StartseiteRegionalRegion TuttlingenRottweilRaubtäter soll zunächst in Therapie

Mord

Raubtäter soll zunächst in Therapie

Rottweil / Lesedauer: 3 min

Landgericht Rottweil entscheidet auf versuchten Mord und fällt ein Ausnahme-Urteil
Veröffentlicht:18.09.2017, 19:06

Artikel teilen:

Der Mann, der im vergangenen November eine Verkäuferin in der Tuttlinger Fußgängerzone überfallen und lebensgefährlich verletzt hat, soll wegen versuchten Mordes und schweren Raubes zehn Jahre ins Gefängnis. Dieses Urteil hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil am Montagnachmittag verkündet. Die Staatsanwältin hatte lebenslänglich, der Verteidiger sechs Jahre gefordert, er allerdings nur wegen schwerer Körperverletzung.

Der 37-jährige Täter hatte die Besitzerin des Dessous-Geschäfts zunächst von hinten mit einem Elektroschocker angefallen, sie dann zu Boden gerissen, ihr zwei 8,5 und 5,5 Zentimeter lange und tiefe Schnitte in den Hals versetzt, mit beiden Händen in die Wunden gefasst, sie gewürgt, an den Haaren in den Nebenraum gezogen und schließlich mit einer Metallstange auf sie eingeschlagen. Sie konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

Nicht nur die Brutalität der Tat ist ungewöhnlich an diesem Fall, sondern auch ein Detail des Urteils: Nach dem Willen des Gerichts soll der Täter zunächst eine Therapie gegen seine Alkohol- und Drogensucht absolvieren – was nach Ansicht des Gutachters mindestens zwei Jahre dauern wird – und erst danach in den Strafvollzug wechseln. Normalerweise sei es umgekehrt, erklärte Karlheinz Münzer , der Vorsitzende Richter, in seiner einstündigen Urteilsbegründung. Aber die Kammer habe einschlägige Vorschriften und Urteile „durchforstet“ und sei zum Schluss gekommen, dass in diesem Fall eine Ausnahme sinnvoll sei. Grund: Der Täter bringe gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie mit.

Unterm Strich bedeutet das, dass er im Optimalfall – bei positiver Prognose und guter Führung – eine „Halbstrafe“ erhält und nach fünf Jahren frei käme. Wahrscheinlicher ist nach Einschätzung von Experten eine „Zweidrittelstrafe.

Ob dann auch noch die insgesamt drei Jahre dazukommen, die er zuvor in vier Fällen zur Bewährung erhalten hatte, gilt als eher unwahrscheinlich. Damals waren die Richter in Tuttlingen, Spaichingen und Rottweil von einer günstigen Prognose für den Mann ausgegangen. Jetzt müssen sie einzeln entscheiden, ob die Bewährung nachträglich aufgehoben wird.

Richter Münzer begründete, warum die Strafkammer mit drei professionellen und zwei Laien-Richtern im Gegensatz zu Staatsanwältin Michelle Mayer nicht auf lebenslänglich entschieden hat: Man sei zur Überzeugung gekommen, dass der 37-Jährige die Tat nicht geplant, sondern spontan begangen habe. Weitere mildernde Umstände kämen dazu: das umfassende Geständnis, „die glaubwürdige Reue“, die finanzielle Einigung mit dem Opfer und die vom Gutachter attestierte Persönlichkeitsstörung, trotz voller Schuldfähigkeit. Zwar seien Mordmerkmale wie Heimtücke erfüllt, aber eine unmittelbare Lebensbedrohung habe für die Frau nicht bestanden.

Richter würdigt den Auftritt der Geschädigten vor Gericht

Münzer würdigte ausdrücklich den Auftritt der 39-Jährigen vor Gericht. Sie sei das „Paradebeispiel“ mit Sachlichkeit und ohne Belastungseifer für eine glaubwürdige Zeugenaussage gewesen. Die Frau leidet körperlich und psychisch an den Folgen der Tat. Sie kann allenfalls stundenweise und nicht mehr allein im Geschäft arbeiten, musste zwei Aushilfskräfte einstellen.

Gegen das Urteil ist Revision möglich. Verteidiger Behnke deutete auf Anfrage an, dass er durchaus dazu neige. Die Staatsanwältin kündigte außerdem eine genaue Überprüfung an.

Einen Beitrag von Regio-TV zum Gerichtsurteil finden Sie unter www.schwaebische.de/gerichtsprozess_dessousladen .