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Pulverfabrik

Pulverfabrik erlebt wechselvolle Geschichte

Primtal / Lesedauer: 3 min

Eine schwere Explosion im Rottweiler Neckartal kostete 1942 zahlreiche Menschenleben
Veröffentlicht:27.02.2020, 13:54

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Noch vor gut 30 Jahren haben Kraftwerk, Badhaus, Jakobskirche und Co. im Dornröschenschlaf geschlummert. Die Zukunft der riesigen Industriebrache im Neckartal war ungewiss. In kleinen Schritten begann die Konversion der einstigen Pulverfabrik in einen schmucken und florierenden Gewerbepark – eine Erfolgsgeschichte. Ein Horrortag war jedoch der 17. Januar 1942, als es in der Pulverfabrik nach einer Explosion 17 Tote gab.

„ Max Duttenhofers Aktivitäten waren für Rottweil Fluch und Segen zugleich“, schreibt Hermann Klos in seinem Beitrag „Vom Schießpulver zur gewerblichen Innovation“, der im Buch „Industriekultur im Neckartal Rottweil“ nachzulesen ist. Denn einerseits brachte die Fabrik tausende Menschen in Lohn und Brot und sicherte ihren Familien den Lebensunterhalt, zugleich aber zählt Schießpulver eben auch zur „dunklen Seite der Macht“, da es überwiegend in Kriegen zum Einsatz kommt.

In vier Jahrzehnten hatte Max von Duttenhofer aus bescheidenen Anfängen ein „Pulverimperium“ geschaffen, das, so Hermann Klos, für die Stadt oft eine Zumutung gewesen sei, da die Monopolstellung des Betriebs die Entwicklung und den Ausbau Rottweils zu einem breit aufgestellten Gewerbe- und Industriestandort offenbar behinderte. Zur Schattenseite dürfte auch zählen, dass bedenkliche Arbeitsbedingungen, der Einsatz von Zwangs- und Fremdarbeitern sowie die Emissionen der Fabrik gerne unerwähnt bleiben sollten.

Freilich hat die Pulverfabrik Rottweil auch wirtschaftlichen und politischen Erfolg beschert. So war es beispielsweise Max von Duttenhofer, der Rottweils erstes Telefon besaß. Die Stadt partizipierte aber nicht nur am Telefon, sondern auch am Gasanschluss und sanitären Möglichkeiten. Die Entwicklungen und Neuerungen, die das 19. Jahrhundert parat hatte, waren Max Duttenhofer sehr dienlich, und er verstand es, diese für den Aufschwung seiner Fabrik auch einzusetzen.

Kriege und Industrialisierung sorgten dafür, dass das Imperium von Max von Duttenhofer wuchs. Neue Transportwege erschlossen sich 1868 mit dem Bau der Neckartalbahn. Die Entwicklungen auf dem Gebiet des rauchlosen Pulvers bescherten dem Unternehmen bedeutende Großaufträge. So schloss die Pulverfabrik 1887 einen Vertrag mit dem deutschen Kriegsministerium ab, der eine Lieferung von 2500 Tonnen Pulver vorsah. Dieser Auftrag habe für Aufschwung gesorgt und es konnten wieder neue Bauten erstellt werden. Auch die Weltkriege brachten Aufschwung.

Während des Ersten Weltkriegs arbeiteten etwa 2500 Menschen in der Pulverfabrik. Nach Kriegsende 1919 wurde die Produktion auf Kunstfaser umgestellt. 1935 nahm die Kunstseidenfabrik die Pulverproduktion wieder auf, Anlagen für die Munitionsherstellung wurden eingerichtet.

Am 17. Januar 1942 ereilte die Pulverfabrik mit einer entsetzlichen Explosion ein schweres Schicksal. War das Areal im Zweiten Weltkrieg größtenteils von Luftangriffen verschont geblieben, brachte dieser Unfall letztlich großes Leid unter die Mitarbeiterfamilien. 17 Menschen kamen bei der Explosion, die sich im südöstlichen Bereich ereignet haben soll, ums Leben. Anschließende Untersuchungen haben ergeben, dass es sich nicht um Sabotage, sondern um einen Unfall gehandelt hat. Um mit wenig Aufwand eine hohe Produktion zu erzielen, wurde das Pulver offenbar nicht graphitiert. So entzündete es sich beim Einfüllen in die Silos selbst und löste die unheilvolle Kettenreaktion aus. Aufgrund der Nachrichtensperre, so heißt es in Aufzeichnungen, habe die Öffentlichkeit von dem Vorfall nichts mitbekommen.

Nichtsdestotrotz blieb der Vorfall in der Stadt nicht verborgen, zum einen wegen der Opfer, und zum anderen, weil auch außerhalb des Tals Schäden entstanden waren. „Und so begleitete die Opfer ein langer Trauerzug bis zum Friedhof“, heißt es im Buch „Industriekultur im Neckartal“. Noch heute erinnert das Gemeinschaftsgrab auf dem Ruhe-Christi-Friedhof an die Opfer der Katastrophe. Vor wenigen Jahren wurde das Grab, das zwischenzeitlich auch als Gedenkstätte dient, restauriert.