschaften

Traurig musste Jeanine am Ende nicht sein. Mit 45,6 Punkten gewann sie den Landeswettbewerb. Neben einem Ulmer Spatz aus Schokolade sowie einem Pokal war der größte Sieg für die 19-Jährige die Qualifikation zu den deutschen U20-Meisterschaften, die vom 18. bis 22. September in Paderborn stattfinden. „Ich hoffe, dass diese Veranstaltung auch wieder so ein tolles Erlebnis wird und ich bin dankbar, dabei sein zu dürfen“, sagt Jeanine. Den Wettbewerb will sie allerdings nicht zu eng sehen. „Ich möchte die Zeit einfach genießen, Erfahrungen sammeln und mit vielen Menschen ins Gespräch kommen und Kontakte knüpfen.“ Mit welchen Texten sich Jeanine der Konkurrenz und der Jury stellen wird, ist noch unklar. Gerne würde sie jedoch „Wolkenweide“ vortragen.

Neben dem Schreiben hat Jeanine nach ihrem Abitur bereits zahlreiche Praktika absolviert. Unter anderem als Regieassistentin für die von Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg realisierte Sitcom „Zum goldenen Lama“ oder beim Theater der Stadt Aalen. Ab Oktober will sie studieren. Was, sei noch unklar. „Ich würde einerseits gerne Regie studieren, aber auch Sprachen und Psychologie reizen mich.“ Doch egal wohin die Reise geht. Eines steht für die 19-Jährige fest. „Mit Poetry Slam möchte ich auf jeden Fall weitermachen. Hier habe ich eine Art von Kunst gefunden, die mir liegt und die Spaß macht“, sagt Jeanine, die das Zeug dazu hat, einmal so groß zu werden wie ihr Vorbild, die bekannte Slammerin Julia Engelmann.