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Hochbegabung

„Viele wissen nicht, was Hochbegabung ist“

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

Schrotenschul-Rektorin Ute Scharre-Grüninger über die Aufnahme in Förderprogramm
Veröffentlicht:25.02.2018, 11:57

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Unter dem Motto „Leistung macht Schule“ hat die Bund-Länder-Initiative zur Förderung leistungsstarker Schüler begonnen. Mit dabei ist auch die Tuttlinger Schrotenschule im „Cluster Rottweil“. Ziel der bundesweiten Initiative ist es, passgenaue Förderkonzepte für leistungsstarke und potenziell besonders leistungsfähige Schüler zu entwickeln. Unsere Mitarbeiterin Valerie Gerards sprach mit Ute Scharre-Grüninger, Rektorin der Schrotenschule.

Frau Scharre-Grüninger, wird die Schrotenschule mit der neuen Initiative eine Grundschule für hochbegabte Schüler?

Bei der Initiative geht es nicht darum, ein hochbegabtes Kind auf eine spezielle Schule zu schicken, sondern bei uns nachzufragen, wie man das Kind unterstützen kann. Die Initiative ist so gedacht, dass wir in den nächsten fünf Jahren Konzepte entwickeln, hochbegabte und besonders leistungsfähige Kinder zusammen mit anderen zu fördern – aber nicht nur wir allein, sondern zusammen mit den anderen Schulen im Cluster. Es gibt bisher noch kein Konzept für Kinder, die weiter sind als andere, man ist ihnen bis heute nicht gerecht geworden. In den Klassen eins bis vier war eine spezielle Förderung nicht vorgesehen, das gab es bisher nur im Gymnasialbereich.

Was wollen Sie mit dem Konzept erreichen?

Qualitätsverbesserung! Es geht bei der Initiative darum, dass das Kind ganz normal die Grundschule besucht und trotzdem speziell gefördert wird. Es geht darum, Instrumente zu finden, um diesem Kind gerecht zu werden. Wichtig ist, dass die Kinder sich in der Schule nicht langweilen. Diese Konzepte sollen später auf jede Schule übertragbar sein.

Erkennen Lehrer überhaupt die Kinder, die eine Hochbegabung haben?

Genau dort müssen wir ansetzen. Viele wissen gar nicht, was Hochbegabung ist. Das erkennen oft weder die Lehrer noch die Eltern, Erzieher oder Ärzte. Man weiß zu wenig darüber. 60 Prozent der hochbegabten Kinder finden wir nicht, entweder weil es in der Schule nicht zum Tragen kommt, oder weil die Kinder nicht anders als andere sein wollen und ihre Begabung verstecken. Im Sommer werden wir zu diesem Thema einen Vortrag für interessierte Eltern und Lehrer halten.

In welchem Alter kann man eine Hochbegabung eigentlich feststellen?

Ich habe 2017 einen Informationsvortrag vor Erzieherinnen und Einschulungsteams in Tuttlingen gehalten, damit sie eine Hochbegabung erkennen können. Fachleute können das bereits ab einem Alter von 2,6 Jahren. Die Erzieherinnen sprechen die Eltern im Kindergarten an, und die Eltern kommen dann zu mir.

Was können Eltern in so einem Fall tun?

Hochbegabte haben andere Bedürfnisse, und die müssen befriedigt werden. Die Kinder können zum Beispiel ein Instrument lernen, oder mit Bausystemen jenseits von Lego spielen; man kann ihnen im Kindergarten und zu Hause anspruchsvollere Angebote machen. Es geht darum, dass das immer hungrige Gehirn zufrieden ist. Da können auch die Erzieherinnen raten, sie sind durch den Vortrag sensibilisiert.

Wie äußert sich eine Hochbegabung bei älteren Kindern?

Die Lehrer und Eltern sind oft völlig verzweifelt, weil sie die Kinder nicht erreichen – die Kinder schreiben aber trotzdem oft gute Noten. Wenn solche Schulschwierigkeiten auftreten, kommt das über die Schulen in der Beratung an. Wir fragen dann nach der Aufnahmefähigkeit, dem Schlafen, und vielen anderen Dingen. Jedes Kind ist da völlig anders.

Ab welchem Schuljahr sollte die Begabtenförderung beginnen? Und was macht ein Kind in der ersten und zweiten Klasse, das schon lesen kann?

Bereits bei Schuleintritt sind nicht alle Kinder gleich: Man muss sofort differenzieren, egal, ob ein Kind spezielle Förderung braucht oder hochbegabt ist. Die Lehrer werden dafür sensibilisiert und benötigen Unterrichtsmaterialien, die gerade entwickelt werden. Das Schulgesetz sieht vor, entweder eine Klasse zu überspringen oder in abgesprochenen Unterrichtsstunden am Unterricht der höheren Klassen teilzunehmen.

Wie ist das Land bei dieser Initiative auf die Schrotenschule gekommen?

Wir haben uns darum beworben. Ich selbst arbeite seit vier Jahren im Hochbegabungsbereich im staatlichen Schulamt Konstanz und habe für die Hector-Stiftung Materialien entwickelt. Dieses Thema ist mir wichtig. Wenn Eltern sich informieren wollen oder Rat benötigen, sind sie immer willkommen.