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Coronavirus

ÖPNV und Coronavirus bestimmen SPD-Aschermittwoch

Mühlheim / Lesedauer: 4 min

Landratsamt denkt über zwei Tarifzonen und neue Beförderungsmodelle ab 21 Uhr nach
Veröffentlicht:27.02.2020, 14:26

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Traditionell laden SPD-Kreisverband Tuttlingen und SPD-Ortsverein Mühlheim-Donau-Heuberg zum politischen Aschermittwoch ins Gasthaus „Lamm“ in Stetten ein. Landrat Stefan Bär hat sich als Gastredner einer lebhaften Diskussion um die angedachten Veränderungen im ÖPNV gestellt. Zudem gab er Informationen über den Umgang mit dem Coronavirus im Landkreis.

Sowohl der Kreisverbands-Vorsitzende Enrico Becker als auch der Ortsvereins-Vorsitzende Nils Ludewig und Bär blickten mit Sorge auf das politische Klima. Teilweise werde mit Angst Politik gemacht, so der Landrat, „von Leuten, die die Grundlagen der Demokratie Schritt für Schritt in Frage stellen“. Bär lobte das sachliche politische Miteinanders aller Verantwortungsträger in der Region: „Wir haben bisher diese verbitterte Art der Auseinandersetzung hier nicht.“

Eine Reform der Tarifzonen im ÖPNV beschäftigt Bärs Mitarbeiter im Landratsamt. Und die Frage, die Bär so formuliert: „Können wir bei diesen Preisen künftig noch die Linien so fahren, wie wir sie wollen?“ Der Landrat umriss den Spagat der Planungen: „Der ÖPNV muss für den Fahrgast attraktiv sein, aber die Finanzierung über die Kreisumlage muss auch für die Kreisgemeinden akzeptabel sein. Der ÖPNV wird sich nie selber tragen.“

Eine Reduzierung der bisher acht Tarifzonen im Kreis auf nur noch zwei werde derzeit durchgerechnet, um die Fahrpreise übersichtlicher und die geplante Kooperation mit den Nachbarkreisen Villingen-Schwenningen und Rottweil einfacher zu gestalten. Die unterschiedlichen Längen der Fahrstrecken würden damit nicht mehr wie bisher zu Buche schlagen. In Zukunft könnte ein Fahrgast aus Irndorf zum gleichen Preis fahren wie einer aus Mühlheim. Einige Zuhörer waren skeptisch, ob das Gerechtigkeitsempfinden der Fahrgäste diese Änderung mittragen würde. Bär gab sich jedoch überzeugt: „Es wird dabei Verlierer geben, aber am Ende werden es mehr Gewinner sein.“ Das von Zuhörern angesprochene Ein-Zonen-Modell hält Bär aber nur innerhalb von Städten umsetzbar, nicht in einem Flächenlandkreis wie Tuttlingen.

Bär hatte die Fakten zum Stand des ÖPNV dabei: pro Jahr fünf Millionen Bus-Kilometer, neun Millionen Fahrgäste (mit den Zug-Gästen) und die Anfahrt jeder Gemeinde im Kreis von fünf bis 24 Uhr – bei Kosten von 4,5 bis fünf Millionen Euro pro Jahr. „Es gibt nur wenige Kreise, die sich das leisten“, merkte der Landrat an. So werde etwa Freiburg oft als vorbildlich gelobt. Doch in den dortigen Seitentälern sei spätestens um 20 Uhr Schluss mit den Verbindungen. „Auch wir müssten den Mut aufbringen, über neue Beförderungsmodelle ab 21 Uhr nachzudenken“, sagte Bär. Achtsitzige Bürgerbusse seien genauso im Gespräch wie Taxis mit Rabatt für Zeitfahrkarten-Inhaber. Die Verbindung zu allen Gemeinden sollen laut Bär aber vor 21 Uhr weiterhin gewährleistet werden. Auch bei den „roten Linien“, in denen bei den Zählungen 2019 drei und weniger Fahrgäste saßen. „Wir werden auch genau beobachten, wie das probeweise ausgebaute Wochenend-Angebot angenommen wird.“

Zur Preisgestaltung hat Bär klare Vorstellungen: „Wenn wir den Umstieg wollen, müssen wir den Fokus auf die Zeitkartenkäufer legen, und nicht auf den Gast, der zwei Mal im Jahr fährt und dafür ein super Angebot zu günstigen Preisen erwartet.“ Gleichzeitig werde der Preis allein nicht den Umstieg vom Auto bringen – darin waren sich alle einig in der Diskussionsrunde. Der werde erst unumgänglich, sobald es keine Parkplätze in Innenstadtnähe mehr gebe und Benzin völlig unerschwinglich geworden sei.

Anstelle von Informationen über die Kliniken oder zur Pflege brannte den Zuhörern ein anderes Thema auf den Nägeln: Wie geht der Landkreis mit dem Coronavirus um? Ein Zuhörer appellierte, darüber nicht wie in China die Grundrechte außer Kraft zu setzen. „Es gibt auch bei uns gesetzliche Regelungen, die Einschränkungen zulassen“, hielt Bär entgegen. Doch er bat um besonnenen Umgang mit dem Erreger: „Die Sterberate liegt immer noch weit unter der der normalen Grippe.“ Patienten sollten zuhause bleiben, nicht in die Arztpraxis kommen. Der Patient werde vom Gesundheitsamt auf den Virus getestet, eventuell isoliert, und Kontaktpersonen würden ermittelt. „Die Prozesse sind bei uns gesichert, aber es sollten natürlich keine Massen auftreten.“ Absprachen mit den Gemeinden zur Schließung öffentlicher Einrichtungen wie Kindergärten seien ebenfalls geplant.

Ludewig und Becker zeichneten den ehemaligen Landtagsabgeordneten Fritz Buschle für seine 40-jährige Parteimitgliedschaft aus.