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Städtepartnerschaft

Älteste Partnerschaft funktioniert am besten

Aalen / Lesedauer: 4 min

Bei den Reichsstädter Tagen wird das 40-jährige Bestehen der „Jumelage“ mit Saint-Lô gefeiert
Veröffentlicht:30.08.2018, 16:36

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Sie ist die älteste, aber auch die nach Überzeugung ihres Initiators Ulrich Pfeifle am besten funktionierende Städtepartnerschaft: Die Verbindung zwischen Aalen und Saint-Lô . Bei den Reichsstädter Tagen wird ihr 40-jähriges Bestehen gefeiert, denn genau vor vier Jahrzehnten war sie ebenfalls beim Stadtfest auf dem Aalener Marktplatz besiegelt worden. Und das nach einer kurzen Kennenlernphase von nicht einmal einem halben Jahr. Allerdings hatte es da schon einen regen Schüleraustausch zwischen den beiden Städten gegeben.

„Als ich 1976 als junger OB in Aalen angefangen habe“, erinnert sich Pfeifle zurück, „hatte Aalen noch überhaupt keine Partnerschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten, auch in der näheren Umgebung, die eine solche im Rahmen der deutsch-französischen Versöhnungsbemühungen eingegangen waren.“ Das müsse sich schnellstens ändern, beschloss das junge Stadtoberhaupt und streckte seine Fühler aus.

Abfuhr aus Albi

Dank eines Tipps wurde er im südfranzösischen Albi fündig. Auch diese Stadt war noch ohne deutschen Partner. Nach den Kommunalwahlen, wurde der deutsche OB vertröstet, könne man über eine Partnerschaft reden. Der Urnengang endete in Frankreich mit einem starken Linksruck. Der Wunsch nach einer Partnerschaft bestand weiter, allerdings teilte man Pfeifle mit, man strebe eine „Jumelage“ mit einer Stadt in der damaligen DDR an. Eine Abfuhr also.

Als Pfeifle erfuhr, dass es bereits einen regen Schüleraustausch mit Saint-Lô gab, setzte er sich Klaus Schilling in Verbindung, der diesen am Theodor-Heuss-Gymnasium bereits seit einigen Jahren organisierte. Mit ihm vereinbarte der OB, dass er beim nächsten Schüleraustausch ebenfalls nach Saint-Lô fahren würde. Die Stadt in der Normandie bot sich auch deswegen für eine Partnerschaft an, weil sie noch keine Verbindung mit einer deutschen Stadt eingegangen war.

Stadt wurde völlig zerstört

Das hatte mit der jüngeren Geschichte zu tun. Denn Saint-Lô war im Juni 1944 bei der Landung der Alliierten in der Normandie, beim so genannte D-Day , vollständig zerstört worden. Zwar von den Alliierten, aber verursacht von den Deutschen. Und gegen die gab es nach wie vor erhebliche Ressentiments.

Die bekam auch Pfeifle anfangs zu spüren, als er in der Karwoche 1978 mit seinem damaligen Hauptamtsleiter Ernst Ackermann und den Redakteuren Erwin Hafner und Artur Roßmann, dem seinerzeitigen Redaktionsleiter der Aalener Volkszeitung, der heutigen Aalener Nachrichten, nach Saint-Lô fuhr, in die Hauptstadt des französischen Départements La Manche. Wagen konnte er es nur, weil seit der letzten Kommunalwahl mit Bernard Dupuis erstmals ein sozialistischer Bürgermeister im Rathaus das Sagen hatte. Der deutschen Delegation gelang es nicht nur, das Eis zu brechen. Mit Dupuis und seiner Familie entwickelte sich schon bald eine lebenslange Freundschaft.

Nach der Rückkehr der Delegation nach Aalen ging alles ganz schnell. Bereits bei den Reichsstädter Tagen desselben Jahres wurde die Partnerschaftsurkunde in Aalen von den beiden Stadtoberhäuptern unterzeichnet, im Jahr darauf wurde die Zeremonie bei einem Stadtfest in Saint-Lô wiederholt.

Partnerschaft auf zwei Pfeilern

Die Partnerschaft ruhte und ruht auf zwei Pfeilern, sagt Pfeifle heute: Dem Schüleraustausch und den engen Beziehungen zwischen den Landwirten beider Städte. Denn Dupuis war vor seiner Zeit im Rathaus in der Landwirtschaftsverwaltung tätig. Hinzu kamen im Laufe der Jahre viele private Freundschaften zwischen Familien beider Städte und ein reger kultureller Austausch, etwa mit einer eindrucksvollen Konzertreise des Aalener Sinfonieorchesters in die Normandie.

Auf persönlicher Ebene ging die Familie des Aalener OB mit gutem Beispiel voran. So verbrachte sie Urlaube im Hause der Familie Dupuis, während diese sich in Aalen erholte. Eine Tochter der Familie Dupuis war sogar ein Jahr lang als Au-Pair-Mädchen bei der Familie Pfeifle in Aalen.

Deutsche unerwünscht

Die Freundschaft ging aber noch viel tiefer. Bereits 1984, als die Städtepartnerschaft gerade mal fünf Jahre bestand, lud Dupuis seinen Freund Pfeifle zu den Feierlichkeiten aus Anlass des 40. Jahrestages des D-Day in die Partnerstadt ein. „Da hat er großen Mut bewiesen“, sagt Pfeifle heute noch voller Respekt. Denn eigentlich wollten die Alliierten diesen Tag unter sich feiern. Deutsche waren unerwünscht, sogar der seinerzeitige Bundeskanzler Helmut Kohl.

Aber nicht nur das: Dupuis und sein deutscher Gast legten bei den Feierlichkeiten Kränze zum Gedenken an die Ereignisse nieder. Pfeifle: „Das war ein sehr gutes Symbol.“

Aussöhnung ist gelungen

Jetzt ist die deutsch-französische Aussöhnung gelungen, fügt er hinzu. Die Städtepartnerschaft aber hat sich damit aus Pfeifles Sicht nicht erledigt. Im Gegenteil: Gerade jetzt, wo Europa im Großen schlecht funktioniere, werde sie gebraucht. Denn Städtepartnerschaften seien der einzige Ort, der die Begegnung von Menschen möglich mache. Ohne sie könne Europa nicht funktionieren.