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Hundeattacke

Tödliche Hundeattacke: Ort steht unter Schock

Stetten am kalten Markt / Lesedauer: 4 min

Das Veterinäramt war über die Zustände informiert, stellte der Besitzerin aber eine artgerechte Tierhaltung aus. Zum Zeitpunkt der Tat war die Halterin nicht zu Hause.
Veröffentlicht:01.06.2017, 16:21

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Frohnstetten steht unter Schock: Ein Hund hat am Dienstagabend an der Amerikastraße eine 72-jährige Fußgängerin totgebissen. Um kurz nach 20 Uhr spielten sich schreckliche Szenen ab. Der große Hund der Rasse Kangal attackierte die Passantin auf einem Fußweg zwischen zwei Gebäuden und verletzte sie durch seine Bisse tödlich. „Das ist ein fürchterliches Ereignis“, sagt Bürgermeister Maik Lehn. Er selbst erfuhr gegen 21.15 Uhr von Pfarrer Edwin Müller von der Tragödie. Sowohl Müller als auch Gemeindereferentin Elke Gehrling seien als Notfallseelsorger am Ort des Geschehens gewesen, um den Ehemann der Getöteten und geschockte Anwohner zu betreuen. „Ich bin dann selbst auch sofort hingefahren“, sagt Lehn.

Für das 72-jährige Opfer kam jede Hilfe zu spät. Zwar hatte eine Zeugin sofort den Rettungsdienst verständigt; dieser konnte sich der auf dem Boden liegenden Verletzten aber nicht nähern, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Das teilten die Staatsanwaltschaft Hechingen und das Polizeipräsidium Konstanz in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Als der Hund schließlich von der 72-Jährigen abließ und wieder auf das Grundstück der 43-jährigen Hundehalterin zurückkehrte, erlag die Frau trotz der sofortigen Bemühungen des Notarztes ihren schweren Bissverletzungen an Kopf und Hals. Ihr Ehemann war laut Bürgermeister wohl nicht Augenzeuge der Attacke. Er wurde demnach erst auf die Tragödie aufmerksam, als er das Großaufgebot an Rettungskräften und Polizei sah. Polizisten umstellten das Gebäude, das von der freiwilligen Feuerwehr ausgeleuchtet wurde. Der aggressive Hund, der die Frau angefallen hatte, wurde von Polizeibeamten erschossen. Auf dem Grundstück befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch ein weiterer Hund derselben Rasse sowie ein kleinerer Mischlingshund. Da nicht bekannt war, ob sich die Hundehalterin in dem verschlossenen Haus befindet, ließ die Polizei von zwei ortsansässigen Jägern auch diese Tiere erlegen, um das Gebäude gefahrlos betreten zu können. Anschließend gingen die Polizisten, darunter auch zwei Hundeführer in Vollmontur, in das Haus. Außer mehr als 20 Katzen befand sich dort niemand.

Bei der Gemeindeverwaltung sind in der Vergangenheit mehrfach Beschwerden über die vielen Tiere eingegangen. „Im September vergangenen Jahres haben wir das Veterinäramt eingeschaltet, das sich vor Ort ein Bild gemacht hat“, sagt Maik Lehn. Ergebnis: Eine artgerechte Haltung der Tiere ist gegeben. Eine Anwohnerin, die nicht namentlich genannt werden möchte, kann das nicht nachvollziehen. „Die Frau war tagelang nicht zu Hause, wir haben die Katzen bis zu uns jammern gehört“, sagt sie. Die direkten Nachbarn hätten ihr Küchenfenster nicht mehr öffnen können, weil es häufig extrem nach Kot und Urin gestunken habe. Auch die Hunde waren demnach oft allein. „Viele Frohnstetter haben den Weg dort vorbei gar nicht mehr genutzt, weil sie Angst vor den Hunden hatten“, sagt die Frau. Die Tragödie macht sie und ihre Familie fassungslos: „Dafür kann man gar keine Worte finden.“

Die Tierhalterin war denn auch am Unglückstag nicht daheim. Sie kehrte gegen 23.30 Uhr ins Haus zurück, das sie ihren Angaben zufolge morgens gegen 7 Uhr verlassen hatte. „Man kannte sie hier im Ort eigentlich kaum“, sagt Dieter Lorenscheid, der ein paar Häuser weiter wohnt. Sie sei zwar ab und zu mit ihrem Lebensgefährten und den Hunden spazieren gewesen, „aber Kontakt hatten wir nicht“. Die Hunde seien bei solchen Gelegenheiten auch immer angeleint gewesen. „Aber wenn man am Haus vorbeiging, gab es von den Hunden immer ein riesiges Tohuwabohu“, sagt Lorenscheid. Mit seinen Enkeln sei er dort einmal vorbeigelaufen „und dann nie wieder“.

Bei der Gemeinde waren lediglich zwei der drei Hunde gemeldet, „einer seit 2012 und einer seit 2016“, sagt der Bürgermeister. Dass von den Tieren auch nur ansatzweise eine Gefahr ausgehen könne, habe in der Verwaltung niemand gewusst und es wohl auch nicht wissen können, da die Rasse nicht als Kampfhunderasse eingestuft ist. Lediglich in Hamburg und Hessen gilt der Kangal als „vermutlich gefährlicher Hund“. Maik Lehn appelliert an alle Hundebesitzer, ihrer Verantwortung als Halter gerecht zu werden und auf ihre Tiere aufzupassen. „Ganz ehrlich: Ich bin immer beruhigt, wenn ein Hund angeleint ist.“ Dem Ehemann der Getöteten sichert er seine volle Unterstützung zu: „Wir werden alles tun, was möglich ist.“

Die Kriminalpolizei, die wegen fahrlässiger Tötung gegen die Hundehalterin und deren getrennt lebenden Ehemann ermittelt, hat noch in der Nacht das Anwesen versiegelt. Es wurde am Mittwoch von Kriminaltechnikern und Vertretern des Veterinäramtes Sigmaringen betreten, um die Umstände der Tierhaltung zu klären.

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Hechingen wird das Opfer obduziert. Die erschossenen Hunde werden seziert.