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Hörleistung

Nachlassende Hörleistung nicht einfach hinnehmen

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 3 min

HNO-Spezialist Christian Mozet hält Vortrag über das „Wunderwerk Ohr“
Veröffentlicht:30.09.2019, 12:36

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Mit dem üblichen Medizin-Special ist die Eventreihe story VS von Michael Hoyer in die neue Saison gestartet. Christian Mozet, Direktor der Klinik für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) am Schwarzwald-Baar-Klinikum, sprach über das „Wunderwerk Ohr“.

„Sie sollen es nicht nur hören, sondern auch verstehen.“ Diesem Anspruch wurde der Mediziner mit einem anschaulichen und kurzweiligen Vortrag vollumfänglich gerecht. Zum besseren Verständnis trug zudem ein von der Ohrmuschel bis zum Innenhohr begehbares Modell bei, in dem der kleinste menschliche Knochen, der Steigbügel und der härteste, das Felsenbein, außerdem Hammer und Amboss, die Eustachische Röhre und die Schnecke – alle eigentlich nur wenige Millimeter groß – in stattlichen Ausmaßen zu betrachten waren. Christian Mozet veranschaulichte zu Beginn die Hochleistung vom Ohr, einen Schalldruck in einen elektrischen Impuls zu verwandeln und vom Gehirn, diesen zu „verstehen“.

In Deutschland leben rund 80 000 Menschen ohne Gehör, knapp 16 Millionen leiden unter Schwerhörigkeit, drei Millionen unter ständigen Hörgeräuschen. 2018 waren 89 Prozent der unter 20-Jährigen normalhörend, bei den über 60-Jährigen lag der Anteil bei nur noch 15 Prozent. Die Wissenschaft habe nachgewiesen, dass eine nachlassende Hörleistung aber nicht nur vom Alter abhängt, sondern auch auf Lärm- und Umweltbelastungen zurückzuführen sei, so der HNO-Spezialist. Wer ständigem Lärm ausgesetzt sei, weise häufiger Schlafstörungen, Herz- und Durchblutungserkrankungen und ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall auf.

Mozet warnte davor, eine nachlassende Hörleistung auf die leichte Schulter zu nehmen. „Schwerhörige sterben früher und leiden bis zu fünf Mal häufiger an Demenz.“ Er appellierte an alle, die seine sechs Fragen in einem Schnelltest insgeheim allzu häufig mit „Ja“ beantworten mussten, etwas zu unternehmen. Deutliches Anzeichen für Schwerhörigkeit sei auch das Phänomen, dass leise Töne nicht zu hören, laute dennoch als unangenehm empfunden werden.

Er warb für Hörgeräte, die sich seit dem ersten elektrischen 1898 bis heute zu „Hightechwundern“ entwickelt haben. Er empfahl die Anpassung stets vom Arzt und Akustiker in Kooperation vornehmen zu lassen, idealerweise gekoppelt mit einem Hörtraining. Alarmierend: 62,9 Prozent der über 60-Jährigen haben eine Indikation für Schwerhörigkeit, nur 15,3 Prozent gelten als gut versorgt. Viele Hörgeräte landen in Schubladen.

Mit Operationen unter dem Mikroskop lassen sich Hörschäden außerdem beheben, unter anderem durch den Einsatz millimetergroßer Prothesen. Für bestimmte Patienten eignen sich implantierbare Hörsysteme bis hin zum Cochlear-Implantat, das es sogar taub geborenen Menschen ermöglicht, zu hören.

Mozet wies dazu auf Youtube-Filme hin, die das unfassbare Glück von Menschen zeigen, die zum ersten Mal in ihrem Leben hören – „da kommen einem die Tränen“.

Noch unerforscht sind die Ursachen vom Hörsturz. Mozet empfahl, bei plötzlichem Hörverlust nicht in Panik und Hektik zu geraten – häufig kehre das Gehör nach ein bis drei Tagen von allein zurück. Tinnitus sei dagegen „ein Problem“. Begleitende Hörerkrankungen und Krankheiten, vor allem psychischer Natur, die sich aufgrund des Dauertons entwickeln können, müssen immer therapiert werden, gegen das Rauschen oder Pfeifen selbst gebe es aber keine Medikamente, bedauerte er. Hier verspreche ein Verhaltenstraining, das lehrt, mit dem Tinnitus zu leben, den größten Erfolg.