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Kammerorchester

Star-Cellist Alban Gerhardt spielt betörend und kraftvoll

Tuttlingen / Lesedauer: 2 min

Zehetmair führt Stuttgarter Kammerorchester zu kongenialem Auftritt
Veröffentlicht:16.02.2020, 14:31

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Das Konzert mit Cellist Alban Gerhardt und dem Stuttgarter Kammerorchester unter dessen neuem Chefdirigenten Thomas Zehetmair war nicht nur einer der Höhepunkte im Stadthallen-Programm. Es hatte Weltklasse-Niveau.

Zu Lebzeiten fand Robert Schumann keinen Interpreten für sein Cellokonzert: es schien zu unkonventionell mit den drei ohne Pausen durchkomponierten Sätzen, mit einem Orchester als Partner, nicht nur als Begleitung - und dann war da noch dieser richtig wilde dritte Satz, der heute oft als Vorbote für die spätere geistige Verwirrtheit des Komponisten gedeutet wird. Erst vier Jahre nach Schumanns Tod ur-aufgeführt, gehört sein Werk heute zum Standard-Repertoire der Konzert-Cellisten. Alban Gerhardt zählt zu den international renommiertesten unter ihnen.

Schon im ersten Satz entfaltete Gerhardt das ganze Spektrum der Klangfarben seines 1710 in Venedig von Matteo Gofriller gebauten Cello-Juwels: Einen schlanken und gleichzeitig warmen Ton. Dramatische Tiefen. Glasklare Höhen. Kantilenen wie aus Samt ohne jeden Anflug von Süßlichkeit. Dann der zweite, langsame, Satz mit seinen betörenden Melodiebögen – ergänzt von einem zweiten, wunderbaren, Solo-Cello aus dem Orchester. Bis schließlich beinahe unvermittelt der dritte Satz hereinbricht: mit rasanten Läufen, Sprüngen und einem innigen Dialog mit dem Orchester.

In seiner Zugabe, einem „Moderato“ aus Rostropowitschs „Encores“, trumpfte Gerhardt nochmals mit geballter virtuoser Technik auf. Souverän hatte er auch die kleinste Klangnuance unter Kontrolle, während er sein Cello scheinbar mühelos in musikalisch-heiterem Ton singen ließ.

Dass sich Gerhardt unauffällig nach der Pause am hintersten Pult bei den Orchester-Celli einreihte, spricht Bände über die Qualität und die ansteckende Spielfreude des Stuttgarter Kammerorchesters.

Eine kühne Wahl war der Konzertauftakt mit Ernst Kreneks „Symphonic Elegy“: Trauermusik aus dem Jahr 1946 zu Anton Weberns Tod in reiner Zwölftonmusik. Doch Zehetmair führte dieses hochkarätige, agile Ensemble wie ein Zauberer zu jenen musikalischen Höchstleistungen, die jede Form von Musik vermittelbar machen. Helle Begeisterung lösten die Musiker dann endgültig mit Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ aus – in einer Orchesterfassung, die durch höchste Präzision der Schärfe des ursprünglichen Streichquartetts in nichts nachstand.

Zehetmair ließ den ganzen Abend nur wenige Passagen unkommentiert. Unermüdlich, unerbittlich, unmissverständlich forderte er auf, forderte er ein, mit großen, oft eckigen Bewegungen, ohne Partitur nur mit den Händen in fast schon bedrohlicher Nähe zu den Musikern dirigierend. Im zweiten Schubert-Satz führte er sie dynamisch an die Grenze des akustisch gerade noch Mach- und Hörbaren. Um sodann wieder in Bewegung zu explodieren – während die Musiker es ihm im Klang gleichtaten.

Das sonst eher zurückhaltende Tuttlinger Publikum geizte am Ende nicht mit „Bravo“-Rufen – als kleine Entschädigung dafür, dass viele Plätze an diesem mitreißenden Abend leer geblieben waren.