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Eisenbahnmuseum

Bahn-Experten entwickeln Zukunftsvision

Trossingen / Lesedauer: 3 min

Ulrich Grosse sieht Trossingen als Knotenpunkt in einem unfassenden Verkehrskonzept
Veröffentlicht:07.05.2012, 15:50

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Im Eisenbahnmuseum hinter dem Trossinger Stadtbahnhof sind jüngst beim „Bahnforum“ „Eisenbahnen in der Region: gestern – heute – morgen“ das Thema gewesen. Mit dem Triebwagen T 3 der Trossinger Eisenbahn als Kulisse ging es vor allem um den zukünftigen Bahnverkehr.

Hermann Krafft aus Villingen, der namens des Verkehrsclubs Deutschland, des Landesnaturschutzverbandes und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland das Bahnforum organisiert hatte, sprach eingangs überschwänglich vom „Trossinger Wunder“ und vom „eisenbahnmäßigen Mittelpunkt der Welt“, der vom 1898 auf die Schienen gesetzten Trossinger Bähnle bis zum heutigen Ringzug-Konzept reicht. Auch dem anerkannten Bahnexperten im Südwesten, dem Tübinger Verkehrsberater Ulrich Grosse , diente Trossingen als Dreh- und Angelpunkt sowohl für den Ringzug wie die künftige Rolle der Regionalbahnen, obwohl das Trossinger Bähnle nur mit höchst bescheidenen Fahrgastzahlen aufwarten kann. Entscheidend ist der Bahnmix rund herum.

Für Grosse, den anerkannten Fachmann für getaktete Fahrpläne, wird die Bahnlinie zwischen Rottweil und Villingen , die auch das Bähnle zum Trossinger Stadtbahnhof anbindet, künftig nur noch vom Ringzug bedient, was auch den „Trossinger Knoten“ optimieren soll. Diese Querspange heißt bei Grosse „Allemannenbahn“ und ist auf die Verbindung zwischen der international bedeutenden Nord-Süd-Linie der Gäubahn und der nationalen Querverbindung der Höllentalbahn ausgerichtet.

Doch Grosse hat nicht nur die Bahn im Sinn, sondern ein umfassendes Konzept für den öffentlichen Verkehr mit einem gleichfalls getakteten Buskonzept, das dann beispielsweise auch das künftige Zentralklinikum zwischen Schwenningen und Villingen einbezieht oder den Anschluss Tuttlingens an die Breisgau-S-Bahn. Alles zusammen – Schüler- und Berufsverkehre sowie die nur gelegentlichen Fahrgäste und auch der Güterverkehr – soll in einem sinnvollen „Umweltverbund“ stattfinden.

Historische Rückblicke gingen solchen Zukunftsvisionen, die schon ab 2020 greifen sollen, voraus. Stefan Ade vom Trägerverein des Trossinger Eisenbahnmuseums erzählte von der Geschichte des Trossinger Bähnles und der „Entscheidung für elektrisch Licht“, die bei Kerzenschein erfolgte. Und er warb für „Schmiergeld“ als Spende in eine Ölkanne, um die defekte Lok „Lina“ zu sanieren.

Der Historiker Michael Tocha ordnete die regionalen Dimensionen der Bahnentwicklung ein: Nach dem Postkutschen-Zeitalter galten Eisenbahnen als das Nonplusultra an Modernität und lösten vor allem durch ihre Transportmengen eine Revolution nicht zuletzt bei der Industrialisierung aus. Dampfloks setzten zwar Unmengen von Russpartikeln frei, doch nach der Umwelt fragte damals niemand. Heute gilt die Bahn im Zeichen nachhaltiger Elektrifizierung als das umweltfreundlichste Massenverkehrsmittel. Das unterstrich auch Dr.-Ing. Gunther Ellwanger von der Gesellschaft für Rationale Verkehrspolitik, der die in drei „Weißbüchern“ aufgelisteten Absichtserklärungen der europäischen Verkehrspolitik erhellte – und was davon realisierbar erscheint.

Mit heutiger Infrastruktur ist für Ellwanger eine Verdoppelung des Schienenverkehrs, der die Züge wieder füllt, nicht möglich, weshalb die Vorgaben der Politik, etwa bei der Harmonisierung von Wettbewerbsbedingungen wie der Besteuerung von Verkehrsleistungen, entscheidend sind. Wenn bis zum Jahre 2050 Auto- und Flugbenzinpreise knapp werden und ins Unerschwingliche steigen, wie manche Prognosen voraussagen, müssen Verbrennungsmotoren aus größeren Städten verbannt werden und neben möglichst viel Nah- auch der Fernverkehr ab 300 km auf der Schiene rollen.

Dass auch bahntechnischer Fortschritt wie beim Lärmschutz seinen Preis hat, machte Peter Westenberger vom DB-Umweltzentrum Berlin deutlich. Neben Ulrich Grosse hatte auch Rainer Kaufmann vom Interessenverband Gäubahn die Chancen für eine verbesserte Infrastruktur durch Stuttgart 21 im Auge, wobei es wohl noch eine Menge verfahrensbedingter wie auch technischer Hürden, zum Beispiel bei der Neigetechnik, zu nehmen gilt. Bei den planerischen Hürden des Gäubahnausbaus soll ein „Filder-Dialog“ helfen, der jetzt in Gang kommt.