Corona-Pandemie

Lehrer noch immer verzweifelt gesucht

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 4 min

Pädagogen-Mangel im Ländlichen Raum nicht nur an Grundschulen
Veröffentlicht:04.05.2020, 17:47

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Der junge Mann steigt nicht einmal aus. Er hat von der freien Stelle in einer Schule im Ländlichen Raum gehört, ist nach Villingen-Schwenningen gekommen und nach einem kurzen Blick auf das Schulgebäude wieder nach Hause gefahren. Der angehende Pädagoge ist nicht der typische Einzelfall. Fast alle Schulen haben ein Problem: Lehrer, verzweifelt gesucht.

Die Schulen waren zwar aufgrund der Corona-Pandemie lange geschlossen und öffnen jetzt nur schrittweise. Doch ein zentrales Problem holt alle ein. In Schulen im Ländlichen Raum, zu dem auch die Große Kreisstadt Villingen-Schwenningen zählt, grassiert ein Problem. In Grundschulen mangelt es an Lehrkräften, ebenso in sonderpädagogischen Einrichtungen, mittlerweile sind auch mehr und mehr Realschulen betroffen.

Wie schwierig es teilweise geworden ist, einen normalen Schulalltag aufrecht zu erhalten, nicht noch mehr Stunden ausfallen zu lassen und aufgebrachte Eltern beruhigen zu müssen, das ist längst nicht nur in den Rektoratsräumen und bei Gewerkschafts-Verantwortlichen angekommen, sondern auch in den Fluren des zuständigen Ministeriums in Stuttgart . „Ja, wir haben teilweise einen gravierenden Lehrermangel“, heißt es.

Doch die Ursachenforschung ist mitunter so unterschiedlich wie die Gestaltung einer Unterrichtsstunde. Rektor Elmar Dressel von der Südstadtschule in Villingen kennt die Ausfallquoten an den verschiedenen Schultypen, in den Grundschulen etwa ein Prozent, in den Gymnasien rund fünf Prozent. Das Lehrermangel-Problem verfolgt den Rektor schon seit geraumer Zeit. „Es ist ein enormer Kraftakt, angesichts des extremen Lehrermangels, so gut wie keine Stunden ausfallen zu lassen“, sagt er. Ohne die sogenannten „Handschlaglehrer“, erläutert Dressel, ginge das vielerorts nicht. Das sind zum Beispiel pensionierte Lehrer, die dann einspringen, wenn Kollegen ausfallen.

Warum studieren denn viele junge Menschen lieber für Gymnasien als für Grundschulen? Liegt es wirklich am besseren Gehalt und den Aufstiegsmöglichkeiten oder am Renommee? Hier scheiden sich die Geister. „Vielleicht hört es sich ja auch besser an, wenn man erzählt, man sei Studienrat und unterrichte Deutsch und Englisch in der Oberstufe“, meint ein Grundschullehrer.

Tatsache ist, und da sind alle wieder zusammen, dass offensichtlich eine Entwicklung im Land verschlafen wurde, unter der die Regionen und Schultypen ganz unterschiedlich leiden. Ein Sprecher des Kultusministeriums in Stuttgart räumt ein, dass man die große Pensionierungswelle der letzten Jahre nicht richtig eingeschätzt und entsprechend vorgeplant habe. Das Ergebnis: Tausende von unbesetzten Lehrerstellen.

Erschwerend sei dazugekommen, dass die Regelstudienzeit erhöht worden und damit ein ganzer Jahrgang ausgefallen sei. Mittlerweile habe Stuttgart reagiert, so seien die Kapazitäten an den Pädagogischen Hochschulen deutlich hochgefahren und die Studenten-Zahl nahezu verdoppelt worden. Doch diese Maßnahmen greifen erst in ein paar Jahren.

Was tun, damit auch in Villingen-Schwenningen Schulen nicht noch mehr an ihre Grenzen stoßen? Angehende Gymnasiallehrer, so der Ministeriumssprecher, werden angeworben, ein paar Jahre an Grundschulen oder auch Realschulen zu unterrichten, mit der Option, dann wechseln zu können. Ein Weg sei es auch, Lehrer im Pensionsstand wieder einzubinden. Die Resonanz sei „ganz gut“: Vor alle Aktivitäten schiebt sich jedoch eine unsichtbare Barriere. Alle wollen nach Freiburg, an den Bodensee oder nach Karlsruhe. Der Ländliche Raum dagegen habe da ein Problem.

„Die jungen Kollegen nehmen lieber in Freiburg eine befristete Stelle an als bei uns eine unbefristete“, sagt ein Lehrer aus Villingen-Schwenningen. Oder noch drastischer ausgedrückt: „Wenn die mal hier sind, wollen sie auch schnell wieder weg.“ Weg und hinein ins urbane Leben. Man werbe zwar für den Ländlichen Raum, seine Vorzüge, seinen Naherholungswert, die geringeren Lebenshaltungskosten, „aber zwingen kann man halt niemanden“, heißt es dazu aus Stuttgart.

Fakt ist: Der Markt ist leergefegt. Bleibt die Frage: Wie binde ich junge Lehrer vor allem an Grund- oder Realschulen abseits der urbanen Magnete? Über Zuschläge vielleicht, oder besonders günstige Grundstücke, schlägt ein langjähriger Kenner der Schullandschaft vor. „Wir müssen uns aktiv um junge Lehrer bemühen, ihnen die Vorzüge der Region nahe bringen.“

Markus Schütz, Kreisvorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW, wird noch etwas deutlicher, wenn es vor allem um Grundschulen geht: „Diese Kollegen haben die höchsten Deputate und verdienen am wenigsten.“ Auch Schütz hält Anreize wie etwa Zulagen oder Vergünstigungen für notwendig, um die Vakanzen in der Provinz zu füllen. „Wir müssen den jungen Leuten Optionen eröffnen.“ Gibt es sonstige Ideen, wie man Referendare dazu bringt, sich wenigsten Stadt und Schule anzuschauen und nicht gleich wieder abzufahren? „Wenn ich das wüsste, dann könnte ich vermutlich viel Geld verdienen.“