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Poledance – keine Sportart von der Stange

Bad Schussenried / Lesedauer: 4 min

Mit einer Benefiz-Show möchte Simone Fluhr ihr ungewöhnliches Hobby bekannter machen
Veröffentlicht:23.10.2013, 20:59

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Neugierige Blicke ist Simone Fluhr gewohnt. Immer wieder ertappt die Schussenriederin Passanten, die sich gegen das Fenster lehnen, um durch die Lücken des Rollos einen Blick ins Innere ihres Studios zu werfen. Vor etwa zwei Jahren hat Fluhr in ihrer Heimatstadt ein Poledance-Studio eröffnet. In der Wilhelm-Schussen-Straße 28, im Herzen der Stadt – denn schließlich gibt es hier nichts zu verbergen: Wer Poledance , den elegant-akrobatischen Tanz an einer vertikalen Stange, nur mit dem Rotlichtmilieu in Verbindung bringt, der sollte die anspruchsvolle Sportart wohl einmal selbst ausprobieren.

Simone Fluhr hängt kopfüber. Oberschenkel und Hände umklammern die zwischen Boden und Decke montierte Stange. Jede Muskelfaser ihres Körpers ist gespannt. Dennoch bewahrt sich die Poledance-Trainerin eine elegante Leichtigkeit, als sie nach und nach Beine und einen Arm abspreizt und langsam, ganz langsam, als ob sie ein Rad schlagen würde, zu Boden gleitet.

Poledance ist sinnlich, keine Frage. Aber auch nicht sinnlicher als Tango oder Salsa, wirft Fluhr ein: „Es soll schon sinnlich sein, aber mit einer gewissen Ästhetik. Poledance hat nicht den Sinn, Männerfantasien zu bedienen.“ Die Anfänge des Sports liegen zwar im Rotlichtbereich. Doch die Tradition speist sich genauso aus dem chinesischen Stangentanz und die Verbindung zur Artistik ist offenkundig. „Wir heben uns schon sehr ab vom Tabledance“, betont Fluhr: „Hier geht es nicht um Popo-Gewackel – das ist ein knallharter Sport.“

Poledance für den guten Zweck

Simone Fluhr ist gut darin, ihren Sport, den sie auch als ihre „Sucht“ beschreibt, zu verteidigen. Das macht wohl die Übung, denn mit Vorurteilen haben Pole-Tänzerinnen immer wieder zu kämpfen, besonders auf dem Land. Das mag auch an der Unwissenheit liegen. Und um das zu ändern, hat sich die Inhaberin des Studios „Poledreams“ etwas ganz Besonderes ausgedacht: eine Benefizvorführung für die Radio-7-Drachenkinder am Samstag, 26. Oktober, ab 20.30 Uhr in der Schussenrieder Stadthalle.

Silvana Fuchs wird dann noch nicht auf der Bühne zu sehen sein, sondern bei der Organisation mithelfen. Die 18-jährige Hochdorferin hat den außergewöhnlichen Sport erst vor zwei Monaten begonnen – die ersten Erfolge spüre sie aber schon jetzt: „Ich habe nicht mehr so Rückenschmerzen.“ Diese Erfahrungen hat auch die 33-jährige Conny Hunger aus Bierstetten gemacht, die seit einem guten halben Jahr im Schussenrieder Studio trainiert. Lydia Geißler aus Eberhardzell ist nach vier Monaten ebenfalls noch ein Neuling. Als frühere Eiskunstläuferin ist ihr der Einstieg in die neue Sportart aber nicht allzu schwer gefallen, sagt die 28-Jährige: „Das ist auch ähnlich, auch beim Eiskunstlauf geht es um Technik und Tanz – und man entwickelt den gleichen Ehrgeiz, wenn man eine bestimmte Figur schaffen möchte.“

Denn auch im Poledance entwickeln die Tänzerinnen zur Musik eine Choreografie, die sich aus einzelnen Figuren aufbaut. Der Schwierigkeitsgrad ist ganz unterschiedlich und deshalb ist Poledance eigentlich für jeden geeignet, findet Fluhr: „Viele sagen, dass sie erst abnehmen oder Muskeln aufbauen wollen, um mit dem Sport anzufangen – aber andersrum wird ein Schuh draus. Ich lerne ja auch nicht erst Auto fahren und geh’ dann in die Fahrschule.“ „Man baut Kraft auf, hat ein enormes Körpergefühl und läuft selbstsicherer durch die Gegend“, bestätigt Laura Brückner nach zwei Jahren Poledance. Die 17-jährige Olzreuterin hat schon mehrere Sportarten ausprobiert, bei Poledance ist sie geblieben.

Dass sich Körperspannung und Haltung durch den Tanz an der Stange deutlich verbessern lassen, diese Erfahrung hat auch die Trainerin selbst gemacht, die bei ihrem Schreibtisch-Job als Systemadministratorin jahrelang unter Rückenschmerzen litt. Nach ersten mehr oder weniger erfolgreichen Selbstversuchen in der Garage mit einer Billigstange von E-Bay wollte Fluhr Nägel mit Köpfen machen – und fuhr fortan jede Woche nach der Arbeit nach München zum Poledance-Training.

Heute sind es Fluhrs Schülerinnen, die teilweise lange Wege in Kauf nehmen. Die nächsten Poledance-Studios sind in Ulm oder Weingarten, deshalb fährt die 20-jährige Elena Englert von Mengen nach Schussenried, um ihrer noch immer seltenen Leidenschaft nachzugehen.

Denn ein Massensport wird Poledance wohl nicht so schnell werden. Auch deshalb, weil die Sportart fest in Frauenhand ist. Warum das so ist? Trainerin Fluhr hat da so ihre eigene Theorie. Der Spaßfaktor sei zwar hoch, doch gerade am Anfang seien Muskelkater und blaue Flecken programmiert: „Poledance ist kein Memmensport – deshalb machen’s auch so viele Mädels und fast keine Jungs.“ Und wer das noch immer nicht glaubt, kann sich ja am Samstag in der Schussenrieder Stadthalle überzeugen.