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Ideenreichtum

Er baute Brücken mit großem Ideenreichtum

Wurmlingen / Lesedauer: 3 min

Ein Kollege würdigt den verstorbenen Wurmlinger Pfarrer Andreas Wagner
Veröffentlicht:26.04.2018, 16:21

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Wurmlingen - Im Alter von 53 Jahren ist Andreas Wagner, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Erlöserkirche in Wurmlingen, aus dem Leben geschieden. Sein Kollege Pfarrer Hans Martin Dober, Friedenskirchengemeinde Tuttlingen, würdigt den verstorbenen Geistlichen.

Andreas Wagner ist vor fünf Jahren hierher in den Evangelischen Kirchenbezirk gekommen. Für ihn, der in Spaichingen geboren und aufgewachsen ist, ist das eine Rückkehr gewesen. 15 Jahre hatte er in Israel verbracht, beginnend mit dem Programm „Studium in Israel“ im Jahr 1990/91.

Nach dem Vikariat ging er, nun ein Pfarrvikar, 2003 als Studienleiter wieder nach Jerusalem, um sich unter erschwerten Arbeitsbedingungen infolge der zweiten Intifada seinem großen lebensbegleitenden Thema zu widmen: dem Verhältnis von Juden und Christen. Er lebte zwischen den Welten, den Kulturen, den Religionen, und hielt die damit verbundenen Spannungen in seiner Person aus. Er baute Brücken mit großem Ideenreichtum und Begeisterungsfähigkeit.

Familie in Israel gegründet

Er gründete eine Familie und wurde Vater dreier Kinder in Israel. Er war derart bewandert in der hebräischen Sprache, Geschichte und Kultur, dass er die Lizenz zum Reiseleiter erwarb, die sonst nur Israelis vorbehalten ist.

Die ihn umtreibenden Fragen hat er zudem wissenschaftlich bearbeitet. Seine Doktorarbeit „Zwischen Engeln und Menschen. Die Rolle Henochs im Slawischen Henochbuch“ umfasst 420 Seiten, russische Sprachkenntnisse waren für diese Untersuchung erforderlich. Es fehlte nur noch ein Kapitel, das zu schreiben er über die Jahre weder Muße noch Mut fand – erst in der Woche nach Ostern diesen Jahres hatte er die Lücke beinahe geschlossen.

Hier im Kirchenbezirk hat er die Pfarrstelle Wurmlingen übernommen. Schritt für Schritt arbeitete er sich in die vielfältigen Aufgaben ein, die dieser Beruf mit sich bringt, und übte sich in der Lebenskunst, Pfarrer zu sein. Vielen in der Gemeinde ist er bei Geburtstagsbesuchen und Kasualgesprächen zu einem wichtigen Gegenüber geworden. Mit Engagement suchte er den unterschiedlichen Altersgruppen gerecht zu werden. Regelmäßig organisierte er Studienreisen nach Israel, die denen, die dabei waren, zu unvergesslichen Erlebnissen geworden sind. In der Erwachsenenbildung war er ein wichtiger Impulsgeber und Mitgestalter, bezirksweit tätig auch im Team der Kirchlich-theologischen Arbeitsgemeinschaft. Der Spagat zwischen Kirchendienst und Wissenschaft ist ihm nicht leicht gefallen.

Vielfältig begabt

Mit Andreas Wagner ist ein Kollege im Pfarramt aus diesem Leben geschieden, der bis ins Persönliche hinein ein Vorkämpfer in den Beziehungen zwischen Christen und Juden war. Er verfügte über vielfältige Begabungen, eine hohe Sensibilität, Sprachkraft und Nachdenklichkeit. Doch vielleicht ist er sich selbst nicht ausreichend bewusst gewesen, welche Lücke er hinterlässt.

Zwei Sätze aus jüdischer Tradition mögen uns, die wir ihn schätzten, in der Trauer Orientierung geben: „Seine Seele werde aufbewahrt im Gebinde des Lebens“ und „das Andenken an ihn sei gesegnet“.