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Weiterbildungsverbund

Landkreis will Ärzte in Ausbildung binden

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

Claudia Barenz kümmert sich seit Januar um bessere Betreuung junger Ärzte im Landkreis
Veröffentlicht:05.02.2020, 17:51

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Wie kann der Landkreis Tuttlingen für Hausärzte attraktiver werden? Seit Januar beschäftigt sich Claudia Barenz mit dieser Frage. Sie ist die neue Koordinatorin für die ärztliche Versorgung beim Landratsamt. Die Stelle ist neu und Ergebnis einer Modellstudie, in der der Landkreis untersucht hat, wie er die ärztliche Versorgung im Kreis sicherstellen kann. Vor allem mit Blick auf Hausärzte. Barenz’ Aufgabe: Einen Weiterbildungsverbund gründen, um junge Ärzte an die Region zu binden. Im Interview mit Volontärin Birga Woytowicz erklären sie und Wolfgang Hauser, Stabsstellenleiter Sozialplanung, welche Chancen ein Weiterbildungsverbund mit sich bringt.

Frau Barenz, was läuft bisher schief bei der Weiterbildung junger Ärzte?

Barenz: Junge Ärzte steigen als Assistenzärzte ins Berufsleben ein und machen erst ihre Facharztausbildung. Diese startet normalerweise im klinischen Bereich, findet später aber auch im ambulanten Bereich in verschiedenen Praxen statt. Insgesamt dauert die Weiterbildung fünf Jahre, wenn alles reibungs- und lückenlos funktioniert. Das ist genau der Punkt: Die Ärzte müssen sich bislang hauptsächlich selbst um die Weiterbildungsstellen kümmern. Bei einer ohnehin schon hohen Arbeitsbelastung, ist das viel Aufwand. Und kann zur Belastung werden, wenn sie nicht gleich eine Anschlussweiterbildungsstelle finden und den Kreis Tuttlingen unter Umständen wieder verlassen müssen. Darin liegt die Chance eines Weiterbildungsverbundes mit Klinikum und niedergelassenen Ärzten: Es soll im Rahmen des Weiterbildungsverbundes eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden, die die einzelnen Abschnitte besser koordiniert. Schwerpunkt bei der Gewinnung von Kooperationspartnern für den Weiterbildungsverbund sind zunächst allgemeinmedizinische Praxen. Aber grundsätzlich wird der Verbund attraktiver, je mehr Fachrichtungen vertreten sind. Das sollte mit der Zeit ebenfalls angestrebt werden.

Im Kreis fehlen gut 20 Hausärzte, manche Praxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Da könnte man meinen: Die sind froh, wenn sich junge Ärzte für eine Weiterbildungsstelle bewerben. Warum ist das nicht so?

Barenz: Nicht alle Ärzte haben eine Berechtigung zur Weiterbildung. Im Bereich Allgemeinmedizin sind es etwas mehr als 20 im Kreis. Da ist es wichtig zu schauen, wie die Berechtigungen genutzt werden und wo es Probleme gibt. Manche sagen: Ich bin jetzt über 60. Da hat es keinen Sinn, noch jemanden auszubilden, weil ich bald aufhöre.

Hauser: Genau das ist aber eine Perspektive. Wir sollten gerade auch Praxen für den Weiterbildungsverbund gewinnen, die schon den Übergang planen, um mit potentiellen Nachfolgern ins Gespräch zu kommen. Wenn wir die komplette Weiterbildung im Landkreis organisieren können, bleiben die jungen Ärzte hoffentlich hängen. Grundsätzlich ist die Facharztausbildung für einen angehenden Arzt sehr komplex. Ein ausbildender Arzt muss Praxisfelder bieten, die er vielleicht gar nicht alle abdecken kann. Nicht jeder kann sich das vorstellen und schreckt zurück, weil es erst einmal nach Mehrarbeit klingt. Es gilt, Ängste abzubauen.

Es ist also auch ein Organisationsproblem. Warum ist es für Nachwuchskräfte denn noch unattraktiv, sich im ländlichen Raum niederzulassen?

Barenz: Die Präferenzen und Wünsche haben sich verändert. Die Landarztpraxis ist nicht mehr das attraktive Berufsmodell. Da bin ich rund um die Uhr zuständig, habe viel Verantwortung. Junge Menschen haben inzwischen eher das Bedürfnis nach einem Angestelltenverhältnis und verlässlichen Arbeitszeiten. Es sind übrigens auch viele Frauen im Fach Allgemeinmedizin. Denen ist auch eine familienfreundliche Arbeitszeit, etwa die Möglichkeit in Teilzeit arbeiten zu können, wichtig. Insgesamt gibt es zu wenig Studenten für Allgemeinmedizin. Und unter denen wiederum zu wenige, die es in den ländlichen Raum zieht.

Das heißt aber auch: Direkt an der Wurzel des Problems setzt der Weiterbildungsverbund nicht an.

Hauser: Klar. Als Kreis können wir nicht mehr Studienplätze für Mediziner schaffen. Und die niedergelassenen Ärzte sind selbstständig. Wir können nicht einfach reingrätschen. Uns bleibt eine Service- und Moderationsfunktion. Wir können Rahmenbedingungen stellen, ein attraktiver Landkreis zu sein. Das betrifft auch Themen wie Infrastruktur und Mobilität. Im Bereich der Ärzteversorgung sind wir ein neuer Akteur und müssen unsere Rolle erst finden. Der Sicherstellungsauftrag liegt bei der kassenärztlichen Vereinigung.

Barenz: Die Donau-Docs leisten mit ihren Aktionstagen und Bücherstipendien auch schon eine Menge. Da ist es wichtig, keine Doppelstrukturen aufzubauen. Statt nebeneinander, müssen wir miteinander arbeiten. Für mich gilt es daher erst einmal, alle Strukturen kennenzulernen, viele Gespräche zu führen und gemeinsam Konzept und Ziele für den Weiterbildungsverbund zu entwickeln. Am Ende bringt es nichts, wenn wir ein Papier ausarbeiten. Es muss gelebt werden. Da werde ich viel unterwegs sein und das direkte Gespräch suchen.