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Literaturzeitschrift

Tuttlingen hat wieder eine Literaturzeitschrift

Tuttlingen / Lesedauer: 2 min

Neuauflage am Freitag gefeiert
Veröffentlicht:11.08.2020, 08:59

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Tuttlingen hat (wieder) eine Zeitschrift für Kunst und Literatur. „Das Netz“ versammelt circa 50 Beiträge von Künstlern und hat am vergangenen Freitag im Bierkasten Kischte seine Veröffentlichung stilecht mit einer Outdoor-Ausstellung und Lesung gefeiert.

Die Kischte war zu diesem Anlass rappelvoll. Durch das vom Kukav-Verein ausgearbeitete Hygiene-Konzept fanden genau 99 Kulturhungrige den Weg zur vom Land Baden-Württemberg geförderten Veranstaltung. Mehr ging nicht: Tatsächlich mussten mehrere Dutzend Interessierte abgewiesen werden – Kulturarbeit in Zeiten der Corona-Krise.

Diejenigen, die sich einen der begehrten Plätze sichern konnten, erlebten einen spannungsgeladenen Literaturabend. Eingeleitet von Original-Aufnahmen aus den Jazzkellern des Tuttlinger Club D'Or (in dessen Umfeld einst auch „Das Netz“ Anfang der 1960er-Jahre das Licht der Welt erblickte), enterten sieben Autoren die detailverliebt gestaltete Bühne. Der Freiburger Moderator Fabian Bürkin, Gründer der Lesebühne BarJederVernünft, führte durch den Abend und fühlte den Autoren nach ihren Lesungen konsequent auf den Zahn. Seine Fragen nach Inspiration und Arbeitsweisen (vor allem in Zeiten der Corona-Krise) verordneten und erdeten die so unterschiedlichen Textsorten für das Publikum, das teilweise beängstigend konzentriert den Texten folgte.

„So ein aufmerksames Publikum habe ich glaube ich noch nie erlebt“, resümierte auch Bürkin, der später auch drei Gedichte zum Besten gab. Auch eines von Claus Bohn aus einer der ersten Ausgaben von „Das Netz”. Als erster Autor enterte aber Christof Heppeler die Bühne, er zeichnete die Geschichte der wiederbelebten Zeitschrift in teils realen, teils fiktiven Miniaturen nach, die sich zusehends in Verweissystemen auflösten.

Ihm folgte der Allgäuer Nathan Os, dessen Text Heppelers Steilvorlagen präzise verwandelte und eine durchdigitalisierte Variante des Netz-Begriffes andachte. Im Kontrast dazu las die Lokalmatadorin Christine Leutkart ihren fast zärtlichen Prosa-Alltags-Text „Schichtwechsel“, bevor nach der Pause die in Nendingen verwurzelte Alisa Lang bei ihrem Bühnen- und Textdebüt eine gehörige Ladung emotionale Spannung erzeugte. Zum Abschluss präsentierte die Konstanzerin Barbara Marie Hofmann ihren blutigen Zyklus „Lassen Sie uns über das Sterben sprechen“, der durch Hofmanns herausragende Vortragsweise für offene Münder sorgte, ehe Jeremias Heppeler mit „Mallorca“ eine besonders merkwürdige Corona-Episode in die von auf Bauplanen gedruckten Werken aus „Das Netz“ zu Galerie transformierten Kischte zeichnete.

Das Dreigespann aus Kukav, Kischte und „Das Netz“ wird im Verlauf des Sommers noch weitere Literatur-Veranstaltungen mit Autoren aus der Ausgabe anbieten, war zu hören. Der Auftakt jedenfalls ist als voller Erfolg zu verbuchen.