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Kirchturmuhr

Spaichinger Wehr hilft, dass die defekte Denkinger Kirchturmuhr wieder den Takt gibt

Primtal / Lesedauer: 3 min

Aufstehen, kochen, beten und schlafengehen mit der Glocke: Die Verbindung von Uhr- zu Schlagwerk ist eine diffizile Angelegenheit
Veröffentlicht:18.11.2020, 09:40

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Einen etwas ungewöhnlichen Einsatz hat Maschinist Tobias Mattes mit der Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Spaichingen gehabt. Er transportierte mit der Drehleiter den Turmuhrmechaniker Sven Höhne von der Firma Philipp Hörz, Turmuhren und Glockenanlagen, Ulm in etwa 30 Meter Höhe, um ein defektes Zeigerwerk der Kirchturmuhr der St. Michaelskirche zu reparieren.

Es dürfte einer der letzten Einsätze der 1993 gebauten Spaichinger Drehleiter gewesen sein. Das neue Fahrzeug ist bereits geliefert und soll wohl im Dezember nach umfänglichen Übungseinheiten, in den Dienst gehen.

Eine Turmuhrreparatur ist allerdings auch für erfahrene Wehrmänner ein ungewöhnlicher Einsatz. Dazu musste der Hauptschalter in der Sakristei der elektronisch gesteuerten Funkuhr zuerst ausgeschaltet werden. „Solch eine Turmuhr ist schon ein ganz diffiziles Werk, das sehr viel Feingefühl erfordert“ bemerkte Sven Höhne.

In luftiger Höhe konnte er schnell den Defekt des Uhrzeigerwerks erkennen. Von der eingebauten Taubenabwehr hatte sich ein Drahtgewirr gelöst und um die Achse geschlungen, die das Zeigerwerk mit dem Motor verbindet. Also mussten diese Teile erneuert werden. Nun zeigen alle drei Uhrenziffernblätter wieder die richtige Zeit an.

„Im Übrigen besitzt die Turmuhr insgesamt drei Fassadenmotorzeigerwerke, die von der Hauptuhr in der Sakristei mit Impulsen gesteuert werden“, informierte der Fachmann Höhne. Zur Viertel-, Halb-, Dreiviertel- und vollen Stunde bringen die Impulse zusätzlich das Schlagwerk in Aktion.

Bis zu acht Glocken könnte die Hauptuhr ansteuern. Im sechs Meter hohen und drei Meter im Quadrat bestehenden Glockenstuhl der Denkinger Kirche befinden sich nur vier Glocken, die so elektronisch von ihr kommandiert werden.

Die älteste Glocke hat 330 Kilo und wurde bereits im Jahr 1923 hergestellt. Ihre Inschrift lautet: „Alle Tage sing und sage, Lob der Himmelskönigin“. Die größte Glocke mit einem Gewicht von 1000 Kilo stammt aus dem Baujahr 1949. Sie ist in der Tonart „f“ gehalten und hat die Inschrift „Maria Königin des Friedens, bitte für uns“. Aus dem gleichen Baujahr stammt die zweite Glocke mit 600 Kilo. Ihr Ton ist „as“ und hat die Inschrift „Den toten Helden zur Ehr“. Auch die kleinste Glocke mit 290 Kilo, dem Ton c und der Inschrift: „Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser“ stammt aus dem Baujahr 1949. Eine Stiftungsurkunde bezeugt, dass der Gesangverein Liederkranz den Betrag von 1 800 Mark zur Anschaffung dieser Glocke getätigt hat.

Mit entsprechenden Programmen in der Hauptuhr rufen die Glocken nicht nur zu den verschiedenen Gottesdiensten und läuten zum Evangelium und der Wandlung, zur Taufe, Hochzeit, zum letzten Geleit, sondern zeigen auch die Zeit an. Das Elfuhrläuten, das auf eine Stiftung zurückgeht, sagt den Frauen, dass es Zeit für das Kochen ist. Eigentlich geht es aber um das Leiden Christi. Um vier Uhr rufen die Glocken zum Vesper (eigentlich Kreuzabnahme) und morgens um sechs, mittags um zwölf und abends um 18 Uhr ist das Betläuten.

Glocken wecken den Schläfer, rufen zum Mahl und bestimmen die Nachtruhe. Die Zeitansage der Glocken ist nicht nur eine nützliche Einrichtung, um zu wissen „was die Stunde geschlagen hat“. Sie mahnt an die Vergänglichkeit der Zeit und sagt, dass auch uns einmal „unsere Stunde schlägt“, so die Bedeutung des Glockenklangs.

Schriftsteller Reinhold Schneider warnte 1936, angesichts der Abgabe und Vernichtung der Kirchenglocken zu Kriegszwecken: „Verlieren die Glocken ihre Gewalt über den Lärm, die Türme die Herrschaft über die Dächer, so ist keine Hoffnung und kein Leben mehr“ oder einfach ausgedrückt: „Dort wo Glocken schweigen, hat auch der Mensch nicht mehr viel zu sagen“.