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Streit

Schwenninger Einzelhändler sind sauer

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 5 min

Alexander Baum verlässt Werbesatzung-Workshop wütend – Vorwurf an die Stadt: Willkür
Veröffentlicht:03.05.2015, 08:43

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Die Schwenninger Einzelhändler sind wütend auf die Stadt und das in einem nicht bekannten Ausmaß. Der Zorn entlud sich beim Workshop wie ein Gewitter über den Häuptern von Abteilungsleiter des Baurechtsamts, Friedrich Mey, und Wirtschaftsförderin Beate Behrens.

Eigentlich hatte die Stadt zum Workshop über die neue Werbesatzung in Schwenningen eingeladen. Diese regelt vor allem das Aussehen und die Größe von Werbeanlagen an den Geschäften. In der Realität wurde es zum hitzigen Wortgefecht, in dem die Schwenninger Einzelhändler kein gutes Haar an der Stadt ließen. Unter den Anwesenden waren unter anderem Jürgen Müller (Sport Müller), Alexander Baum (Immobilien Baum), Wolfgang Giersig (Giersig Markisen) und weitere namhafte Vertreter der Branche.

Die Vorgeschichte: Das Landesverwaltungsgericht forderte die Stadt Villingen-Schwenningen auf, eine neue Werbesatzung aufzustellen, die jetzige von Ende der 1980er-Jahre sei nicht mehr zeitgemäß, da sie vor allem ein zu großes Gebiet umfasst. Die Verwaltung tat wie geheißen und brachte sie in den Gemeinderat ein. Dieser wiederum wollte wissen, ob das mit dem GVO abgestimmt sei, was die Verwaltung bejahte. Allerdings gab es laut stellvertretender GVO-Geschäftsführerin Nicole Huschauer nur eine Begehung in Schwenningen – weit entfernt von einer Absprache. Sie forderte erst den Workshop und dann den Beschluss im Gemeinderat. Dies wurde nun umgesetzt.

Der erste, der nicht mehr an sich halten konnte im Saal des Hotels Neckarquelle war Alexander Baum. Dieser führte an, dass Stuttgart beispielsweise keine Werbesatzung mehr habe und auch andere Städte würden dies abschaffen. Er sieht in der Werbesatzung für Schwenningen eine einzige Schikane, seine Kollegen an den Tischen widersprachen ihm nicht. Er führte das Beispiel des Videogeschäfts in der Arminstraße auf, das in den ehemaligen Edeka einzog und plötzlich seine Werbung nicht mehr so groß anbringen durfte wie Edeka. Er stellte auch ganz grundsätzlich die Frage in den Raum, ob man eine Satzung benötigt. Und genau dieses wurde dann auch diskutiert. In einer Zwischenabstimmung waren 16 gegen eine Satzung und fünf unentschlossen.

Beate Behrens und der Moderator des Abends versuchten zwar immer wieder die Einzelhändler zu beschwichtigen und sie verwies auf ihre Erfahrung – jedoch erfolglos, der Druck im Kessel stieg und entlud sich weiter.

Jürgen Müllers Zorn ergoss sich als nächstes über die Stadt. Er sieht in dem roten Stuhl von XXL-Lutz eine Diskriminierung der innerstädtischen Einzelhändler und forderte eine Einzelhandelssatzung, die für alle gelte, auch für Geschäfte in den Außenbezirken. Er bezeichnete roten Stuhl als etwas, das „die ganze Landschaft kaputt macht“. „Da dürfen wir eigentlich gar nicht mehr diskutieren, sondern müssten alle gehen.“ Wenig später holte er noch einmal aus. „Die jetzige Innenstadt ist das Ergebnis der vergangenen Jahre. Die Innenstadt ist ausgehungert.“ Die Folge davon sind leer stehende Geschäfte und fehlende Einnahmen, um in die Häuser zu investieren. Das Problem sei die Frequenz in der Stadt. „Wir dürfen sie nicht tot machen“ und er zeigte sich überzeugt, dass die Satzung nicht dazu beitragen werde, dass die Stadt schöner werde. Es gäbe manche, „die sehr gepiesackt werden von der Stadt“, formulierte Müller weiter. Nicht nur er, auch andere an den Tischen sprachen von Willkür in der Genehmigung der Werbetafeln für die Geschäfte.

Alexander Baum schlug noch in eine weitere Kerbe: Die Stadt schaffe es nicht, eine Stunde freies Parken anzubieten, und den Gastronomen habe man die Gebühr für die Außenbewirtung um 120 Prozent erhöht, so dass manche überlegen, ob sie überhaupt noch eine Außenbewirtung anbieten würden, und den Großen von außen würde man Tür und Tor öffnen – sprach es, stand auf und verließ wütend die Veranstaltung vorzeitig.

Kurzzeitig wurde auch über Inhalte der neuen Satzung diskutiert. So sieht sie beispielsweise vor, dass Werbetafeln nur noch im Erdgeschoss angebracht werden dürften. Es wurde in der Runde die berechtigte Frage gestellt, was Dienstleister in den oberen Stockwerken dann machen könnten – eine Antwort gab es keine.

Nicole Huschauer versuchte etwas, die hitzige Debatte herunter zu kühlen. Sie sprach ein anderes Problemfeld an: Die Präsentation von leer stehenden Einzelhandelsflächen. Hier würden alte Plakate hängen gelassen und „alter Kruscht“ bliebe drin stehen. Was sie als unvorteilhaft ansieht. Sie habe in Einzelfällen Kontakt aufgenommen, jedoch mit wenig Erfolg. Grundsätzlich formulierte sie, dass die Einzelhändler „nicht noch mehr Prügel zwischen die Beine bekommen wollen“. Man einigte sich schlussendlich darauf, einen Antrag zu stellen, auf eine Werbesatzung für Schwenningen zu verzichten und in fünf Jahren nochmals zu prüfen, was dies bewirkte.

„Schlag ins Gesicht“

Annette Müller (Hugo Müller GmbH) äußerte einen weiteren Kritikpunkt und sprach damit vielen Anwesenden wohl aus dem Herzen. Es sei eine „Unverschämtheit, was die Stadt mit der Demokratie macht“, sagte sie im Bezug auf den Muslenbrunnen und nannte die Entscheidung des Gemeinderats dazu einen „Schlag ins Gesicht“. Bekanntlich wollten die Bürger in den Workshops den Brunnen weg haben, alles wurde in diese Richtung geplant und vergangene Woche entschied der Gemeinderat, dass der Brunnen doch bleibt – aus Kostengründen. Es stellte sich aber auch die Frage, was die Umplanung jetzt kostet.