StartseiteRegionalRegion BiberachLaupheim Spurensuche: Der jüdischen Seelenäher kommen

Spurensuche

Spurensuche: Der jüdischen Seelenäher kommen

Laupheim / Lesedauer: 3 min

Laupheimer Gespräche beleuchtendas Thema „Jüdische Kindheit und Jugend“
Veröffentlicht:27.05.2011, 11:20

Von:
Artikel teilen:

„A jidische neschome ken men nit schazen“, zitierte Bürgermeister Rainer Kapellen in seiner Begrüßung ein jiddisches Sprichwort, das bedeute: „Eine jüdische Seele kann man nicht ergründen.“ Vielleicht aber, so Kapellen, könne man ihr bei den Laupheimer Gesprächen zum Thema „Jüdische Kindheit und Jugend“ ein bisschen näher kommen.

Erfreulich sei dabei das Interesse von zwei Klassen des Laupheimer Carl-Laemmle-Gymnasiums unter den insgesamt rund 100 Besuchern, sagte Vorstandsvorsitzender Günther Wall von der Kreissparkasse Biberach, deren Stiftung die Laupheimer Gespräche unterstützt: „Das ist eine schöne Kombination von Erwachsenen- und Jugendbildung.“

„Heute leben etwa 106 000 Juden in Deutschland, davon sind 15 Prozent unter 21 Jahren“, berichtete Paula Lutum-Lenger vom Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg, dem zweiten Gastgeber der Veranstaltung neben der Stadt Laupheim . Eine Studie aus dem Jahr 2005 habe ergeben, dass diese jüdischen Jugendlichen sich hier nicht zu Hause fühlen, selbst wenn sie in Deutschland geboren seien. Um die jungen Menschen besser zu verstehen, sei es interessant, ihre Gedanken, Gefühle und Lebenswelten sichtbar zu machen.

Man sei als Jude in Deutschland kein individueller Mensch, sondern man werde als Volk oder Religion betrachtet und sehe sich pauschalen Urteilen ausgesetzt, so ein in der Studie zitierter Jugendlicher. „Weil heute kaum jemand etwas über die jüdische Lebenswelten, Kindheits- und Jugendgeschichte weiß, wollen wir uns auch mit der Geschichte jüdischer Kindheit befassen“, erklärte Lutum-Lenger.

In Laupheim geschah dies gestern – unter der Moderation von Dr. Hanno Loewy, dem ehemaligen Gründungsdirektor des Fritz-Bauer-Instituts Frankfurt und heutigen Direktor des Jüdischen Museums Hohenems – auf vielschichtige Weise. So begab sich Professor Dr. Helge-Ulrike Hyams mit Hilfe jüdischer Kinderbücher in Jerusalem auf Spurensuche, Dr. Martin Ruch und Angelika Rieber beleuchteten das Thema anhand autobiografischer Erinnerungen von Juden in Offenburg und Frankfurt, insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus.

Der 1937 als 15-Jähriger in die USA emigrierte Professor Dr. Guy Stern schilderte seine eigene Kindheit in der jüdischen Gemeinde Hildesheim. Professor Dr. Lena Inowlocki von der Fachhochschule Frankfurt führte Interviews mit jüdischen Frauen, die über ihre Kindheit und Jugend in der Nachkriegszeit berichten. Mit der Gegenwart beschäftigte sich Publizistin Gisela Dachs in ihrem Vortrag über das Leben von jüdischen Kindern und Jugendlichen in Israel heute.

Viele Spuren im Museum

Dass man auch im Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden Spuren zur jüdischen Kindheit und Jugend findet, zeigte Museumsleiter Dr. Michael Niemetz bei einer Führung auf. Geburtsscheine, Handwerkszeugnisse, Poesiealben, Schulfibeln und viele Objekte und Dokumente mehr spiegeln den Weg zum Miteinander von christlichem und jüdischem Leben – bis hin zu dessen systematischer Zerstörung durch die Nationalsozialisten wider. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Laupheim mehr als 800 Juden, 1933 waren es noch 230. Wer es nicht schaffte, rechtzeitig zu fliehen, wurde von den Nazis deportiert und umgebracht. 1942 existierte die jüdische Gemeinde in Laupheim nicht mehr.