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Konfliktstoff

Trefflich präsentierter Konfliktstoff

Heuberg / Lesedauer: 3 min

Das Theater Lindenhof glänzt in großer Halle vor kleinem Publikum
Veröffentlicht:17.11.2019, 17:47

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Vor einer kleinen, jedoch begeisterten Theatergemeinde hat das Theater-Ensemble Lindenhof aus Melchingen am Samstagabend die schwäbisch-gewitzte Heimatkomödie „Globalplayer – wo mir sind, isch vorne“ auf die Bühnenbretter gebracht. Der gar nicht schnulzig-romantisch verklärte Inhalt der sechs Darsteller hätte in der schönen großen Schlossberghalle eigentlich etwas mehr Interesse verdient, denn schließlich handelt es sich bei dem trefflich präsentierten Konfliktstoff keineswegs um billigen Lustspielklamauk.

Der Wehinger Heimatverein hatte sich aus dem breiten Repertoire des seit 35 Jahren spielenden Regionaltheaters bewusst ein Thema herausgesucht, das die Industriegeschichte der Alb und der näheren Heimat schonungslos auf den Punkt bringt: Die fiktive Textilmaschinenfabrik Bogenschütz und Söhne aus Hechingen stellt seit Generationen erfolgreich Rundstrickmaschinen her. Doch parallel zum Niedergang der dominierenden Textilproduktion auf der Alb geht die Nachfrage immer mehr zurück. Die billige asiatische Konkurrenz bringt die uralt eingesessenen Firmen immer mehr in Bedrängnis. Und wer sich nicht auf die vorhandenen Nischen geschickt umstellt, wird von den fernöstlichen Billigproduzenten geschluckt.

Die Anspielungen auf den Niedergang der ehemaligen Rundstrickmaschinenfabrik Maier & Cie in Spaichingen und den erfolgreich bewältigten Überlebenskampf des cleveren Burladingers Wolfgang Grupp sind unverkennbar.

Der erfolgreich verfilmte Stoff stellt auch auf der Bühne die Dramen der Strukturkrise und den somit über 100 000 betroffenen Menschen schnörkellos dar. Die Regie von Hannes Stöhr achtet sorgfältig darauf, dass die Perspektive nicht gesellschaftspolitisch einseitig eingenommen wird. Sachlich und sympathisch vertritt nämlich Berthold Biesinger alias „Kalle“ die Sorgen der kleinen Leute, die sich von den kommunistischen Neokapitalisten der neuen Seidenstraße bedroht fühlen.

Natürlich bekommen die patriarchal-polternden Familienbosse der Nachkriegsära gehörig ihr Fett weg, denn der Senior Paul Bogenschütz (Bernhard Hurm) stellt sich zunächst diktatorisch dar, wandelt sich aber final vor seinem Ableben doch noch zum humanen und verzeihenden Menschen. Zuvor bringt er immer wieder als Nachtwandler im Nachthemd seine Kriegserlebnisse aus dem Russlandfeldzug hervor.

Der Patriarch rechnet gnadenlos mit den Nazi-Verbrechern und den verlogenen Wehrmachtsoffizieren ab. Die beklemmenden Passagen wechseln ab mit den real existierenden Verrücktheiten der modernen Manager, hervorragend von Gerd Plankenhorn im Maßanzug verkörpert. Als eleganter Mann von Welt, mit gescheiterter Ehevergangenheit mit ständig piepsendem Handy, bringt er als Juniorchef Matthias die Hilflosigkeit manches bedrängten Unternehmers in Strukturkrisen zum Ausdruck. Auch hier lässt das Stück wieder zeitnahe und regionale Dramen bei Insolvenzverschleppungen anklingen.

Die weiteren beiden Figuren der Bogenschützfamilie spiegeln die ewigen Probleme beim Übergang der Verantwortung in vielen Familienbetrieben wider. Die Tochter Marliese hatte sich vom Vater in guten Zeiten in der Hauptstadt als Yogastudiobesitzerin sponsern lassen, während der Sohn Manfred als typischer 68-er alle Untugenden eines arbeitsscheuen und drogensüchtigen Taugenichts köstlich mimt. Mit seinem umwerfenden Charme gelingt es dem alternden Casanova letztlich noch, eine Romanze mit der langbeinigen polnischen Helferin Agnieschka zu spinnen.