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Kreissporthalle

Wenn aus Fußballern Handballer werden

Rietheim-Weilheim / Lesedauer: 5 min

TSV Rietheim feiert „85 Jahre Handball“ mit Spiel gegen den Erstligisten MT Melsungen
Veröffentlicht:26.10.2016, 18:25

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Eigentlich hat die Handball-Abteilung des TSV Rietheim bereits im vergangenen Jahr ihr 85-jähriges Bestehen gefeiert. Wegen des Wegfalls der Tuttlinger Kreissporthalle als Trainings- und Spielstätte im vergangenen Jahr, verschob der Verein die Feier auf dieses Jahr. Und diese hat es in sich: Am Sonntag, 13. November, empfängt die HSG Rietheim-Weilheim in der Tuttlinger Mühlauhalle den Bundesligisten und Europapokal-Teilnehmer MT Melsungen für ein Freundschaftsspiel.

Über 80 Jahre, von 1930 bis 2010, waren die Handballer im Senioren-Bereich das Herzstück des TSV Rietheim. Am 1. April 2010 wurde die HSG Rietheim-Weilheim mit dem TB Weilheim gegründet. Die Kooperation gab es im Juniorenbereich schon seit dem 13. März 2007. Diese Entwicklung ist ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Wandel: Die Handballer in der Region können nicht mehr auf so viele Talente setzen, die sich dem Handball verschreiben.

Rückblick: Im Jahr 1930, also 36Jahre nach der Gründung des TSV Rietheim, wird in der kleinen Gemeinde im Landkreis Tuttlingen zum ersten Mal Handball gespielt. Wie in dieser Zeit üblich als Feldhandball. Der erfolgreiche Umzug in die Sporthalle sollte für den Handballsport in Deutschland noch etwas auf sich warten lassen. Zum Leidwesen der Handballer der HSG Rietheim-Weilheim verfügt die Gemeinde bis heute über keine Handball geeignete Sporthalle. Seit Jahren werden die Heimspiele daher in Tuttlingen ausgetragen.

Erstes Spiel: 0:11 gegen Tuttlingen

Die Ursprünge der Handball-Mannschaft des TSV Rietheim entspringen ironischerweise dem Fußball, also der Sportart, die in Europa seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine Entwicklung hin zu der Sportart Nummer eins schlechthin gemacht hat. Da waren die Rietheimer ein bisschen rebellischer, dem Fußball konnten sie offenkundig auch durch ihre geringen Erfolge nicht so viel abgewinnen. So gründeten die Fußballer schließlich die Handballabteilung.

Das erste Spiel, so ist in der Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des TSV zu lesen, ging gegen eine Tuttlinger Mannschaft 0:11 verloren. Trotz dieses Misserfolgs hatten die Spieler ihren Gefallen an dem neuen Sport gefunden. Bereits zwei Jahre später gab es die erste Jugendmannschaft.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 spielte der TSV in der Bezirksklasse. Nach dem Kriegsende wurde die Abteilung von Peter Haag reaktiviert. Wenige Jahre später konnte sich der TSV sogar für die Zonenmeisterschaft qualifizieren, die einer südwestdeutschen Meisterschaft entsprach. Dabei holten die Reitheimer den zweiten Platz. Die sportlichen Erfolge blieben in der Bevölkerung nicht unerkannt: „Bei den Heimspielen gab es meist mehr Zuschauer als Einwohner in Rietheim “, heißt es in der Vereinschronik.

Der Zahn der Zeit nagte an der Mannschaft, die so langsam überalterte. Folglich entschied sich der Verein, einen Neuaufbau in der Bezirksklasse anzugehen. Trainer Hans Hauser schaffte es immer wieder, talentierte Jugendliche in die erste Mannschaft einzubauen. Die Folge: 1963 stieg das Team wieder in die Landesliga auf, 1966 nach der Landesliga-Meisterschaft gar in die höchste Spielklasse des württembergischen Handballverbands. Das war die Zeit, in der sich der TSV in der Saison 1963/64 zum ersten Mal auch im Hallenhandball versuchte.

In der Saison 1967/68 wurde mit Paul Epple zum ersten Mal ein Spieler des TSV Rietheim zur B-Auswahl der deutschen Nationalmannschaft berufen. In den Folgejahren konnte der TSV immer wieder Erfolge auf dem Feld und in der Halle verbuchen. Anfang der 1970er-Jahre nahm die Bedeutung des Feldhandballs zunehmend ab. Der Hallenhandball kam in dieser Sportart auf die klare Siegerstraße. 1976/77 erfolgte der erstmalige Aufstieg in die Landesliga im Hallenhandball. Das entsprach zu dieser Zeit der heutigen Württembergliga.

Immer wieder waren bei den Rietheimern Bundesligisten zu Gast, so etwa der TSV Rintheim oder zum 50-jährigen Bestehen die SG Leutershausen. Die Mannschaft verzeichnete in den Folgejahren ein Auf und Ab von der Bezirksliga bis zur Kreisklasse, der heutigen Bezirksklasse. 1984 und 1985 holte sich der TSV den Bezirkspokal. 1992 folgte der Absturz in die Kreisklasse I. Der Verein setzte daher verstärkt auf die Jugendarbeit – und das zeigte nach Jahren der Durststrecke Erfolg.

Nach 25 Jahren wieder Landesliga

Im Jahr 2004/05 erfolgte unter Trainer Thomas Stocker die Rückkehr in die Landesliga, nach 25 Jahren. „Zwei Wochen lang wurde Rietheim in den Ausnahmezustand versetzt. Von der einen Feier zur anderen wurde die Mannschaft eingeladen und bejubelt“, steht in der TSV-Chronik „75 Jahre Handball“.

Und der Erfolg riss nicht ab: 2005/06 stieg die Mannschaft sogar in die Verbandsliga auf, der heutigen Württembergliga. Auch die Frauen, die im Jahr 1995 mit dem Handball beim TSV angefangen hatten, konnten in der Saison 2008/09 den Aufstieg in die Landesliga feiern. Bei den Herren folgte eine Erfolgsserie im Bezirkspokal. In den Jahren 2010, 2012, 2013 und 2015 konnten die Spieler den Pott in die Hände nehmen. 2012/13 folgte das vorerst letzte Gastspiel in der Württembergliga. Seither gibt es einen Umbruch in der ersten Mannschaft, die im gesicherten Mittelfeld der Landesliga spielt.

Zwei Eigengewächse waren bereits deutlich höherklassig erfolgreich: Robin Haller wurde mit der deutschen Nationalmannschaft Junioren-Europameister und spielt aktuell bei Zweitliga-Tabellenführer SG BBM Bietigheim, mit dem er bereits in der Beletage des deutschen Handballs gespielt hat. Matthias Stocker, Sohn des langjährigen Trainers Thomas Stocker, spielt aktuell beim Zweitligisten HSG Konstanz.