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Drogensumpf

Nun geht’s auch um die Drogen-Mafia

Geisingen / Lesedauer: 4 min

Im Prozess um die Gesisinger Rauschgift-Szene erhebt ein Zeuge Vorwürfe
Veröffentlicht:27.01.2020, 18:14

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Hat im Drogensumpf von Geisingen auch die Mafia mitgemischt? Diesen Eindruck vermittelte der Prozess-Auftakt im Verfahren gegen einen 29-jährigen mutmaßlichen Drogenkurier.

Ein drei Monate dauernder Prozess im Herbst 2018 hat die ganze Rauschgift-Problematik in und um Geisingen offengelegt: Die sieben Täter aus der Region legten Geständnisse ab und wurden zu Haftstrafen zwischen sechseinhalb und zweieinhalb Jahren verurteilt. Sie hatten einen florierenden Drogenhandel betrieben und dabei auch Minderjährige hineingezogen. Die gaben sich als Zeugen vor Gericht zu ihrem Drogenkonsum auffällig uneinsichtig.

Die Bande belieferte unter anderem auch ein Asylbewerberheim in Möhringen. Westafrikaner vertickten den Stoff dann vor allem in Tuttlingen. Die beiden Hauptverdächtigen verschwanden zunächst spurlos, bis sie die Polizei dann doch noch aufspürte. Der Prozess gegen sie soll nach Informationen unserer Zeitung noch im März beginnen. Dabei müssen auch Täter aus Geisingen als Zeugen aufssagen.

Sie bezogen ihre Drogen sowohl aus Richtung Stuttgart als auch aus Richtung Schweiz. Und, wie sich im jetzt begonnenen Prozess herausstellte, auch aus Augsburg . Das lief über einen der Geisinger Rädelsführer, der offenbar beste Kontakte in die Szene hatte. Diese reichten offenbar bis in Mafia-Kreise.

Vor der „1. Großen Hilfsstrafkammer“ ist ein 29-jähriger Mann angeklagt. Er soll am 3. November 2017 zusammen mit einem Komplizen als Drogenkurier nach Geisingen gefahren sein. Doch die Polizei bekam durch verdeckte Ermittler Wind davon und stoppte das Auto an der Raststätte Neckarburg. Im Kofferraum fanden sich drei Kilogramm Marihuana. Der Fahrer beteuerte, er habe davon nichts gewusst und sei hereingelegt worden. Er wurde mangels Beweisen in erster Instanz freigesprochen. Doch dann beschuldigte ihn ein damaliger Beifahrer schwer.

Jetzt kam es vor dem Landgericht Rottweil in der Berufungsverhandlung zu einem Wiedersehen. Der Angeklagte verweigerte Aussagen zum Tatvorwurf, gab aber Auskunft über sein Leben: geboren in Georgien, Übersiedlung nach Griechenland, dann nach Deutschland. Er versuchte sich unter anderem als Profiboxer in England, dann übernahm er einen Handy-Laden in Augsburg, verdiente 10 000 bis 15 000 Euro pro Monat, rutschte in die Drogenszene ab, konsumierte regelmäßig Crack.

Gleich zum Auftakt bot das Gericht dem Angeklagten eine „Verständigung“ an, also ein eher mildes Urteil (zwischen drei und vier Jahren Haft) bei einem Geständnis. Der Beschuldigte erbat sich Bedenkzeit bis nach der Zeugenaussage seiner früheren Verlobten. Die, heute 28 und seit kurzem als Rechtsanwältin tätig, war zehn Jahre mit ihm befreundet und zeichnete ein sonderbares Bild: Er sei „unreif und naiv“, lebe noch immer in seinem Zehn-Quadratmeter-Kinderzimmer bei den Eltern, habe immer neue „Deppen“ als angebliche Freunde angeschleppt und sich nur durch ein dickes Auto und viel Geld in der Tasche wertvoll gefühlt. Sie habe von seinem exzessiven Drogenkonsum nichts bemerkt. Die Verlobung habe sie bei der Verhaftung aufgelöst, sei dennoch von seiner Unschuld überzeugt.

Das hatte offenbar maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des 29-Jährigen, der noch immer hofft, dass seine Ex-Verlobte zurückkommt: „Das Angebot ist gut“, sagte er dem Gericht, „aber ich bin unschuldig.“

Genau das bestritt sein damaliger Beifahrer, der in Fußfesseln als Zeuge vorgeführt wurde, weil er nach eigenem Geständnis jahrelang Drogendealer war. „Wir haben die Fahrt exakt besprochen“, betonte er. Ihm habe der Angeklagte damals erklärt, die Geschäfte liefen ab sofort über ihn. Das sei ihm entgegengekommen, so der Zeuge, weil er ohnehin habe aussteigen wollen.

Der 39-jährige Deutsche erklärte, nach seinen einschlägigen Erfahrungen und Kontakten steckten die russische und albanische Mafia hinter den Drogengeschäften. Ihm seien vor diesem Prozess bis zu 40 000 Euro angeboten worden, wenn er schweige. Im anderen Falle werde es seine Familie zu spüren bekommen. Er habe zwar Angst, wolle aber jetzt reinen Tisch machen, endgültig aussteigen und nur noch für seine Frau, die zu ihm halte, und die fünf Kinder da sein. Den Zweifeln des Gerichts, ob er nur deshalb auspacke, weil er sich damit eine Haftverkürzung erhoffe, widersprach er entschieden.

Der Prozess wird am 7. Februar fortgesetzt.