Jagdgenossenschaft

Von wegen „dumme Sau“

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 4 min

Schwarzwild mischt Fluren auf – Jagden schwer zu verpachten – Ausweg aus Dilemma
Veröffentlicht:02.06.2019, 18:23

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Von wegen „dumme Sau“: Wie schlau das Schwarzwild ist, weiß Roland Brauner nur zu genau. Wegen der beträchtlichen Schadensbilanz hat der Geschäftsführer der Jagdgenossenschaft VS große Probleme, die Jagden zu verpachten. Doch auch die Jäger sind nicht dumm und fanden einen Ausweg aus dem Dilemma.

Roland Brauner sitzt vor einer großen Karte und erläutert den Unterschied zwischen Regiejagden, also Eigenjagdbezirken mit mehr als 75 Hektar Größe, und jenen teilweise Quadratmeter kleinen Wald- und Flurflächen, für die die Jagdgenossenschaft zuständig ist und deren Geschäftsführer er ist.

Von den rund 8500 Hektar Genossenschafts-Flächen ist lediglich ein Achtel verpachtet. Und das aus gutem Grund, erläutert Brauner, der den meisten Schwarzwälder Bote-Lesern eher als stellvertretender Leiter des städtischen Forstamtes VS bekannt ist. Schuld daran ist das Wild mit seiner teils beträchtlichen Schadensbilanz, allen voran die buddelfreudigen Wildschweine, über deren Zahl im VS-Gebiet der Forstexperte nur spekulieren kann.

Zähe Streitfrage

Diskussionen um die Streitfrage, wer für die Wild-Schäden letztendlich aufkommen soll, sind so zäh wie Baumharz, und eher theoretisch entschieden. Verantwortlich für die Begleichung sei eigentlich die Jagdgenossenschaft, so Brauner. Doch rechtlich sei es möglich, die Zuständigkeit, sprich die Behebung des Schadens, den Pächtern aufzubrummen. Entsprechend „groß“ sei das Interesse an den noch vielen insgesamt rund 7000 Hektar großen Flächen.

Die in Frage kommenden Jagdscheinbesitzer sagen dankend ab. Wie also das Problem auf den Wald- und Flurflächen lösen, die nicht zu den Regiestücken gehören? Brauner lehnt sich entspannt zurück. „Wir haben Jagderlaubnisscheine ausgegeben“, erläutert er, insgesamt 35 Stück, „denn die Fläche muss ja bejagt werden“. Der feine Unterschied: Zwar bleibt die Jagdgenossenschaft auf möglichen Wildschäden bei dieser Variante sitzen. Aber der Ansatz sei ein anderer: „Wer einen Schein besitzt, will auf jeden Fall Beute machen“, erklärt Brauner.

Zudem könne sich die Jagdgenossenschaft wieder schneller von einem Scheinbesitzer trennen, wenn der „nicht passt“. Rund 5000 Euro überweist die Jagdgenossenschaft jährlich, um Wildschäden auszugleichen.

Erfolgreiche Task Force

Eine weitere Spezialität aus dem Oberzentrum: die Schwarzwild Task Force, ein Verbund von mehreren Jägern, die sich untereinander abstimmen, „wer auf welches Wildschein wo und wann schießt“. Die Abschusszahlen sprechen für sich: Verbuchte Jagdgenossenschafts-Geschäftsführer Brauner 2011/12 insgesamt 18 erlegte Tiere, vervierfachte sich die Zahl fast sieben Jahre später auf fast 70 Exemplare.

Den Anstieg der Populationen auch in Villingen-Schwenningen erklärt er mit den Folgen des Klimawandels und „einer völlig verfehlten Subventionspolitik“, die zu einem überbordenden Maisanbau geführt habe. Ohne die Einrichtung von Schussschneisen, so Brauner, sei den Tieren nicht beizukommen.

Und schon wieder ist er bei deren großen Schläue. Werde ein Schwarzwild erlegt, dann „bleiben die anderen eine ganze Weile weg“. Auch lernen sie flott, wie nicht so ganz ordentlich fixierte Wildzäune zu überspringen sind.

Immerhin: Das komplexe Netz aus Jagdverpachtung, Begehungsscheinen, dem Aufbau der Task Force zum einen und dem Angebot von Wildbret andererseits, das kiloweise in den Kühltruhen des Forstamtes lagert, rechnet sich. „Die Defizit-Zeiten sind passé.“

Seit 13 Jahren hat Brauner die Geschäftsführer-Aufgabe inne, 3000 Eigentümer, in der Hauptsache Landwirte, sind dabei unter einen Hut zu bringen. Schon ’zig Jahre zuvor hatte es den Versuch gegeben, eine Jagdgenossenschaft zu gründen, doch ohne Erfolg. Der damalige Forstamtsleiter sei mit einem streitbaren Landwirt aneinandergeraten. Erst unter der Leitung des jetzigen Forstamtsleiter Tobias Kühn sei die Gründung gelungen und die Wogen geglättet worden.

Nicht ohne Grund hat die Stadt, genauer gesagt das Forstamt, seine Hände im Spiel. Einen Geschäftsführer habe man seinerzeit nicht gefunden, also habe die Kommune VS die Geschäftsführung übernommen, „und damit also wir“, so Brauner süffisant.

Zustände wie in Berlin?

Kommen nach den Füchsen, wie in Teilen Berlins, bald die ersten Wildschweine ins VS-Stadtgebiet? Bisher seien nur vereinzelt Tiere am Rand des Stadtgebietes, so in Schwenningen, gesichtet worden und „die haben auch Schaden angerichtet“.

Nicht minder problematisch ist in den Augen Brauners die teils zwiespältige Betrachtung der Jagd: „Müsst ihr denn die Tiere töten?“ Diese Frage hört er immer wieder, nicht nur in Bezug auf das Schwarzwild. „Doch wenn die Wildsau dann durch das eigene Grundstück läuft, sieht die Sache schon ganz anders aus.“ Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Privateigentümer auf dem Schaden sitzen bleiben, „weil es sich nicht um landwirtschaftlich genutzte Flächen handelt“.