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Kuschelkurs

NPD auf Kuschelkurs mit AfD im Schwarzwald-Baar-Kreis

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 5 min

Jürgen Schützinger will „aufrechten Patrioten die Hand reichen“, doch die AfD winkt ab
Veröffentlicht:18.01.2021, 16:46

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Die politischen Aussagen einiger AfD-Politiker gehen ihm schon längst gegen den Strich. Und jetzt auch noch die Annäherungsversuche von Jürgen Schützinger und seiner Rechtsaußen-Partei NPD an all jene, die vom „billigen Meuthen Schmuse- und Anpassungskurs“ genug haben? Doch die Umworbenen wollen offenbar nicht kuscheln.

Seit Jahren schon will der bald 60-jährige Mann aus dem Kreisgebiet diese Annäherungsversuche zwischen Schützingers NPD und dem radikalen Flügel der AfD beobachten. Doch die Statements mancher AfD-Politiker in Bezug auf die Corona-Krise im Allgemeinen und jene mit Bezug auf den zweiten Lockdown ab Spätherbst im Besonderen sowie ein Schreiben von Ende November ließen bei ihm den Kragen platzen und das Gespräch mit der Zeitung suchen. Für ihn steht fest: „Die AfD hat einen enormen Rechtsruck erlebt, der radikale Flügel setzt sich immer mehr durch.“

Früher seien noch einigermaßen „normale“ Leute in der Partei gewesen, urteilt er. „Doch heute haben sich diejenigen mit den radikalen Thesen durchgesetzt.“ Kritik, bekräftigt er, dürfe durchaus sein, wenn es um die Einschränkungen wegen Corona gehe, „doch es geht darum, wie man diese äußert“.

Noch mehr Groll regt sich in ihm, dass alle Zeitungen als „Lügenpresse“ diffamiert werden. Die bürgerliche Mitte würde zunehmend ausgebremst, die Motoren der Partei fischen seiner Ansicht nach in äußerst trüben Gewässern. In seine geharnischte Kritik fließt auch viel Persönliches hinein. So wie die Erinnerungen an seine Großmutter, die Jüdin war, fliehen konnte und mit ihrem Mann bei einer Bauernfamilie unterkam.

Wie trüb das Wasser geworden sein müsse, das versucht er auch an einem weiteren Beispiel zu skizzieren: Eine Mail von Altstadt- und Kreisrat Jürgen Schützinger an die Adresse eines AfD-Politikers aus dem Landkreis Rottweil, die ihm vorliegt. Für den Mann, der wie andere auch im Zuge der Corona-Krise seine Arbeitsstelle verlor, ist dies der beste Beweis für einen „Annäherungsversuch“.

In seinem Schreiben beschäftigt sich der NPD‘ler mit einem Teil der bundesdeutschen AfD-Prominenz: Deren Vorsitzender, so heißt es dort, ticke nicht mehr richtig. Ohne zwingenden Grund habe der neben Tino Chrupalla (noch) Parteivorsitzende und Professor für Volkswirtschaftslehre, Jörg Meuthen (59), seine Bundesparteitagsrede dazu „erbärmlich missbraucht, gegen alles, was konservativ-patriotisch-rechts ist, in einer üblen, in höchstem Maße parteischädigenden ›Brandrede‹ (O-Ton Meuthen), zu Felde zu ziehen“. Nach Bernd Lucke und Frauke Petry sei aktuell offensichtlich Jörg Meuthen – „von welcher Behörde oder Polit-Mafia auch immer“ – beauftragt, der AfD den Todesstoß zu versetzen – diesen aber jedenfalls akkurat vorzubereiten, heißt es weiter.

Doch der alte Polit-Rechte Schützinger, neben der NPD auch in der Deutschen Liga für Volk und Heimat bundes- wie landesweit aktiv, weiß einen Rat und bietet seinen politischen Arm an, oder besser gesagt seine Hand: „Wie es auch immer laufen mag, die seit 1964 bestehende Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) reicht allen aufrechten Patrioten, die noch in der AfD sind, aber von dem billigen Meuthen-Schmuse- und -Anpassungskurs die Nase voll haben, die Hand.“

Wie reagiert jener AfD-Kreisrat aus dem Landkreis Rottweil, an den das Schreiben aus der Doppelstadt ging? An besagte Mail von Anfang Dezember kann sich Horst Niehues zwar nur noch „dunkel erinnern“, er bekomme so „einiges von Jürgen“, in der Regel so alle 14 Tage, berichtet er. Bei einem Stammtisch des Doppelstädters habe er ihn vor ein paar Jahren persönlich kennengelernt. Die Frage, politisch Kuscheln ja oder nein, ist für Niehues gleich beantwortet. „Ich lehne das ab“, nicht nur deshalb, weil der Name der NPD völlig verbrannt sei. Gegen eine Annäherung sei er auch, weil er „dieses rechtsextreme Denken“ nicht mag, das so sehr in nationalsozialistisches Gedankengut hineingehe. Seine eigene politische Position würde er zwar auch als patriotisch und national bezeichnen, aber mit dem Zusatz liberal.

Mit diesem Statement kann sich auch der AfD-Stadtrat aus Villingen-Schwenningen, Olaf Barth, gut identifizieren. Er sieht sich durchaus patriotisch angesiedelt, aber „eben liberal“. Über Schützingers Annäherungsversuche kann Olaf Barth nur lachen. „Das kann ich wirklich nicht ernst nehmen“, wenn das Mäuschen mit dem Löwen gehen wolle.

Doch nicht nur aus diesem Grunde sind die Avancen Barths Ansicht nach vergebene Liebesmüh. Kritische Diskussionen um die AfD-Spitze der Bundespartei gebe es hier im Kreisverband nicht. „Alles, was uns nach rechtsaußen ziehen möchte, das lehnen wir ab“, bekräftigt er. In der Partei setze man auf eine vernünftige nationalliberale Sachpolitik. „Doch fragen Sie mal unseren AfD-Kreisvorsitzenden.“

Auch Martin Rothweiler, der das Schreiben nicht kennt, winkt vehement ab. Die politischen Botschaften der NPD, so Rothweiler, hätten wenig mit denen der AfD zu tun. Und genausowenig mit denen „unserer Wählerschaft“, ergänzt er.

Alle Avancen also für die Katz? Schützinger gibt sich im Telefonat zugeknöpft. Ja, er habe das eine oder andere Telefonat geführt, die eine oder andere Mail geschrieben. Ob die Botschaft auf Resonanz gestoßen sei? Auch darauf eine eher schwammige Antwort: Es werde weitere Gespräche und Einladungen zu Stammtischen geben, falls diese wieder möglich sein sollten. Aber, lässt Schützinger durchblicken, schon bei früheren Terminen sei der ein oder andere AfD’ler aufgetaucht.