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Traditionsgaststätte

Lange thront der Hölzlekönig nicht mehr

Villingen-Schwenningen / Lesedauer: 5 min

Kein Denkmalschutz – Wilfried Steinhart und Wigand Stählin kämpfen trotzdem für Erhalt
Veröffentlicht:11.12.2017, 08:04

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Was wird aus dem Hölzlekönig? Dass die Traditionsgaststätte zwischen Villingen und Schwenningen nicht im bisherigen Stil beibehalten wird, ist mittlerweile klar. Ein Abriss ist daher naheliegend. Und dagegen wehrt sich nicht nur der Villinger Wilfried Steinhart.

Geschichtsträchtig ist die Gaststätte Hölzlekönig aus mehreren Gründen: Hat sie einst die Grenze zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden markiert, steht sie heute noch an der Grenze zwischen beiden Stadtbezirken. Der Schwenninger mag die Zugehörigkeit des Gasthauses zum Neckarstadtteil derweil für sich proklamieren, verbindet er doch den Namen in erster Linie mit der Einzelfigur der Schwenninger Narrenzunft.

Dass die Ursprünge des 111 Jahre alten Gebäudes aber noch weiter auf die einst höchste Tanne Deutschlands, den Hölzlekönig, sowie auf die gleichnamige Kunstsage des Schwenningers G. Herrigel zurückführen, wird in der unlängst erschienenen Broschüre des Dauchingers Wigand Stählin offensichtlich. „Das Gasthaus zum Hölzlekönig in VS – Plädoyer für seinen Erhalt“: Anhand eines historischen Abrisses macht dieser in Zusammenarbeit mit dem Villinger Kunstfreund Wilfried Steinhart die Bedeutung des Gebäudes für VS deutlich. Steinhart setzt sich nicht das erste Mal für den Erhalt wichtiger Kunstwerke in der Doppelstadt ein. Ganz aktuell konnte auf seine Initiative hin das Mosaik des Künstlers Berthold Müller-Oerlinghausen aus dem ehemaligen Schwenninger Klinikum gerettet werden. Seit Sommer vergangenen Jahres steht es unter Denkmalschutz. Und wie sieht es mit dem Hölzlekönig aus? Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Gaststätte im Zuge der Neugestaltung des Klinikareals nicht wie bisher fortgeführt werden soll. „Wir müssen schauen, dass das Gelände um das Holiday Inn sich adäquat entwickelt“, sagt Projektentwickler Günter Tarlatt von der Rebholz Immobiliengruppe, der das Gebäude mittlerweile gehört. Fakt sei, dass der Pächter noch einen Vertrag bis Ende 2019 hat und dieser auch solange bestehe, „damit der Mann wirtschaften kann“. Fakt sei auch, dass es sich nicht lohnen wird, das Gebäude weiterhin bestehen zu lassen. Innerhalb von 100 Jahren sei es rund zwölf Mal umgebaut worden und habe keinen schützenswerten Kern. Zusammen mit der Grundstücksgesellschaft und dem Pächter des Holiday Inn werde nach einer gastronomischen Lösung gesucht. „Die Überlegungen sind aber noch nicht abgeschlossen“, sagt Tarlatt. Die Prämisse liege derzeit erstmal darauf, das Hotel in Betrieb zu bringen. Anfang des Jahres hatte das Landesamt für Denkmalschutz in Freiburg in Kooperation mit der Unteren Denkmalschutzbehörde mitunter auf Initiative von Wilfried Steinhart hin die Gaststätte auf Denkmalschutz geprüft. Es wurde festgestellt, dass das Gebäude in so großen Teilen umgebaut worden ist, dass mögliche Eigenschaften nicht mehr erkennbar sind, teilt die Behörde mit.

Ein Grund mehr für Steinhart und Wigand Stählin, sich für den Erhalt stark zu machen. „Unsere Absicht ist es, einer möglichst großen Öffentlichkeit bewusst zu machen, welchen Verlust die Bürger der Doppelstadt durch den Abriss des Hauses erleiden“, meinen sie.

Gasthaus steht für Vereinigung

Dabei gehe es nicht um die Backsteine des Hauses, die unter Gesichtspunkten des Denkmalschutzes nicht zwingend erhaltenswürdig sind. Es gehe vielmehr um ein mehr als 100 Jahre altes Haus im Stil der Schwarzwaldarchitektur, „das durch sein Erscheinungsbild die es umgebenden seelenlosen Zweckbauten in keiner Weise ästhetisch stört, sondern im Gegenteil aufwertet und von ihnen ablenkt“, heißt es in der Schrift. Das Gasthaus stehe auch für die Vereinigung der Städte zur Doppelstadt durch die Zeremonie an diesem Ort im Jahr 1972 und gehöre sowohl zur Heimatgeschichte als auch zur Erinnerungskultur von VS.

Die facettenreiche Geschichte des Hölzlekönigs

Das Gebäude des Gasthauses zum Hölzlekönig ist im Jahr 1906 vom Schwenninger Gastwirt Johannes Müller errichtet worden. Ihm schwebte ein Ausflugslokal mit angeschlossener Landwirtschaft vor. Das Gebiet an der Ausfallstraße von Schwenningen nach Villingen war durch seine Lage inmitten der Natur wie geschaffen dafür. Da ihm die Schwenninger Gemeindeverwaltung die Baugenehmigung versagte, verwirklichte er sein Ziel ein paar Meter weiter hinter der Landesgrenze auf Villinger Gebiet. Noch heute markieren die Grenzsteine die ehemalige Landesgrenze zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden. Mitunter verdankt das Gasthaus seinen Namen den Weißtannen im Hölzle an der Villinger Straße, die wegen ihrer Größe Hölzlekönig und Hölzlekönigin genannt wurden. Die Gäste kamen zum großen Teil aus Schwenningen zu ihren Stammtischen, auch warme Speisen wurden zubereitet, unter anderem aus der eigenen Viehhaltung für beliebte Schlachtfeste im Herbst. Über viele Jahrzehnte hinweg florierte die Gastwirtschaft. Bis ins Alter von 80 Jahren betrieb Johannes Müller zusammen mit seiner Ehefrau Christine sie selbst. Nachdem es zunächst Sohn und Schwiegertochter weitergeführt hatten, wurde es in den Sechzigerjahren an Dritte verpachtet. Immer wieder wurden Umbauten gemacht, Zwischenwände herausgerissen und Mobilar entfernt. Die solide Stammkundschaft wurde vergrault, stattdessen lockten schillernde Pächter mit Striptease, Table-Dance und Go-Go-Shows. Damit setzte ein nicht übersehbarer Niedergang ein. Nach einem Wasserschaden im Jahr 1998 musste das Haus aufwendig renoviert werden. 2014 wurde es an die Rebholz-Gruppe verkauft.