Warenbach

Zwischen Hoffnung und Dankbarkeit

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 4 min

Heilig-Geist-Spital und Angehörige der Bewohner gewähren Einblick in ein Seniorenheim im Krisenmodus
Veröffentlicht:13.08.2020, 16:21

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Allein mit Applaus für die Pflegeverantwortlichen in der Coronakrise geben sich einige Angehörige von Bewohnern des Heilig-Geist-Spitals (HGS) am Warenbach nicht zufrieden. Sie loben das Pandemieteam um Einrichtungsleiter Jakob Broll ausdrücklich und geben einen Einblick in ein Seniorenheim im Krisenmodus.

„Sie haben uns eine große Last von den Schultern genommen.“ Achim Rosenthal spricht auch im Namen seiner 86-jährigen Mutter Christa, wenn er die Wärme und Güte der Pflege- und Hilfskräfte lobt, die den Spital-Bewohnern während des Besuchsverbots von Angehörigen in ganz besonderem Maß entgegengebracht wurde. „Sehr beeindruckt“ von der Zuwendung ist auch Angelika Müldner , die sich aufgrund der Pandemie und der daraus folgenden einschneidenden Sicherheitsmaßnahmen zunächst große Sorgen um ihre stark demente Mutter gemacht hatte. Doch sie und ihr Bruder merkten schnell, dass die 85-Jährige in der Krise „in den besten Händen“ war. Für die beiden war das Besuchsverbot eigentlich schlimmer als für die Mutter.

„Wir haben in dieser Zeit viel telefoniert", sagt Angelika Müldner, denn die Möglichkeiten per Video oder in der Besucherbox in Kontakt zu kommen, seien für ihre Mutter keine Lösungen gewesen. Diese Angebote dagegen fleißig genutzt hat Carmen Tadday. Sie empfindet „Respekt und Dankbarkeit“ dem Personal gegenüber, das das Zusammenkommen mit ihrer 99-jährigen Mutter Ingeborg jederzeit möglich machte. Obwohl geistig noch topfit, habe ihre Mutter die einschränkenden Maßnahmen zwar bis heute nicht verstanden, ihrem Glück, seit drei Jahren nach einem betreuten Wohnen nun vollumfängliche Pflege zu genießen, habe das aber keinen Abbruch getan. „Sie ist hier gut angekommen“, sagt ihre Tochter.

Karin Schüttler musste mitten in der Coronazeit Abschied von ihrer Mutter nehmen, die im Alter von 101 Jahren nach fünf Jahren im HGS verstarb. In Schutzkleidung durfte die Tochter am Bett sitzen und den letzten Weg mit ihr gehen. Karin Schüttler erfuhr im Austausch mit den Pflegekräften, dass ihre Mutter davon sprach, ihre Kinder seien gestorben, weil sie sie nicht mehr besuchen kommen. „Das fand ich so traurig und deshalb rechne ich es dem HGS hoch an, dass ich in den letzten Stunden bei ihr sein konnte.“

Auch Bettina Schemel und ihre Mutter Gudrun sind froh, dass die 84-Jährige nun wieder jeden Tag an die frische Luft darf. Verantwortungsvoll sei man im HGS mit der Krise umgegangen, das Personal sei immer freundlich geblieben und habe „ohne zu murren“ ihrer Mutter jeden Tag von der Tochter mitgebrachte Blumen oder Obst überbracht. Vor einer erneuten Schließung haben beide jedoch Angst.

Im HGS sieht man sich gegen eine wieder steigende Zahl an Neuinfektionen gewappnet. Für die rund 80 Mitarbeiter seien ausreichend Schutzausstattungen vorhanden, außerdem könne man – falls nötig – von den Erfahrungen der letzten Monate profitieren, sagt Broll. Sein Pandemie-Team, bestehend aus ihm selbst, Pflegedienstleiter Siegfried Beha, seiner Stellvertreterin und Qualitätsmanagerin Nina Bader, der für die Heimaufnahme zuständigen Ivana Razum sowie der Verwaltungskraft Heike Ziemlich, habe sämtliche Urlaubstage gestrichen und mit Unterstützung der Stiftungsverwaltung des Spitalfonds Villingen alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um im Sinne der Bewohner, aber auch des Personals „gut durch diese Zeit zu kommen“. Dass das ohne eine Infektion gelungen sei, dazu noch zur offensichtlichen Zufriedenheit der allermeisten Bewohner und Angehörigen, habe man vor allem dem engagierten Pflegeteam zu verdanken. „Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen“, sagt Broll, die bereits ausbezahlte bis zu 1500 Euro Coronaprämie sei wahrlich verdient.

Nach wie vor werde bei allen 87 Bewohnern täglich Temperatur gemessen, zwei Coronatests blieben negativ, auch bei den Mitarbeitern. Besucher dürfen – einzeln – wieder kommen, sich aber nur in den jeweiligen Bewohnerzimmern aufhalten.

In Zeiten der strengen Kontaktbeschränkungen habe man sich indes nicht nur um die Heimbewohner und deren Angehörige gekümmert, erinnert Spitalfonds-Geschäftsführer Günter Reichert und dankt dem Pandemieteam und allen Mitarbeitern, sondern mit Essen auf Rädern aus der eigenen Küche sowie mobilen Einkaufsdiensten auch um die Bewohner der betreuten Wohnanlagen. Darüber hinaus wurden auch Notgruppen in Kindergärten und Schulen mit Essen beliefert.

Nach wie vor ist die Caféteria des HGS geschlossen, Mittagstisch und gemeinsames Kaffeetrinken von Bewohnern und Besuchern sind noch nicht wieder möglich. Broll rechnet aber mit einer Wiedereröffnung Ende September.