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Walter Wadehns Marsch in der Institution IG-Metall

Spaichingen / Lesedauer: 5 min

Dem früheren Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Albstadt war das Soziale wichtig
Veröffentlicht:25.04.2018, 18:17

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Wie man auf dem Heuberg ein „Roter“ wird? Walter Wadehn kann davon erzählen. Der bis vor kurzem an vorderster Stelle für den IG Metall-Bezirk kämpfende 66-Jährige ist der klassische Vertreter der 68er-Generation, die die Welt auch im Rahmen ihres Berufs verbessern wollten. Die Bilanz ist gemischt bis sehr positiv.

Humanistisches Weltbild

Auf der Basis eines humanistischen Menschenbildes, des selbstbestimmten, aufrechten, unautoritären demokratischen Menschen ist das Grundprinzip, das Wadehn hinter seine Aktivitäten gelegt hat, so einfach wie logisch: Wenn man gegen eine Macht was durchsetzen will, muss man selber eine sein. Politisch bedeutete das damals: Soziale Veränderungen brauchen eine starke SPD („Ich war ein Willy-Fan“), Veränderungen an den Basis-Institutionen wie Gewerkschaften und die wiederum brauchen viele Mitglieder und eine stabile Kasse, um etwas bewirken zu können. Von diesem Plan hat ziemlich viel geklappt im politischen und beruflichen Leben von Walter Wadehn, wenn auch in einem klar umgrenzten Bereich.

Wadehn war ein „Quereinsteiger“ als Gewerkschaftsfunktionär. Er war kein langgedienter Betriebsrat , sondern wollte eigentlich Lehrer werden. Deshalb studierte er in Tübingen Politikwissenschaft, Anglistik und Spanisch mit Staatsexamen fand aber nach dem Referendariat in Pfullingen und Rottenburg wie viele fertige Lehrer keine Anstellung. Plötzlich arbeitslos zu sein, „das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Plötzlich gehört man nicht mehr dazu“. Er warf die Idee ein, die später an anderer Stelle in der 38,5 und dann 35-Woche mündete: alle Lehrer könnten doch ein wenig Deputat abgeben, dann könnten junge Lehrer eingestellt werden. Doch „sie waren nicht solidarisch“.

„Ich kann sehr direkt sein“

Internationalismus mit chilenischen politisch Verfolgten oder Iranern, die in den 80ern nach Deutschland kamen, Kommunalpolitik bei den Jungsozialisten und in der SPD, auch an deren Spitze, im Gemeinderat seiner Geburtsstadt Hechingen, in antifaschistischen Initiativen zieht sich durch die 70er und 80er-Jahre. Aber als er für eine recht gut bezahlte Arbeit zur sprachlichen Betreuung der Flüchtlinge angestellt werden sollte, brach ein Zug an Wadehn durch, den er durchaus selbstkritisch sieht: „Ich kann sehr direkt und manchmal verletzend sein.“ Dass er das aufrichtig gemeinte Angebot mit den Worten „Ich lass mich nicht kaufen“ ausschlug, tut ihm heute noch leid.

Als Juso-Vorsitzender hat er bei der Installation eines Betriebsrats erste Kontakte zur Gewerkschaftsarbeit gehabt und dann 1987 wurde er vom damaligen Ersten Bevollmächtigten Bernd Bleibler angerufen: Die IG Metall suche einen Projektsekretär für eineinhalb Jahre. Er gab Schulungen an Betriebsräte zur Einführung des Monats- statt des Stundenlohns, übernahm den Schwerpunkt Jugend, Rechtsschutz und mehr. Nach einer folgenden Familienauszeit stieg Wadehn 1990 richtig ein. 2000 wurde er als zweiter, 2007 als erster Bevollmächtigter vom Ortsvorstand gewählt.

Das Wort ist übrigens verharmlosend: Das Gremium umfasst Vertreter der Betriebsräte der Kreise Tuttlingen, Sigmaringen und Zollernalb.

Es war für Albstadt aber keine gute Zeit. Nach der Fusion mit der Textilindustrie, was 3500 Mitglieder brachte, war die Branche auf dem absteigenden Ast. Heute sind noch 500 dabei. Wegen der allgemeinen Krise Ende der 2000er traten viele Mitglieder aus. Kurz: Die Kasse war leer, die Albstädter befürchteten Eingriffe durch die Zentrale in Frankfurt. Hauptaufgabe sei deshalb die Stabilisierung der Geschäftsstelle gewesen. Und das sei geglückt: „Wir sind wieder oben, das ist unser gemeinsamer Verdienst.“ Die Geschäftsstelle laufe stabil, eine Million sei in der Kasse, Personal, Verwaltungs-, Ausstattungs -und Schulungskosten seien gesichert, die Verwaltungsstelle hat 15244 Mitglieder und 77 Prozent davon seien aktive Arbeitstätige, also so genannte „Ein-Prozent-Zahler“.

Wadehn privat

Das Soziale verfolgt der 66-Jährige auch in seinem Engagement in der Kirche. Sehr geprägt hat ihn der Umstand, dass ihn seine Mutter nach der Trennung vom Vater allein aufgezogen hat und er sein Studium auf dem Bau selbst verdiente. Verheiratet ist Wadehn mit seiner italienischen Frau Laura Botti. Mit ihr hat er einen Sohn, der inzwischen in der Schweiz als Dr-Ingenieur arbeitet. Das Paar freue sich, jetzt Zeit für Reisen, gerade auch nach Italien zu haben, denn seine Frau habe immer zurück gesteckt: „Ohne eine starke, altruistische Frau können Sie das nicht machen. Sie hat die Defizite korrigiert, indem sie sich um den heute 28-jährigen Sohn gekümmert habe.

Nach einer Erholungsphase will Wadehn seine Französischkenntnisse aufbessern, international unterwegs sein, sich natürlich auch politisch in antifaschistischen Initiativen engagieren, Theater und Kunst wieder mehr Raum geben und seiner neu entdeckten Leidenschaft für die Malerei frönen.

Auf Krawall gebürstet?

Nun ist es allseits bekannt, dass viele Unternehmer gerade auch auf dem Heuberg ablehnen Betriebsräte zu installieren. Deshalb bezeichnet Wadehn es auch als eine der größten Niederlagen, dass bei einem so wichtigen Betrieb wie Häring der Versuch, einen solchen zu installieren schief gegangen ist. Zwar sei der Personalchef wegen der Verhinderungstaktik verurteilt worden, aber das sei kein Trost dafür, dass der Mitarbeiter, der die Betriebsratswahl initiiert hatte, schließlich gekündigt und dann recht hoch abgefunden wurde. Das Signal an andere Arbeitnehmer sei verheerend gewesen, so Bleibler. Aber warum wollen die Unternehmer keine Betriebsräte? Das liege meist am mittleren Management und nicht an den Chefs. Einen Betriebsrat müsse man bei vielen Dingen fragen, das bedeutet den Verlust von Macht. Es sei aber auch durchaus so gewesen, dass ein Firmenchef einmal auf ihn zugekommen sei mit dem Wunsch nach einem Betriebsrat: Um einen Verhandlungspartner zu haben. Wadehn gilt nun aber nicht als der ruhige, besonnene Diplomat. Ob er den Krawall liebt? „Nö, ich setze mich lieber an den Tisch und suche Kompromisse. Voraussetzung ist, dass ich das Gegenüber akzeptiert.“ Es gebe gerade bei Großbetrieben in Tuttlingen sehr vernünftige Manager. Eine solche Aktion wie einst, als er bei einem Streik durch alle Abteilungen rannte und alle „Raus zum Kampf!“ rief, „das würde ich heute nicht mehr tun. Da musste ich nach Canossa gehen. Die Mittel müssen schon adäquat sein.“