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Wie schwer wiegt die Schuld von Drazen D.?

Rottweil / Lesedauer: 2 min

Am Dienstag soll das Urteil im Dreifachmord fallen
Veröffentlicht:22.06.2018, 16:49

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Was ist ein gerechtes Urteil für jemanden, der drei Menschen, darunter seinen sechsjährigen Sohn erschossen hat? Im Fall Drazen D., der sich deswegen vor dem Landgericht Rottweil verantworten muss, soll am Dienstag das Urteil fallen. Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich und die Anwälte der Opfer sind sich einig: Lebenslang plus Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Sogar die Verteidiger Bernhard Mussgnug und Fritz Döringer hielten dieses Urteil nicht für unangemessen, auch wenn sie in ihren Plädoyers darauf verwiesen haben, dass die psychische Verfassung von Drazen D. sich nahe an der Schuldunfähigkeit bewege. Manche Besucher, die den Prozess im Gerichtssaal verfolgt haben, hielten eine härtere Strafe für gerecht: Wegsperren für immer! Also Sicherungsverwahrung.

Was ist Sicherungsverwahrung?

Bei der Sicherungsverwahrung geht es nicht um eine Strafe, sondern darum, die Allgemeinheit vor gemeingefährlichen Straftäter zu schützen und um Maßnahmen zur Besserung. Die Voraussetzungen sind sehr hoch und im Paragraph 66 des Strafgesetzbuchs festgelegt.

Ist Drazen D. gemeingefährlich?

Nach Meinung des psychiatrischen Gutachters Dr. Charalabos Salabasidis ist er zwar weiterhin gefährlich, aber nicht gemeingefährlich. Diese Meinung teilt Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich . Er bringt es im Gespräch mit unserer Zeitung auf einen einfachen Nenner: Gemeingefährlich sei jemand, der sich seine Opfer nicht bewusst, sondern willkürlich aussuche. Bei Drazen D. habe es sich um Bezugstaten gehandelt. Bedeutet: Es gilt als wahrscheinlich, dass auch das Gericht von Sicherheitsverwahrung absieht.

Was bedeutet „besondere Schwere der Schuld“?

Wer zu einer lebenslangen Haft verurteilt wird, muss mindestens 15 Jahre in Haft verbringen und wird dann in der Regel auf Bewährung entlassen, wenn „eine Gesamtwürdigung“ der Umstände das erlaubt. Die „besondere Schwere der Schuld“ ist festzusetzen, wenn die Tat von einer „Durchschnittstat wesentlich abweicht“. Kriterien sind etwa die Zahl der Opfer und Mordmerkmale.

Was sind die Folgen bei einer Festsetzung der „besonderen Schwere der Schuld“?

Das führt faktisch zu einer Verlängerung der 15-jährigen Mindestverbüßungsdauer, bevor eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafe auf Bewährung in Betracht kommen kann. Anwalt Roland Weber, einer der Nebenkläger, berichtete in seinem Plädoyer, die Durchschnittsdauer der Haft betrage in solchen Fällen rund 20 Jahre, der höchste ihm bekannte Fall liege bei 29 Jahren.

Verteidiger Bernhard Mussgnug ergänzte, dabei sei unter anderem auch die schriftliche Urteilsbegründung von Bedeutung. Er appellierte deshalb an das Gericht, auch die für Drazen D. entlastenden Aspekte zu würdigen.