StartseiteRegionalRegion TuttlingenTuttlingenArmut: Landrat Bär beruft Wohnraumgipfel ein

Wohnraumgipfel

Armut: Landrat Bär beruft Wohnraumgipfel ein

Tuttlingen / Lesedauer: 3 min

Kreisverwaltung will bei Mangel gegensteuern – Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt
Veröffentlicht:23.04.2018, 11:45

Von:
Artikel teilen:

Was ist arm? Was ist reich? Mit dieser Definition hat es sich die Kreisverwaltung nicht leicht gemacht. Auf Wunsch der SPD-Fraktion im Kreistag legte Sozialplaner Wolfgang Hauser einen ersten Armuts- und Reichtumsbericht für den Landkreis Tuttlingen vor. Als Konsequenz daraus wird Landrat Stefan Bär voraussichtlich im Herbst einen Wohnraumgipfel auf Kreisebene einberufen.

Denn steigende Mieten und Wohnungsknappheit würden zu einem immer größeren Problem, „auch bei uns im Landkreis“, so der Landrat in der Ausschusssitzung für Soziales und Gesundheit des Kreistags vergangene Woche. Die Mitarbeiter in verschiedenen Ämtern seiner Behörde seien täglich mit dem Thema Wohnungsnot beschäftigt. Auch dadurch, dass seit 2015 rund 1900 Flüchtlinge und Asylbewerber in den Kreis gekommen seien.

Der Landkreis könne zwar keinen neuen, bezahlbaren Wohnraum schaffen, dennoch will Bär das Thema auf Kreisebene aufgreifen, „statt die bekannten Probleme nur zu beklagen“. Für einen Wohnraumgipfel sollen Fachleute gewonnen sowie Vertreter der drei Wohnungsbaugesellschaften im Kreis eingeladen werden. In die Pflicht nehmen will die Kreisspitze aber auch Land und Bund: „Wir brauchen dringend neue Impulse beim Sozialen Wohnungsbau“, heißt es dazu in der Vorlage für die Kreisräte. Der Leerstand an Wohnungen im Kreis, auch an alten und sanierungsbedürftigen, biete ebenfalls interessante Ansätze.

Stadt Tuttlingen legt vor

Dazu hat die Stadt Tuttlingen bereits „beispielhaft eigene Ideen entwickelt“, so das Lob vom Landratsamt. Zum einen, indem städtische Mitarbeiter zusammen mit Vertretern des Caritas-Diakonie-Zentrums in der Innenstadt versuchen, gezielt Inhaber von leerstehenden Wohnungen und Häusern anzusprechen und sie zum Vermieten zu bringen. Zudem erarbeitet die Tuttlinger Verwaltung derzeit eine Richtlinie, wonach bei der Veräußerung städtischer Grundstücke ab einer Bebauung mit mindestens zehn Wohneinheiten 30 Prozent preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden soll. Ein städtisches Förderprogramm soll aufgelegt werden (wir berichteten).

„Es ist richtig, dass wir an diesem Thema bleiben und es weiter behandeln“, so Kreisrat Bernhard Schnee (CDU) in der Ausschuss-Sitzung, denn gerade Familien mit Kindern hätten Probleme, Wohnraum zu finden. Dieter Müller ( SPD ) fand, dass „wir im Rahmen unserer beschränkten Möglichkeiten das tun, was getan werden muss. Aber wir könnten mehr tun.“

13 000 Menschen unter der Armutsgefährdungsschwelle

Die Tafelläden sieht er als Ohrfeige für ein reiches Deutschland an. Im Blick hatte Müller auch die Bundespolitik und seine Zweifel daran, dass den Parteiprogrammen tatsächlich Taten folgen werden. Er sah darin eine „Demokratiegefährdung“.

Ralf Fährländer (FW) wies auf die 13 100 Menschen im Landkreis hin, die laut des Berichts mit ihrem Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen würden. „Das sind mehr Menschen, als auf dem Heuberg leben.“ Er bat darum, weiter auf das Thema zu schauen. Das war auch ein Vorschlag der Verwaltung. Sie will einen weiteren Bericht zur Armut vorlegen, das die Einschätzung der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände beinhaltet.

Scham angesprochen

Hermann Polzer (OGL) sprach die Scham von Menschen an, Hilfe in Anspruch zu nehmen und die daraus resultierende Dunkelziffer der Armut. Laut Armuts- und Reichtumsbericht würden rund 40 Prozent der Menschen, die eigentlich Sozialleistungsanspruch hätten, diesen nicht wahrnehmen.

Zudem bat Polzer darum, in Zukunft die Dinge beim Namen zu nennen und von „Armutsbericht“ zu reden. Denn darum gehe es in mehr als 95 Prozent des Berichts.