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Lokalderby

Die Relegationskünstler aus Seitingen-Oberflacht

Tuttlingen / Lesedauer: 9 min

Zimmern und Bösingen freuen sich über Derbys gegen Rottweil – Denkingen II kann Lukas Dreher nicht ersetzen
Veröffentlicht:25.06.2018, 17:28

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Von der Vorfreude über Lokalderbys in der Fußball-Landesliga, glücklichen Spielern des SV Seitingen-Oberflacht und enttäuschten Kickern des FSV Denkingen sowie das eine Niederlage auch mal wie ein Sieg gefeiert wird, davon lesen Sie heute in der Nachspielzeit.

Der FV 08 Rottweil hat die Rückkehr in die Landesliga geschafft. Nach drei Jahren Abstinenz freuen sich die Schwarz-Gelben wieder auf die Derbys gegen den SV Zimmern und den VfB Bösingen. Diese gab es zwar zuletzt auch in der Bezirksliga , aber lediglich gegen die Zweitvertretungen der beiden Lokalrivalen.

Was zu Beginn der Relegationsrunde kaum einer für möglich gehalten hatte, wurde nun Wirklichkeit. Die junge Rottweiler Mannschaft biss sich regelrecht in diese Relegation rein und zeigte sich in diesen drei Spielen als verschworene Einheit. Im Relegations-Endspiel in Deckenpfronn gegen den GSV Maichingen (Fünftletzter der Landesliga, Staffel 3) wuchs die Rottweiler Mannschaft in Sachen kämpferischer Einstellung über sich hinaus. Auch von verletzungsbedingten Ausfällen ließen sich die Nullachter nicht aus dem Konzept bringen. Gerade in der zweiten Halbzeit gegen Maichingen beeindruckte die Mannschaft von Trainer Uli Fischer, zeigte die reifere Spielanlage und hatte auch die besseren Torchancen zu verzeichnen. Hätte Maichingens Torhüter Timo Hammel in der zweiten Hälfte gegen Mohammed Eid und Marius Otte nicht zweimal prächtig reagiert, dann wäre Rottweil schon in der regulären Spielzeit das entscheidende Tor gelungen.

In der Verlängerung ließen sich die Rottweiler aber nicht von ihrem Weg abbringen, kämpften unverdrossen weiter und bissen sich durch. Auch die rund fünfminütige Unterzahl, nach einer gelbroten Karte gegen den Mahlstetter Marco Lenz in der Verlängerung, überstanden die Schwarz-Gelben schadlos. Und im Elfmeterschießen schlug dann die Stunde von Der Ex-Oberliga-Torhüter des FC 08 Villingen hielt drei Elfer und war somit der Sieggarant für Rottweil. „Das war richtig nervenaufreibend, aber was unsere Mannschaft in den drei Relegationsspielen und speziell nun gegen Maichingen geleistet hat, war phänomenal“, war auch Sportkoordinator Oliver Wanner nach den rund zweieinhalb Stunden von Deckenpfronn noch sichtlich gezeichnet vom Spiel und musste das Geschehene erst einmal sacken lassen.

Nicht nur die Freude bei den Spielern des FV 08 und ihrem zahlreichen Anhang war groß, sondern auch bei Zimmerns Trainer Patrick Fossè und Bösingens Coach Michael Neumann. Beide Trainer weilten am Sonntag beim A-Junioren-Aufstiegsspiel des SVZ gegen den VfL Nagold (1:2) und hofften schon im Vorfeld auf einen Rottweiler Erfolg. „Ein zusätzliches Derby gegen Rottweil in der Landesliga wäre doch eine feine Sache.“ Kurz vor 18 Uhr am Sonntag wurden diese Wünsche Realität.

Zepfenhan ein gutes Omen

Die Fußballer des SV Seitingen-Oberflacht fuhren am Sonntag ja mit einem durchaus guten Gefühl nach Zepfenhan zum entscheidenden Relagationsspiel um den Platz in der Kreisliga A, Staffel 2, gegen den FC RW Reichenbach aus der Kreisliga B 2. Nicht nur, dass die Ansetzung dieses „Schicksalsspiels“ in dem Rottweiler Stadtteil ein gutes Omen bildete, denn vor drei Jahren hatte der SVSO an gleicher Stätte die Partie um seinen Bezirksliga-Verbleib gegen den SV Zimmern II gewonnen. In Sachen Relegation erinnerte sich der Baar-Verein auch gerne ans Jahr 2009 zurück, denn damals machte der SV Seitingen-Oberflacht als damaliger Vizemeister der Kreisliga A 2 mit einem 1:0-Sieg nach Verlängerung in Horgen gegen den Bezirksliga-Vorletzten SV Spaichingen den erstmaligen Aufstieg ins Bezirksoberhaus perfekt. Zur Aufmunterung des aktuellen SVSO-Teams diente ein Transparent mit der Aufschrift „09, 15, eins acht – in Zepfenhan sind wir eine Macht“.

Und die Mannschaft aus Seitingen-Oberflacht knüpfte vor rund 300 Zuschauern auf dem gepflegten Zepfenhaner Rasen gleich an die starken Leistungen der Aufholjagd im Frühjahr an. Spielerisch war man bis zur Pause tonangebend, wenngleich Trainer Selahattin Karatas nachher meinte, „das Spiel war sehr zerfahren; wir haben oft zu kompliziert gespielt und uns deshalb gefährliche Reichenbacher Konter eingefangen“. So stand es beim Seitenwechsel aus SVSO-Sicht nur 1:1; beide Treffer wurden von Freistößen, die in der kampfbetonten Partie keine Seltenheit waren, eingeleitet.

Nach der Pause witterte der kampfstarke FC Reichenbach die Chance, seinem nominell favorisierten Gegner den Kreisliga-A-Platz abzujagen. Die Elf aus Seitingen-Oberflacht benötigte einige Male viel Glück, um sich kein Gegentor einzufangen. Doch der SVSO „war effektiver“, sagte nachher FCR-Trainer Thomas Marquart. Gleich die erste Chance für Seitingen-Oberflacht im zweiten Durchgang bedeutete die wichtige 2:1-Führung. Simon Kienzle traf – verdiente sich insgesamt aber nicht nur deshalb das Sonderlob von Trainer Karatas, zusammen mit den beiden anderen Torschützen Daniel Baumann und Mischa Endres zu den stärksten Akteuren seiner Elf gehört zu haben. „Sonst waren wir in der Gesamtheit als Team stark“, meinte Karatas, der im Vorjahr seine erste Saison als SVSO-Trainer unter denkbar schlechten Voraussetzungen begonnen hatte. „Es war schwer“, erinnert er sich an die schwere Aufgabe, nach dem Bezirksliga-Abstieg und insgesamt zwölf Abgängen eine neue Mannschaft zu formieren. Karatas: „Das Potenzial war da übers ganze Jahr, aber in der Vorrunde haben wir viele Klatschen bekommen. In der Rückrunde haben wir uns dann gesteigert, Glaubens- und Willensstärke gezeigt, nicht aufgegeben. Unser Ziel war immer der Nichtabstieg!“ In die nächste Kreisliga-A-Saison kann der SVSO-Coach nun etwas optimistischer gehen: „Alle Spieler haben schon zugesagt; dazu kommen drei bisherige A-Jugendliche und zwei Neuzugänge vom VfL Nendingen“. Gemeint sind damit Maurizio Colucci und Hegel Derrick Nana Yammou.

Schiri „nicht souverän“

Thomas Marquart muss derweil mit dem FC RW Reichenbach in der Kreisliga B 2 weitermachen. Er haderte am Ende etwas mit Schiedsrichter-Routinier Hartmut Landbeck („nicht souverän“) aus Heselwangen, der dem FCR aus Marquarts Sicht beim Stand von 2:1 einen klaren Elfmeter verweigerte. „Der Fuß des Gegenspielers war in der Szene, als sich unser Spieler Alexander Ruks verletzte, in Kopfhöhe!“ Zudem entbehrte der FCR ab der 39. Minute Abwehrrecke Bastian Mayer, der nach seiner Verletzung schließlich ausgewechselt werden musste. Marquart: „Das brachte uns aus dem Tritt“. Sebastian Mauch sprang als Innenverteidiger ein, fehlte damit allerdings in der Offensive; Martin Marquart stand Reichenbach am Sonntag ohnehin nicht zur Verfügung. Freilich musste auch Gegner SVSO auf zwei Akteure verzichten: Spielertrainer Karatas (Rot-Sperre) und der nach seinem Platzverweis zwei Wochen zuvor ebenfalls in Kolbingen sogar (als „Wiederholungstäter“) für zehn Spiele zum Zuschauen verurteilte Christian Rottler.

Die Zuschauer-Kulisse in Zepfenhan mutete zwar eher überschaubar an – doch wer kam, durfte sich beim selbst der Relegation nur ganz knapp entkommenen Ausrichter FSV gut empfangen wissen. Die Zepfenhaner hatten eigens Parkplatz-Einweiser sowie Balljungen aufgeboten, und dazu einen kompetenten Platzsprecher.

Nach Zittern kommt Happyend

Wie man sich auch nach einer Niederlage freuen kann, das demonstrierten am Sonntagnachmittag auf dem Ettenberg in Mühlheim die Mannschaft und die Zuschauer der Spielgemeinschaft Böhringen/Dietingen. Nach dem Schlusspfiff, der die 0:3-Niederlage der SG gegen den Kreisliga A1-Vizemeister SG Deißlingen/Lauffen besiegelte, herrschte Tristesse auf der Seite von Böhringen/Dietingen. Dann der Ruf eines Handy-Besitzers: „In Deckenpfronn steht’s 1:1. Die gehen in die Verlängerung.“ Ab diesem Zeitpunkt gab es gleich mehrere Verbindungen Mühlheim via Deckenpfronn. Nur wenige nassgeschwitzte SG-Spieler machten sich auf den Weg in die Dusche. Der größte Teil verteilte sich um die Handy-Besitzer. Dann war Verlängerung beendet – immer noch 1:1. Die Fans und deren Pulsschlag aus Böhringen und Dietingen wuchs von Minute zu Minute nach oben. Dann endgültiger Abpfiff in Deckenpfronn. Der FV 08 Rottweil hatte im Elfmeterschießen 3:1 gewonnen. Die ersten wagten einen Freudensprung. Dann mussten die anwesenden Verbandsmitarbeiter Rede und Antwort stehen. Bleibt die SG Böhringen/Dietingen in der Bezirksliga Schwarzwald oder nicht? – Sie bleibt! Denn mit dem Aufstieg des FV 08 Rottweil wurde ein Platz in der Bezirksliga frei, den die SG Böhringen/Dietingen einnimmt.

Während auf der Deißlinger Zuschauerseite auf dem Ettenberg so langsam die roten Rauchschwaden verschwanden, gab es auf der Gegenseite die ersten Freudentänze – die Spielgemeinschaft ist auch im kommenden Jahr Mitglied der Bezirksliga Schwarzwald. Und es dauerte noch einige Zeit, mehr als eine weitere Stunde, bis sich die „Verlierer“ zum Omnibus aufmachten, der die Mannschaft und die Fans, samt ihrer vorher mehrfach aufheulenden Sirenen und Fan-Trommeln, zurück nach Böhringen und Dietingen brachte. Für fast alle aus Böhringen und Dietingen war der Rottweiler Torwart Marijan Huljic der Held des Tages. Er hatte mit seiner bravourösen Leistung beim Elfmeterschießen nicht nur dem FV 08 Rottweil den Aufstieg in die Landesliga Württemberg, Staffel 3, gebracht, sondern auch der Spielgemeinschaft Böhringen/Dietingen den Klassenerhalt für ein weiteres Jahr in der Bezirksliga Schwarzwald.

Konterchancen vergeben

Es hat nicht sollen sein: Die zweite Mannschaft des FSV Denkingen hat den Aufstieg in die Kreisliga B verpasst. Die Denkinger verloren am Sonntag in Zepfenhan das entscheidende Relegationsspiel gegen die FSV Schwenningen II 1:3. „Die Enttäuschung ist groß, auch bei den Jungs – aber es geht weiter“, sagte Trainer Holger Heinz unmittelbar nach dem Spiel. „Wir haben nicht über 90 Minuten an die Leistung der Vorwoche im Relegationsspiel gegen den FK Spaichingen anknüpfen können“, meinte der Coach. Er musste am Sonntag auf den damaligen Kapitän Felix Martin verzichten, der zwei Tore beim 4:1-Sieg gegen den FK Spaichingen beigesteuert hatte. Martin weilte mit dem Musikverein auf einem bereits länger geplanten Ausflug.

Dennoch bot seine Mannschaft besonders in den ersten 45 Minuten eine gute Leistung, führte nicht unverdient 1:0. Seine Spieler wirkten beweglicher als die Schwenninger Akteure, die allerdings, auch mitentscheidend in der Schlussphase, routinierter waren. Heinz: „Die Schlüsselszene war, dass wir Lukas Dreher kurz vor der Halbzeit verletzt auswechseln mussten. Danach hat es nicht mehr so gepasst, hat uns die ordnende Hand im Mittelfeld gefehlt und wir sind nicht mehr richtig ins Spiel gekommen. Außerdem haben wir einige Konterchancen etwas fahrlässig liegen lassen.“

Nicht seinen besten Tag erwischte Jonathan Dom aus Rottweil. Der Unparteiische ahndete in der ersten Hälfte mehrere Fouls auf beiden Seiten nicht und ließ viel zu lange die gelbe Karte stecken. Das zuvor Versäumte meinte er, in der Schlussphase mit einer Kartenflut nachholen zu müssen. So gab es in der 86. Minute noch gelbrote Karten für den Denkinger David Dreher und für den eine Minute zuvor ausgewechselten Osman Colak auf der Schwenninger Ersatzbank. Neben den Ampelkarten verteilte der Unparteiische zwei gelbe Karten gegen Schwenningen und sieben gegen Denkingen. Einer seiner Assistenten musste sich von einem Zuschauer „was bist du für ein blinder Vogel“ anhören.