StartseiteRegionalRegion TuttlingenSpaichingenJudith Sahle hilft beim Ankommen

Spaichingen

Judith Sahle hilft beim Ankommen

Spaichingen / Lesedauer: 4 min

Integrationsmanagerin ist selber erst nach zwölf Jahren Ausland in Heimat zurückgekehrt
Veröffentlicht:21.08.2018, 16:20

Von:
Artikel teilen:

Zwölf Jahre hat Judith Sahle im Ausland gelebt. Das verändert den Blick auf die Dinge. Ihr kommt diese Erfahrung jetzt doppelt zugute – als neuer Integrationsmanagerin in Spaichingen, Gunningen, Talheim, Durchhausen und Hausen. Denn sie hat nicht nur am eigenen Leib erlebt, was „Einwanderung“ bedeutet, sondern sie hat während ihres Lebens in den USA soziale Arbeit studiert und in diesem Sektor auch gearbeitet.

Und sie hat erlebt, dass das Leben in Deutschland abgesicherter ist als in den USA, wo es Kindergeld nur in Ausnahmefällen gibt, Kranken- und Sozialversicherung nicht in dem Maße Schutz bieten, wie hier.

Ihr Mann, den sie in den USA geheiratet hat, und ihre eindreivierteljährige Tochter sind mitgekommen nach Tuttlingen. Hier ist die heute 30-Jährige aufgewachsen, bevor sie mit 18 Jahren in die USA ging und dort blieb. Judith Sahles Mann lernt momentan Deutsch und kümmert sich um das Kind, in der Familie wird Englisch gesprochen.

Judith Sahle hat in den USA in einem anderen Sektor der Sozialarbeit und nur mit Frauen gearbeitet: häusliche Gewalt. Sie half den misshandelten Frauen, ihr alltägliches Leben in den Griff zu bekommen.

Noch aus den USA heraus habe sie sich auf die Stelle beworben, erzählt Judith Sahle. Und bis heute, also rund sechs Monate nach der Rückkehr in die Heimat, hat sie den Schritt noch nicht bereut. Im Gegenteil: „Ich habe mich schon immer für Migration interessiert“, sagt Sahle. Andere Kulturen, Menschen, Sprachen empfindet sie als spannend und bereichernd. In den USA – ein Land das historisch quasi nur aus Migranten besteht – gibt es auch heute viel Migration, vor allem aus Mexiko. Soziale Arbeit in diesem Sektor setze also voraus, dass man Spanisch spricht.

Übrigens: In den USA geistern viele erlogene Geschichten über die Migration in Europa herum. Judith Sahle sagt, dass sie daher überrascht war, wie offen und freundlich die Flüchtlinge, um die sie sich kümmert, gegenüber Sozialarbeitern seien. Noch habe sie nicht alle ihre Schützlinge kennen gelernt, in Spaichingen leben sie zum einen in der Anschlussunterbringung in der Hauptstraße 50 beziehungsweise 174, zum anderen aber in eigenen Wohnungen. Aber die, die bereits in eigenen Wohnungen lebten, hätten oft Ansprechpartner und Freunde in ihrer Nachbarschaft oder sie würden sich an die Paten wenden, die sie schon länger begleitet haben.

Sie sei bei vielen Familien und Einzelpersonen vorbei gegangen, aber nicht immer habe sie jemanden getroffen. Dann habe sie den Flyer dort gelassen. Aber die Leute fänden schon zu ihr in die Sprechstunde – es hat sich rumgesprochen, dass da jemand ist, der hilft.

Es geht vor allem darum, bei Problemen auf die bestehenden Netzwerke verweisen zu können, aber auch einfache Kindergartenanmeldungen, Probleme mit Vermietern und anderes sind Themen ihrer Arbeit. Viel dreht sich aber um die deutsche Bürokratie. Und die ist kompliziert. Nach den Erfahrungen in den USA ist sie das auch für sie selbst. „Wenn die Bürokratie schon für mich kompliziert ist, wie muss es erst für Leute sein, die von außerhalb kommen?“

„Keine großen Überraschungen“

Bisher habe sie keine großen Überraschungen erlebt, sagt Judith Sahle: „Ich genieße den Kontakt mit den Menschen.“ Denn das kenne sie aus den USA, wo die Mentalität in dieser Hinsicht doch sehr anders ist. Man habe sofort offenen, lockeren, spontanen Kontakt dort.

Die Tendenz in den USA oder auch hier, auf Migration und Flüchtlinge erst einmal mit Angst zu reagieren, liegt für Judith Sahle vor allem an einem: dass man einander nicht persönlich kennt.

Für ihre Klienten hofft sie, dass sie ihr vertrauen, dass sie helfen will, sich in die Spaichinger, die deutsche Gesellschaft einzufügen. Sie findet es jedenfalls nicht als Nachteil, dass sie momentan selber dabei ist, noch mehr zu lesen und zu wissen, sich mit der Bürokratie zu beschäftigen und jetzt eine Sozialarbeit für Familien zu machen, statt nur für Frauen, wie in den USA.