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Spritzmittel auf den Feldern: Wasserversorger verklagt Land Baden-Württemberg

Sigmaringen / Lesedauer: 3 min

Behörden sollen mitteilen, wie viele Spritzmittel Bauern auf ihren Felder ausbringen
Veröffentlicht:19.10.2018, 19:43

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Welche Pestizide bringen die Landwirte in Wasserschutzgebieten aus? Und wie viel davon? Für ihren Zuständigkeitsbereich will die Landeswasserversorgung Baden-Württemberg endlich Daten. Deshalb hat der kommunale Zweckverband das Land verklagt. Das bestätigte Bernhard Röhrle , Sprecher des Wasserversorgers, der „Schwäbischen Zeitung“ am Freitag.

„Wir wollen wissen, welche Mengen an Spritzmittel in der Region ausgebracht werden“, begründet Röhrle den Schritt. Sämtliche Versuche, solche Daten vom Land zu bekommen, seien ins Leere gelaufen. „Wissen wir das nicht, suchen wir nach der Stecknadel im Heuhaufen. Wir müssen gezielt suchen können, sonst wird die Analytik sehr aufwendig und extrem teuer.“ Das bekämen dann auch die Bürger über ihren Wasserpreis zu spüren.

Die Bauern sammeln diese Informationen, müssen sie aber nur bei Kontrollen dem Landratsamt vorlegen. Nachdem die Landratsämter und im nächsten Schritt die Regierungspräsidien (RP) der Landeswasserversorgung keine Dateneinsicht haben geben wollen, habe der Zweckverband bereits vor einem Monat Klage eingereicht, erklärt Röhrle nun.

Wir wollen wissen, welche Mengen an Spritzmittel in der Region ausgebracht werden

Bernhard Röhrle, Sprecher des Wasserversorgers

Im Fall des RP Tübingen ist das Verwaltungsgericht Sigmaringen zuständig, für den Bereich des RP Stuttgart das Verwaltungsgericht Stuttgart. Die RPen als Vertreter des Landes argumentieren, dass der Versorger keinen Anspruch auf Einsicht der Daten habe, so Röhrle. Er wiederum sieht das völlig anders und verweist auf eine EU-Verordnung.

Der Zweckverband versorgt drei Millionen Menschen in mehr als 100 Städten und Gemeinden – darunter Aalen, Ellwangen und Teile des Alb-Donau-Kreises. Laut Röhrle hat der Versorger vor vier Jahren damit begonnen, Flüsse wie die Donau, Bäche und Wassergräben auf Spritzmittel zu untersuchen.

Bei einem Messprogramm im Frühsommer sind so Pestizidrückstände entdeckt worden, die deutlich über den Grenzwerten lagen – an einer Stelle der für das umstrittene Mittel Glyphosat um das Siebenfache. Seitdem hat die Landeswasserversorgung ihr Messnetz weiter ausgebaut. „Es geht jetzt darum, die kritischen Bereiche unter die Lupe zu nehmen und den Gewässerschutz ernster zu nehmen, Daten auszuwerten und neue Messmethoden zu entwickeln“, sagt Röhrle.

Ein Sprecher von Agrarminister Peter Hauk (CDU) äußert sich von der Klage unbeeindruckt. „Wir halten uns an die geltenden Regelungen und Bestimmungen“, erklärt er und betont: „An unserem Standpunkt hat sich seither nichts geändert.“ Den hatte Hauk im März deutlich gemacht, nachdem der Naturschutzbund ( Nabu ) einen ersten Pestizidbericht vorgestellt hatte. Die Datenbasis sei nicht fundiert, hatte Hauk erklärt. Zudem komme es nicht auf die Menge von Pestiziden auf den Feldern an, sondern auf das, was beim Menschen ankommt – also in Gemüse, Obst und Wasser.

Auch Nabu hat Klage eingereicht

Mit einem Grundsatzurteil will nun auch der Nabu gerichtlich klären lassen, ob er das Recht hat, Daten zum Pestizideinsatz im Naturschutzgebiet Kalkofen im Enzkreis einzusehen. „Es steht exemplarisch für Naturschutzgebiete, in denen Ackerbewirtschaftung und Naturschutz eng verzahnt sind“, sagt der Landesvorsitzende Johannes Enssle. Dafür habe der Nabu Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingereicht.

Das Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne) äußert sich auf Anfrage nicht, sondern verweist auf das zuständige Landwirtschaftsministerium. Der Agrarexperte der Grünen-Landtagsfraktion Martin Hahn übt indes scharfe Kritik am Zweckverband. „Ich halte die Tonlage, mit der die Landeswasserversorgung agiert, für ziemlich unterirdisch. Ich glaube, dass das Land ein guter Partner dabei ist, an gutem Wasser zu arbeiten.“ Die Fraktionen von Grünen und CDU arbeiten seit einem Jahr an einer Pestizidreduktionsstrategie. Obwohl es dabei zwischen den Partnern dem Vernehmen nach immer wieder knirscht, soll das Konzept bald auf den Weg gebracht und mit der Umsetzung zum Jahreswechsel begonnen werden.