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Gastspiel begeistert: Nabucco in der Stadthalle Tuttlingen

Tuttlingen / Lesedauer: 3 min

Bei der Nabucco-Inszenierung des Theaters Pforzheim sind auch Tuttlinger Sänger dabei
Veröffentlicht:06.04.2016, 16:53

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Viva, Nabucco, viva! Mit einer eigenwilligen dreistündigen Inszenierung von Giuseppe Verdis alttestamentarischem Epos gastierte das Theater Pforzheim am Dienstag in der vollen Stadthalle.

Von „sehr interessant“ bis „einfach toll“ und „eine kulturelle Bereicherung für Tuttlingen “ reichten die Einschätzungen der Opernbesucher nach dem Ende der Zeitreise in das Jahr 586 vor Christus. Die Oper, vor 174 Jahren an der Mailänder Scala uraufgeführt, spielt im Tempel des Salomon in Jerusalem und im königlichen Palast in Babylon mit seinen hängenden Gärten. Es geht um Liebe und Eifersucht, um Machtstreben, Verrat, List, Egomanie, und religiös motivierte Kriegshandlungen. Überaus aktuell, könnte man sagen.

So hat es wohl auch Thomas Münstermann , seit Herbst Intendant am Theater Pforzheim gesehen. Er teilte sich die Regie der Einstandsinszenierung mit drei ebenfalls neuen Kollegen: Die Bonnerin Caroline Stolz, der Trierer Alexander May und Ballettdirektor Guido Markowitz aus Villach waren für je einen der vier Nabucco-Akte zuständig.

Ein gutes Händchen hatte das Quartett bei der Auswahl der internationalen Solisten: Der 31-jährige russische Bariton Ivan Krutikov glänzte in der Titelrolle, dessen historisches Vorbild, der neubabylonische König Nebukadnezar II von 605 bis 562 v. Chr. geherrscht hatte: Seine Wandlung war famos dargestellt.

Seine Töchter Abigaille (brillant gesungen und gespielt von der russischen Sopranistin Anna-Maria Kalesidis ) und Fenena (bezaubernd und voller Liebreiz die Mezzospranistin Danielle Rohr aus den USA) könnten unterschiedlicher nicht sein. Abigaille, die herausfand, dass sie von einer Sklavin abstammt, wütete, tobte und heulte. Sie demütigte den verwirrten Nabucco durch ein Huckepackreiten der besonderen Art und machte dessen Soldaten zu willfährigen Marionetten, indem sie ihnen lasziv ans Gesäß tatschte und liebevolle Backpfeifen austeilte. Fenena, rechtmäßige Thronerbin, brachte sich in Lebensgefahr, weil sie zum jüdischen Glauben konvertierte.

Eines haben die beiden Rivalinnen gemeinsam: die innige Liebe zu Ismaele. Die Rolle des jüdischen Prinzen und Feldherrn füllte der südkoreanische Tenor Kwonsoo Jeon überzeugend mit Leben. Als religiöse Widersacher standen sich Aleksandar Stefanowski (bulgarischer Basssänger als Zaccaria) und der Ulmer Bass-Bariton Cornelius Burger (als Hohepriester Baals) gegenüber.

Als Zaccarias Schwester Anna gefiel Natasha Young, die in Trossingen Gesang studiert hatte.

Babylonisches Sprachwirrwarr kennzeichnete – bewusst – die Inszenierung: Während die Solisten sich an das original italienische Libretto hielten, sang der Chor meist auf Deutsch, dazwischen auch auf Persisch und Hebräisch.

Einen ganz besonderen Moment erlebten die Opernbesucher, als 50 Sänger aus Tuttlingen und Umgebung in den Saal kamen und „Va‘, pensiero“ anstimmten, den berühmten Gefangenenchor. Sie hatten es mit Kirchenmusikdirektor Helmut Brand und Chordirektorin Salome Tendies aus Pforzheim einstudiert.

Hervorragend agierte das 46-köpfige Orchester der Badischen Philharmonie Pforzheim unter der Leitung von Tobias Leppert.

Geschmackssache war das Bühnenbild: schwarze Wände mit nervös blinkenden blauen LED-Streifen, bewegliche Wände voller Kleidungsstücke, ein überdimensionaler Reifrock als Götzentempel und Gefängnis für Nabucco. Nicht wirklich begeistern konnte die Beleuchtung: „Grünspan“ auf Fenenas kupfernen Haaren, düsteres Lila, kränkliches Blau und Spotlights fernab von den Sängern. Auch die von Ruth Groß konzipierten Kostüme – bis zur in einer Szene gezeigten Unterwäsche – gaben Anlass zu Gesprächen.

Langanhaltender Beifall belohnte den hohen Aufwand des Gastspiels.