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Vierteljahrhundert

Dieser Landwirt kämpft gegen Widerstände - für das Wohl seiner Tiere

Balingen / Lesedauer: 4 min

Landwirt Maier kämpft für mehr Tierwohl - Jahrzehntelanger Kampf hat jetzt Erfolge
Veröffentlicht:08.01.2021, 15:00

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Ernst Hermann Maier blickt auf ein Vierteljahrhundert mit Höhen und Tiefen zurück. Seit 25 Jahren setzt sich der Landwirt und zugleich Vorsitzender des Tierschutzvereins „Uria“ „für ein würdevolles Leben und Sterben in der Viehhaltung“ und gegen „unnötige Tierquälerei“ ein. Für die Zukunft bleibt der aus Fernsehreportagen bekannte Hirte seines urigen Rindervolks kämpferisch, optimistisch und fest entschlossen.

„Es ist Zeit für glückliche Tiere!“, lautet der Slogan des Vereins, der bereits rund 1600 Mitglieder aus Deutschland und halb Europa zählt. Wenn es um das Wohl seiner Rinder geht, gibt es für Maier keine Kompromisse. Auch dann nicht, wenn ihm Steine in den Weg gelegt werden: „Ich war pleite und stand mehrfach vor der Zwangsversteigerung. Man wollte uns fertig machen und es ging uns dreckig, aber wir werden niemals einknicken.“

Maier mit seiner Herde.

Todesschuß auf eigener Weide

Der Hof von Maier ist europaweit der erste, der eine gesamte Rinderherde als eigenständiges Rindervolk, ohne Trennung nach Alter und Geschlecht, zusammen auf der Weide hält. Rund zwei Millionen D-Mark Schulden musste der Betrieb nach jahrzehntelangen juristischen Kämpfen schultern. Dass er heute überhaupt noch besteht, sogar schwarze Zahlen schreibt, trotz Streichung sämtlicher Subventionen stärker denn je dasteht, sowie vielen Menschen als Mustervorkämpfer für das Wohl von Nutztieren gilt, grenzt an ein Wunder. Und es ist nur einigen hundert Spendern und Sponsoren zu verdanken, die sich aus ethischer Motivation auf einen scheinbar aussichtlosen Kampf einließen.

Auch wenn er dies ungern macht, erschießt Landwirt Maier seine Rinder direkt auf der Weide, da er ihnen den stressigen Transport in die „Hölle“, wie er Schlachthöfe bezeichnet, ersparen will. Dies wollten die Behörden noch bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht akzeptieren. Zu dem Zeitpunkt war Maier mit seinem innovativen Modell der Zeit schon 14 Jahre voraus. Doch er konnte es über viele Jahre nicht anwenden.

Kampf gegen die Behörden

So vergrößerte sich die Herde stetig auf mehrere hundert Tiere, bis er schließlich vom höchsten zuständigen Gericht Recht bekam. Inzwischen haben Maiers Schätzungen zufolge etwa 1000 Höfe in der Bundesrepublik und darüber hinaus das Schießen auf der Weide übernommen. Der Bundesrat setzt sich seit Juni 2020 für eine Ausweitung der Schlachtung vor Ort ein. Auch das Nachbarland Schweiz zieht nach. Um bei dem tierschonenden Schlachtverfahren weiterzukommen, hat der schwäbische „Schaffer“ und „Tüftler“ schon 1995 die Mobile Schlacht Box (MSB) erfunden.

Doch statt sich auf dem aktuellen Stand auszuruhen, sehen sich Maier und seine Mitstreiter noch lange nicht am Ziel in ihrem, aus tiefer innerer Überzeugung heraus geführten Kampf für einen „würdevolleren Umgang mit Nutztieren“. Der zweite Konflikt mit Behörden ging trotz des lange Zeit bedrohlichen Schuldenbergs direkt weiter, und zwar infolge des Kampfs gegen Plastikohrmarken.

Tierohren sind wichtige Sinnesorgane und keine Halterungen für Nummernschilder.

Ernst Hermann Maier, Landwirt

Und auch dabei hätte dem Bauern vom Fuße der Schwäbischen Alb und seiner Familie, nach für sie über Jahrzehnte scheinbar aussichtsloser Lage, niemand zugetraut, was sie nun ganz offiziell erreicht haben: Am 21. April 2021 erlangt eine Verordnung der Europäischen Union Rechtskraft, in der der Einsatz von Mikrochips zur alleinigen Kennzeichnung von Rindern zugelassen ist. „Das Verfahren ist fälschungssicher, tierschonender, und sieht auch nicht so blöd aus wie Ohrmarken“, meint Maier. „Tierohren sind wichtige Sinnesorgane und keine Halterungen für Nummernschilder.“ Zudem bewahre das neue Verfahren Rinder vor schlimmen Verletzungen, „wenn sie sich auf der Weide und an Fressgittern Ohrmarken ausreißen.“

„Jetzt haben wir die Situation, dass wir spätestens ab dem nächsten Jahr nicht mehr sanktioniert werden können, weil es gegen geltendes EU-Recht verstoßen würde. Das heißt aber auch, dass wir die 438 901,83 Euro Subventionsgelder, die man uns rechtswidrig einbehalten hat, endlich bekommen müssten“, verkündete Maier bei der Mitgliederversammlung diesen Sommer unter Applaus.

Die Zukunft liegt in einem starken Netzwerk der Landwirte

Von den aus seiner Sicht oftmals abgehobenen Behörden in seinem eigenen Bundesland wünscht sich der Bio-Landwirt und Vereinschef dringend mehr Bürgernähe, Fairness und Unterstützung. Vom Landwirtschaftsminister fordert Maier einen sofortigen, ehrlichen und konstruktiven Dialog ein und will, dass weitere mobile Schlachtboxen und tierfreundlichere Kennzeichnungen unverzüglich zugelassen werden. Wegen der „Borniertheit“ von Behörden, die von Maiers Modell überzeugte Landwirte gängelten, seien vermutlich tausende Rinder Stress und Leid in Schlachthöfen ausgesetzt.

Der Buchautor des Werks „Der Rinderflüsterer“ hat große Pläne: „Wir müssen schauen, dass der Verein noch stärker wird. Mir schwebt vor, dass wir irgendwann eine ganz starke Organisation mit sehr vielen Mitgliedern sind.“ Der überzeugte Tierschützer sieht ein Netzwerk von Bauern heranwachsen, „die ihre Tiere lieben. Wir müssen noch größer werden, damit Schlachttiertransporte und diese Ohrmarken-Kennzeichnungen aufhören, und dass man die Nutztierhaltung Schritt für Schritt weg von der Massentierhaltung in einen ethisch vertretbaren Rahmen bringt.“