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Ärztemangel

Ärztemangel: Gemeinden müssen zusammenarbeiten

Tuttlingen / Lesedauer: 4 min

Kreis Tuttlingen will einen Weiterbildungsverbund gründen, um Mediziner vor Ort zu halten
Veröffentlicht:21.02.2019, 18:06

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Der hausärztliche Versorgungsgrad im Landkreis Tuttlingen liegt aktuell bei 88 Prozent. Das ist zwar von einer Unterversorgung noch ein Stück weit entfernt (unter 75 Prozent). Aber die Kommunalpolitik will nicht warten, bis dieser Fall eintritt. Daher sprach die Kreisverwaltung in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit am Mittwochnachmittag Handlungsempfehlungen an die Kommunen aus.

Aktuell ist die hausärztliche Versorgungslage in Baden-Württemberg überwiegend ausgeglichen. Doch vor allem im ländlichen Raum kommt es immer öfter zu lokalen Engpässen. Die Gründe dafür sind seit Jahren bekannt: Immer weniger Ärzte wollen sich als Einzelkämpfer mit viel Bürokratie und langen Arbeitszeiten auf dem Land niederlassen. Stattdessen ziehen viele eine Anstellung, gerne auch in Teilzeit, der Selbstständigkeit vor. Nicht zuletzt, weil die Medizin zunehmend weiblich wird. Das bedeutet, dass viele Praxen keinen Nachfolger finden, so wie das Ärztepaar Keller aus Spaichingen, das seine Praxis nun aufgibt (wir berichteten). Das betrifft rund 2300 Patienten, die die Kellers pro Quartal betreuen. „Das ist das größte Problem“, sagte Landrat Stefan Bär .

Kassenärztliche Vereinigung „stößt an ihre Grenzen“

Der Kreis Tuttlingen hat angesichts dieser Thematik eine zweijährige Untersuchung in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg durchführen lassen, mit konkreten Ergebnissen. Zum einen will der Kreis einen Weiterbildungsverbund gründen, um die Klinik und die niedergelassenen Ärzte bei der Ausbildung von Ärzten enger zu verzahnen. Denn laut Bär finden viele Ärzte, die sich im Rahmen ihrer Klinikausbildung bei niedergelassenen Ärzten im Kreis zeitweise ausbilden lassen, durchaus Gefallen an der hausärztlichen Tätigkeit. Diese Ärzte im Kreis zu halten, sei „die vordringliche Aufgabe des Weiterbildungsverbundes“.

Weil auch Kommunen die Ansiedlung neuer Ärzte unterstützen können und sich nicht auf den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung verlassen können, die „an ihre Grenzen stößt“, sollte die Studie „griffige Handlungsempfehlungen“ für Kommunen formulieren. Fakt ist, dass fast die Hälfte aller im Kreis tätigen Ärzte 60 Jahre und älter und die Nachfolgersuche schwierig ist. Das Gutachten geht davon aus, dass die künftige hausärztliche Versorgung vornehmlich durch Zusammenschlüsse und Verbünde erfolgen wird (Versorgungszentren oder Ärztehäuser). Dabei mache es Sinn, so das Gutachten, wenn Kommunen kooperierten und das Gespräch mit Nachbargemeinden suchten. Bei Fragen stehe diesbezüglich Sylvia Broschk von der Kommunalen Gesundheitskonferenz zur Verfügung, so Bär.

Laut Bär sind „Medizinische Versorgungszentren zwar nicht die Alleinseligmachung“, aber eine Möglichkeit. Mit Blick auf mögliche Förderungen (siehe Kasten) sagte Sozialdezernent Bernd Mager: „Am Geld liegt es nicht, sondern schlicht am Ärztemangel.“ Bär ergänzte indes, dass die Chancen von Hausärzten einen Nachfolger zu finden, damit steigen würden, wenn sie eine eigene Weiterbildungsermächtigung hätten und sich sozusagen den Nachwuchs „heranziehen“ könnten. „Diese Ermächtigung kann sich jeder holen.“

Das Förderprogramm „Landärzte“

Das Sozialministerium hat Anfang 2019 das neue Förderprogramm „Landärzte“ aufgelegt. So will das Land die Niederlassung von Ärzten im ländlichen Raum unterstützen. Die Förderung beträgt 25 000 Euro für „akutes Fördergebiet“ und 20 000 Euro für „perspektivisches Fördergebiet“. Akut bedeutet, dass in den Gemeinden ein Versorgungsgrad von unter 75 Prozent besteht, perspektivisch, wenn unter 75 Prozent der ansässigen Ärzte 60 Jahre und jünger sind. Neben Neuansiedlungen sind auch Teilzulassungen, Zweigpraxen, Medizinische Versorgungszentren und Berufsausübungsgemeinschaften förderfähig. Unterstützt werden kann, wenn das Gebiet als „offen“ eingestuft wird, was im Landkreis Tuttlingen seit Jahren der Fall ist. Darüber hinaus dürfen die Gemeinden nicht größer als 20 000 Einwohner sein. Im Landkreis Tuttlingen werden von 35 Kommunen 20 als akut eingestuft, fünf als perspektivisch. Vor dem Hintergrund der geplanten Klinikschließung in Spaichingen stellt sich die Situation im nördlichen Landkreis wie folgt dar. Verwaltungsgemeinschaft Trossingen: Gunningen, Talheim, Durchhausen sind akut; Trossingen perspektivisch.Verwaltungsgemein-

schaft Spaichingen: Balgheim, Hausen ob Verena, Dürbheim, Böttingen, Denkingen, Mahlstetten sind akut; Spaichingen perspektivisch; Frittlingen und Aldingen fallen in keine der beiden Kategorien. Gemeindeverwaltungsverband Heuberg: Deilingen, Königsheim, Egesheim, Reichenbach und Bubsheim sind akut: Wehingen und Gosheim fallen in keine der beiden Kategorien. (ajs)