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Ein Fest zum Kennenlernen in Wehingen

Spaichingen / Lesedauer: 4 min

Gruppe unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge lädt ein – Erlös für Kindergärten
Veröffentlicht:21.05.2017, 13:17

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„Die“, so sagen wohl manche im Dorf über die sieben jungen Männer, die in einer betreuten Wohngruppe in Wehingen wohnen. Und wenn das „Die“ diesen unfreundlichen Unterton hat, der ausdrückt, dass man scheinbar ganz genau weiß, wen man hier vor sich hat, dann verletzt das. Die Jugendlichen spüren: Das ist eine Angelegenheit des Friedens oder Unfriedens.

Die sieben unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zwischen 16 und 19 Jahren haben daher zusammen mit ihren Betreuern Tayfun Yengec und John Matthis beschlossen, im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins Jugend für Deutschland auf die Wehinger zuzugehen. Sie sind überzeugt: Nur wenn man nichts von einander weiß und sich nicht kennt, bleibt das „Die“ und wird nicht zum „Wir.“ Am kommenden Donnerstag, Vatertag und Christi Himmelfahrt, laden sie ins Pfarrer-Hornung-Heim ab 14 Uhr ein.

Auslöser für das Fest war, dass jemand berichtet hat, im Dorf würde schlecht über „Die“ gesprochen. Meist mit der Unterstellung, wer seine Religion, den Islam lebt, der müsse wohl auch sowas wie ein Salafist sein. Abdel Karim habe gesagt: „Warum denken die Leute so über uns, wir sind doch keine schlechten Menschen?“

„Viele Privatleute unterstützen uns für das Fest“, sagt Yengec. Ur-Heuberger genauso wie Leute mit türkischem, russischem oder italienischem Hintergrund. Bernd Krause zum Beispiel, der Kässpätzle machen wird, Josefine Soltay aus Egesheim oder Sonay Demirel und Kenan Demirel aus Reichenbach.

Yengec ist der Region kein Unbekannter. Seit deutlich über zehn Jahren versucht er mit verschiedenen Projekten, junge Menschen verschiedener Richtungen zusammen zu bringen und jungen Muslimen ein menschenfreundliches, für alle Kulturen, Lebensformen und Herkünfte aufgeschlossenes Verständnis des Islam nahe zu bringen.

Er ist überzeugt, dass nur das Nicht-Wissen über die eigene Religion, das Nicht-Wissen darüber, dass in allen drei großen monotheistischen Religionen die Zehn Gebote als Leitlinie und die Nächstenliebe als Gebot ganz oben stehen, zu religiösen Spannungen führt. Felsenfest ist er davon überzeugt, dass wer nur will, mit allen anderen in Frieden leben kann.

So geht er auch mit den jungen Männern um und findet seinen Widerhall. Die vier Syrer, ein Afghane, ein Junge von der Elfenbeinküste, einer von Guinea sind zwar alle Muslime, aber der verschiedensten Glaubensrichtungen. In ihren Heimatländern wären sie womöglich dazu gezwungen worden, in Armeen und Milizen gegeneinander zu kämpfen. Darum sind die meisten geflohen. Manchmal mit einem Bruder, die meisten allein.

In Wehingen leben sie zusammen. Ob sie wohl so etwas wie eine Familie werden?, fragt die Reporterin. „Wir sind doch schon eine Familie“ sagt ein junger Syrer, der in großer Sorge um seine Familie im umkämpften Raqqa ist. Wochenlang habe er nicht von ihnen gehört. Der Blick wirkt kurz in sich gekehrt. Aber er will wie die anderen nach vorne schauen. Alle können sich meist ganz gut schon auf Deutsch verständigen, gehen zur Schule. Fußball, Ausflüge, Einkaufen, Arztbesuche, Fitnessstudio – die Jugendlichen wollen die Wehinger kennen lernen.

Die Gepflogenheiten zu lernen, wie man sich als junger Mann so verhält, all das wollen sie wissen. Fehler gibt es, zu laute Musik etwa, klar. Jugendliche sind Jugendliche. Aber bis abends ist ein Betreuer da und wenn etwas sein sollte, ist der in Wehingen lebende Matthis ansprechbar.

Eine Ausbildung, Realschulabschluss, lernen. Das wollen die jungen Männer. Sie freuen sich über ihr Projekt, haben Schiffe gebaut, die als Seifenhalter dienen. Diese werden an dem Begegnungsnachmittag verkauft. Anas Mahmood schnitzt ein extra großes Schiff, das versteigert werden soll. Außerdem werden zwei Gemeinschaftsbilder der Wehinger Kindergartenkinder versteigert. Der Erlös der Veranstaltung geht an die Eltern der Wehinger Vorschüler, um Schulsachen zu kaufen.

Bildung ist ein Schlüsselbegriff für den veranstaltenden Verein. „Wir bilden Frieden“ lautet denn auch das Motto des Nachmittags am Donnerstag. Mortaza Noori kocht Leckereien aus Afghanistan, außerdem gibt es einige Helfer und Helferinnen wie Yengec Frau Christina, die sich ums leibliche Wohl sorgen.

Diakon Fascia wird vorbei schauen und ein Grußwort sprechen und ein Professor für islamische Theologie der Uni Tübingen einen kleinen Vortrag halten.

Alle sind eingeladen, sagten die sieben jungen Männer und Yengec. Es geht um Frieden, ums Kennenlernen. Und auch ums „Danke“ sagen an Deutschland, so gut aufgenommen worden zu sein.