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Kirchenasyl

Kirchenasyl vorbei – Zukunft ungewiss

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

FlÌchtlinge in Ausbildung: Handwerkskammer und Betriebe Àrgern sich Ìber unklare FÀlle
Veröffentlicht:23.03.2018, 18:06

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Das Kirchenasyl des jungen Flüchtlings aus Kamerun ist beendet. In der vergangenen Woche schlug das Verwaltungsgericht Freiburg einen Vergleich vor, dem das für die Abschiebung zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe zustimmte. Die Behörde prüft nun, ob der Afrikaner doch eine Ausbildungsduldung bekommt. Aufgrund weiterer unklarer Fälle – allerdings ohne Kirchenasyl – ist auch die Handwerkskammer Konstanz aktiv geworden.

Am Donnerstag kehrte der junge Kameruner erstmals wieder an seinen Ausbildungsplatz bei der Firma Nann in Böttingen zurück, wo er sich seit 2016 in der Ausbildung befindet. Fünf Wochen lang war er unter dem Schutz der evangelischen Kirche Tuttlingen gestanden, die ihm nach seiner Flucht während der Abschiebung Unterschlupf in einem Kirchengebäude gewährte. „Wir sind froh, dass er zurück ist, auch wenn noch nichts entschieden ist“, sagte Arbeitgeber Klaus Nann, der schon im ersten Pressebericht vor zwei Wochen nur in besten Tönen von seinem Schützling gesprochen hatte.

Zum Hintergrund: Im Februar hätte der Afrikaner abgeschoben werden sollen – flüchtete jedoch vor den Polizisten. Der Kirchengemeinderat der Stadtkirche gewährte ihm daraufhin gemeinsam mit Pfarrer Jens Junginger und Dekan Sebastian Berghaus Kirchenasyl. Erreicht werden sollte durch diesen Beschluss, dass Gericht und Behörden den Fall noch einmal genauer anschauten. Denn die sogenannte 3+2-Regelung der Bundesregierung sieht vor, dass Geflüchtete, die bereits eine Berufsausbildung begonnen haben, diese beenden und anschließend noch zwei Berufsjahre absolvieren dürfen.

Streitpunkt sind Formalitäten

Streitpunkt der Gerichtsverhandlung waren Formalitäten: So etwa, ob die Ausbildungsduldung schon beantragt worden war, bevor die Karlsruher Beamten das Abschiebe-Prozedere in Gang setzten. Man einigte sich schließlich, dass dieser Punkt für das weitere Vorgehen keine Rolle mehr spiele, wie Klaus Döll vom Verwaltungsgericht Freiburg auf Nachfrage mitteilte. Das RP Karlsruhe erklärte sich bereit, die Erteilung einer Ausbildungsduldung erneut zu prüfen. „Aufenthaltsbeendende Maßnahmen werden bis zum Abschluss dieser Prüfung ausgesetzt“, sagte dessen Pressesprecher Uwe Herzel.

Fünf Wochen Zerreißprobe

Für den jungen Kameruner waren die vergangenen fünf Wochen zu einer Zerreißprobe geworden. In der ersten Woche seines Kirchenasyls hatte er in einem notdürftig eingerichteten Lager in der Stadtkirche gewohnt, dann war er in ein Gemeindehaus umgezogen. Dieses hatte er für die Dauer seines Kirchenasyls nicht verlassen dürfen.

Auch dort war er nicht zu 100 Prozent sicher – Fälle aus Rheinland-Pfalz und Bayern zeigen, dass Menschen im Kirchenasyl dennoch abgeschoben wurden, da Kirchenasyl kein gesetzlich verankertes Recht ist. „Auch wenn ich jetzt wieder raus kann, habe ich Angst und mache mir Sorgen, wie es weitergeht“, sagte der junge Afrikaner gegenüber unserer Zeitung.

Den Kontakt zum Innenministerium herstellen möchte alsbald die Handwerkskammer Konstanz. Der Vertreter der Handwerksbetriebe aus fünf Landkreisen – darunter auch der Kreis Tuttlingen – wie auch etliche Ausbildungsbetriebe stören sich zunehmend daran, dass sichergewähnte Auszubildende plötzlich Schwierigkeiten mit ihren Ausbildungsduldungen und Papieren bekommen. „Diese Fälle häufen sich“, sagt Handwerkskammer-Präsident Gotthard Reiner.

Über 200 Ausbildungsverhältnisse junger Flüchtlinge zählt er derzeit in seinem Kammerbezirk. „Die meisten von ihnen sind junge, motivierte Menschen, die auch arbeiten wollen“, sagt er. Für ihn keine Frage: „Wenn jemand auffällig geworden ist, dann zügig abschieben.“ Doch für die anderen, motivierten Flüchtlinge müsse als oberstes Gebot gelten: „Man muss sich auf die 3+2-Regelung verlassen können.“ Fest stelle die Handwerkskammer jedoch, dass diese in den Einzelfällen unterschiedlich angewandt werde.

Auch die mangelnde Transparenz der Behörden steht in der Kritik. „Das große Problem ist, überhaupt an die richtige Stelle zu kommen, um eine Aussage zu bekommen“, weiß Reiner aus vielen Gesprächen mit Ausbildern und Firmen. Man könne von einem kleinen Betrieb nicht erwarten, dass er sich mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe auseinandersetze. „Das Ergebnis ist, dass der Betrieb frustriert ist“, sagt Reiner. Die Aussage „einmal Flüchtling und nie wieder“, habe er mittlerweile mehrfach von Unternehmen gehört.

Auch Rainer Hohner, Chef eines Tuttlinger Stukkateurbetriebs, kann dies nachvollziehen. Er beschäftigt einen jungen Mann aus Gambia, den er im Herbst gerne als Auszubildenden übernehmen würde – dessen Status aber noch unklar ist. „Wir telefonieren die ganze Zeit mit Behörden, es ist wahnsinnig zeitintensiv“, erzählt er. Für seinen Betrieb eine Mammutaufgabe: „Wir machen das ja alles nebenher. Wenn uns der Kerl nicht so ans Herz gewachsen wäre, würden wir es einfach lassen.