Liebesheirat

Von der Vernunftehe zur Liebesheirat

Herdwangen-Schönach / Lesedauer: 3 min

Herdwangen-Schönach feiert beim Neujahrsempfang 40-jähriges Bestehen – Pfarrer segnen Zusammenschluss
Veröffentlicht:19.01.2014, 20:00

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Freitagabend in der Ramsberghalle: Rund 400 Gäste stehen Schulter an Schulter und singen gemeinsam die Nationalhymne und das Badnerlied – Gänsehautgefühl pur.

Dass die Bindestrichgemeinde auf einem guten Weg ist, zeigt nicht nur deren schuldenfreier Haushalt, sondern auch der Zusammenhalt aller Bürger und Vereine, die heuer das ganze Jahr über einen Festreigen organisieren. Der Neujahrsempfang in Großschönach bildete den vorläufigen Höhepunkt der Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr.

Als vor 40 Jahren die Zwangsehe zwischen den bis dato selbständigen Gemeinden Herdwangen, Schönach und Oberndorf durch die staatlich verordnete Gemeindereform vollzogen worden war, konnte von Liebe auf den ersten Blick freilich keine Rede sein. Doch 40 Jahre Gemeinschaft und Bürgersinn haben sich offenbar bezahlt gemacht. Mit einer ökumenischen Geste haben die beiden Gemeindepfarrer Meinrad Huber und Hans Wirkner, nach dem Einzug der Fanfarenabordnungen und der Begrüßung durch Bürgermeister Ralph Gerster , das Publikum geeint.

„Mit 40 Jahren wird der Schwabe gescheit“, nimmt Pfarrer Meinrad Huber die einfühlsamen Zahlen-Zitate seines evangelischen Amtsbruders auf und spielt den Ball gekonnt weiter: „40 Tage war Jesus fastend in der Wüste, 40 Tage dauert deshalb heute die Fastenzeit, 40 Jahre ist das Volk Israel in der Wüste bis zum gelobten Land unterwegs gewesen.“ Und vor 40 Jahren, so Pfarrer Wirkner ganz weltlich, habe der VW-Golf den Käfer abgelöst und die erste Ölkrise sei ausgebrochen.

„Das Wesen der Geschichte ist die Wandlung“, so Bürgermeister Ralph Gerster. „Als Willi Siebler, Gustav Fecht und Franz Joseph Hermann am 5. März 1974 den Eingemeindungsvertrag unterschrieben hatten, war dies ein Vertrag, dessen Tragweite damals wohl kaum jemand abschätzen konnte.“ Der Zusammenschluss sei laut Gerster zwar zunächst weniger eine Liebesheirat, als vielmehr eine Zweckgemeinschaft gewesen. „Aber gerade Zweckgemeinschaften haben manches Mal mehr Zukunft, wenn nicht nur die Schmetterlinge im Bauch, sondern auch der Kopf bei Entscheidungen und Planungen mit einbezogen werden“, erklärt der Rathauschef. Gersters Bilanz nach 40 Jahren: „Der Schritt machte Sinn, der Wandel hat uns viel gebracht.“

Die Festreden, die folgten, drehten sich – wenig überraschend im Jubiläumsjahr – vor allem um die Geschichte der Gemeinde. Und was wäre die ohne ihren verstorbenen Chronisten Josef Mosbach? In seiner Retrospektive beschrieb ihn Förster Hubert Müller als einen vielseitig talentierten, aber stets bescheidenen Autodidakten. Mosbach war Waldarbeiter, Astronom und ein bei Pilzvergiftungen händeringend gesuchter Mykologe.

Das Wesen seiner Heimat habe Mosbach in Bild und Ton, zwar mit bescheidensten Mitteln, aber dauerhaft, dokumentiert, so Müller. Der von ihm vorgestellte Bildband „Josef Mosbach – Menschen, Feste, Ansichten“, ist ein einmaliges Zeitdokument zur Gemeindegeschichte.

Nach knapp zweieinhalb Stunden Historie im Zeitraffer intonierte die Kapelle von Musikverein-Chef Rainer Brehm schließlich den Weg zum Stehempfang.