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Weimarstraße

So kommt der Strom vom Kraftwerk bis zur Steckdose

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

In Tuttlingen betreiben die Stadtwerke ein 534 Kilometer langes Stromnetz – Elf Prozent des Stroms kommt aus Energieanlagen vor Ort
Veröffentlicht:27.04.2016, 10:48

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Im Keller des Umspannwerks in der Weimarstraße riecht es nach Putzmitteln, ergänzt vom Aroma frisch gestrichener Wände. Ein wenig nimmt man den Geruch von Gummi wahr: Zahlreiche dicke Kabel verlaufen entlang der Wände und des Bodens. Ein Hauch von Rauch? Könnte Einbildung sein.

Das Großreinemachen nach dem Brand am ersten Weihnachtsfeiertag ist fast abgeschlossen. Ein denkwürdiger Tag für die Stadtwerke: An einem Kabel entstand durch Reibung ein Brand, ein mehrstündiger Stromausfall war die Folge.

Fast alle Mitarbeiter von Patrick Müller , Bereichsleiter für Energie bei den Stadtwerken, hat der Vorfall beschäftigt, auch Wochen und Monate danach noch. Jetzt läuft die Stromversorgung in der Stadt seit vier Monaten wieder nach Plan – nur wie funktioniert das eigentlich?

Am Anfang ist das Kraftwerk

Um den Kreislauf des Stroms zu verstehen, muss man eigentlich irgendwo anders als in Tuttlingen anfangen. Am Wasserkraftwerk Rheinfelden zum Beispiel, oder am Atomkraftwerk Neckarwestheim. Aber auch an der Biogasanlage Talheim – oder doch in Tuttlingen: beim Nachbarn, der eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach hat.

Überall dort wird Strom produziert, seien es ein paar hundert Kilowattstunden oder mehrere tausend Gigawattstunden im Jahr. Diesen Strom kaufen die Stadtwerke ein, und zwar seit einem Jahr hauptsächlich Ökostrom , meist aus Wasserkraft. Immerhin elf Prozent kommen aus Energieanlagen vor Ort, also Fotovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken oder auch Klärgas.

Durch die Netze der Stadtwerke fließt aber auch Energie aus Atomkraft oder Kohle – im sogenannten Strommix steckt alles drin. Während die Stadtwerke Privatkunden 100 Prozent Wasserkraft garantieren, bekommen Großkunden aufgrund der günstigeren Einkaufspreise einen größeren Anteil an fossiler Energie.

Von Höchst- auf Hochspannung

Zurück zum Strom: Über unterirdische Leitungen oder riesige Masten kommt der Strom nach einigen hundert oder tausend Kilometern im Tuttlinger Netz an – und muss dann erstmal an Spannung verlieren. In Umspannstationen wird die Höchstspannung (220 oder 380 Kilovolt) heruntergebrochen, zunächst auf 110 Kilovolt, sogenannte Hochspannung. Erst dann landet sie in den beiden Tuttlinger Umspannwerken an der Weimarstraße und an der Eltastraße.

Dort wird der Strom auf Mittelspannung, 20 Kilovolt, gebracht. Was es dazu braucht, ist ein Transformator, oder kurz: Trafo. In der Weimarstraße versteckt er sich in einem mehrere Meter hohen Ungetüm aus Metall. „An den Kabeln lässt sich erkennen, was passiert“, erklärt Bereichsleiter Müller vor Ort: Die großen Kabel transportieren den Strom in den Trafo, innen sorgen – einfach erklärt – zwei Magnetspulen dafür, dass sich die Spannung verringert. Auf der anderen Seite leiten entsprechend kleinere Kabel den Strom weiter.

Von dort landet er zunächst im Keller des Gebäudes an der Weimarstraße, der bei den Stadtwerken „Kabelkeller“ heißt. Das ist nicht nur der Ort, wo es vor kurzem gebrannt hat. Es ist auch der Ort, von dem aus der Strom in etwa 60 Prozent des Stadtgebiets verteilt wird. Die restlichen 40 deckt das Werk an der Eltastraße ab.

Von Mittel- zu Niederspannung

Zum Teil werden große Industriebetriebe, die eine eigene Trafo-Station haben, direkt mit der Mittelspannung beliefert. Privathaushalte brauchen den Strom dagegen noch eine Nummer kleiner: Niederspannung, 400 Volt ist gefragt. Auf Zetteln im Kabelkeller stehen deshalb Orte wie „Poststeg“ oder „Groß Bruck“. Dort befinden sich Trafo-Stationen, die, im Stadtgebiet verteilt, die Spannung nochmals verringern. „Wir nennen sie auch Hundehütten“, verrät Müller.

Jede dieser Hundehütten kann er von der Weimarstraße aus bedienen – es genügt, einen Schalthebel im Raum über dem Keller umzulegen. In diesem Verteilerraum finden sich an den Schaltern korrespondierende Beschriftungen: Poststeg, Wöhrdenbrücke und so weiter.

Damit ist der Strom beim Endkunden angekommen – was aber, wenn etwas passiert und der Strom ausfällt? Patrick Müller und seine Kollegen haben dafür die Leitwarte. Die befindet sich ebenfalls im Gebäude an der Weimarstraße und bietet den Stadtwerke-Mitarbeitern einen Überblick über das gesamte Stromnetz der Stadt, manuell auf einem Plan, aber auch elektronisch im Computer. Tuttlingen, Nendingen, Möhringen, Eßlingen und der Gewerbepark take-off in Neuhausen ob Eck gehören dazu.

Wenn Bagger die Leitung kappen

„Die häufigsten Störungen passieren, wenn ein Bagger bei Grabungsarbeiten eine Leitung kappt“, sagt Müller. Aber auch Verkehrsunfälle an Trafo-Stationen haben schon zum Stromausfall geführt. Die Kabel zu reparieren, das dauert. Die Stadtwerke müssen den Strom deshalb umleiten, das geht immer von einer Trafo-Station zur anderen, dazwischen gibt es aber auch Querleitungen, Abkürzungen sozusagen.

Eine neue Leitung lassen die Stadtwerke gerade in der Weimarstraße verlegen, auch eine Konsequenz des Vorfalls von Weihnachten – „damit wir den Strom schneller umleiten können“, sagt Müller. Prinzipiell sei das Netz somit gut ausgebaut. Klar ist aber auch: „Man kann nie alles hundertprozentig sichern.“