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Landgericht verurteilt Halter nach tödlichem Kangal-Biss erneut

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Hoffnung auf einen Freispruch erfüllt sich nicht – Das Gericht verschärft die Strafen
Veröffentlicht:27.02.2019, 15:44

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Die Hoffnung der beiden Angeklagten im Kangal-Prozess auf eine mildere Strafe hat das Landgericht Hechingen nicht erfüllt: Im Berufungsprozess sind am Mittwoch die Urteile gefallen. Beide Strafen bleiben bestehen. Die angeklagte Hundehalterin ist zu einem Jahr und sechs Monaten und ihr Ex-Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht hat die Bewährungszeit für den Ehemann um ein Jahr erhöht. Außerdem wurde das Hundehalteverbot erweitert: Die beiden dürfen in Zukunft weder Hunde halten noch betreuen. Ende Mai 2017 hatte sich ein großer Hund der Rasse Kangal von seinem Halsband losgerissen und eine 72-jährige Passantin im Ortsteil Frohnstetten bei Stetten am kalten Markt angefallen und tödlich verletzt.

Zur Urteilsverkündung kam auch der Ehemann des Opfers, der als Nebenkläger auftritt. Gegenüber der SZ sagte er später, dass er keine großen Änderungen erwartet habe. „Für mich ist schlimm, dass das Ganze nochmal aufgerollt wurde und ich dafür auch noch weitere Kosten tragen muss“, sagte er.

Vor dem Plädoyer des Staatsanwalts und der Verteidigung wurde das Strafregister des angeklagten Hundehalters, das dem Gericht an diesem Tag erstmals vorlag, verlesen. Über den 46-Jährigen liegen seit 1995 insgesamt acht Eintragungen vor, unter anderem wegen Tierquälerei, Unterschlagung, Urkundenfälschung und fahrlässiger Körperverletzung. Bereits im Jahr 1995 hatte er ein Tierhalteverbot von mehreren Jahren bekommen, da er den damaligen gemeinsamen Familienhund zusammen mit einer Katze in einem Zimmer eingesperrt hatte und verhungern ließ. Dazu wollten sich die Angeklagten nicht äußern.

Kein weiteres Gutachten

Richter Schwarz lehnte den Antrag der Verteidigung nach einem erneuten Gutachten des Halsbands im neuwertigen Zustand ab. Selbst mit einem neuwertigen Halsband wäre laut Schwarz eine Rekonstruktion des Falls nicht möglich gewesen. Die beiden Verteidiger plädierten trotzdem auf Freispruch. Dass das Halsband reiße, sei für beide nicht voraussehbar gewesen und es sei auch nicht sicher, ob ein neues Halsband gehalten hätte. Außerdem gebe es keinen vergleichbaren Fall, in dem ein Kangal eine Person totgebissen habe. Auch das Bellen an der Kette sei laut der Sachverständigen ein normales Verhalten und könne noch nicht gleich als aggressiv eingestuft werden. Die Bemühungen, einen höheren Zaun zu errichten, seien vorhanden gewesen und die Tiere an einer Kette alleine im Garten zu lassen, sei nicht verboten. Für die Angeklagte war der Tod der Frau laut dem Verteidiger ein nicht vorhersehbares, schreckliches Ereignis. Jedoch würden mehr Menschen wegen Fahrlässigkeit im Straßenverkehr sterben als durch ein Tier.

Auf diese Aussage bezog sich der Richter später bei seinem Urteil: Der Unterschied zu einem Unfall sei der, dass die Menschen bei einem Unfall plötzlich aus dem Leben gerissen werden. „Das Opfer musste aber mehrere Minuten mit dem Tod ringen. Die Frau hat sehr wohl mitbekommen, dass sie gerade von einem Hund zerfleischt wird.“

Oberstaatsanwalt Jens Gruhl verlangte, die Berufung kostenpflichtig zu widerrufen. Die Haltung der Tiere sei völlig unzureichend und den Angeklagten bewusst gewesen, dass der Zaun zu niedrig war. „Aber es reicht nicht, dass sie ihn größer machen wollten. Sie haben es einfach nicht getan“, sagte Gruhl. Der Kangal sei laut Zeugen jeden Passanten angegangen. „Es musste damit gerechnet werden, dass sich der Hund irgendwann befreit“, sagte er. „Das hat er mit seinem Verhalten Tag für Tag erneut gezeigt. Der Tod dieser Frau war absehbar. Sobald der Kangal einmal frei war, war wirklich jeder in konkreter Gefahr.“

Die Verlängerung der Bewährungszeit begründete das Gericht mit der mangelnden Einsicht des Ex-Manns der Hundehalterin und einigen Vorstrafen, die im Laufe der Verhandlung zutage gefördert wurden. Richter Volker Schwarz erläuterte in seiner Urteilsverkündung das gesamte Geschehen dieses „tragischen Falls“. Die Forderungen der Verteidigung erkenne die Kammer nicht als berechtigt an. „Im Laufe der Verhandlung hat sich bei beiden Angeklagten ein Bild von Personen abgezeichnet, die weder ihr Leben im Griff haben noch Verantwortung übernehmen können“, sagte er. Nach murmelnden Unmutsäußerungen des Angeklagten wies ihn der Richter zurecht. Der Angeklagte habe seine Uneinsichtigkeit im Verlauf des Verfahrens oft genug gezeigt. Weiter erläuterte er, dass sich die Angeklagten über den Zaun und das Halsband hätten Gedanken machen sollen. „Einfach so ein bisschen mitzudenken, das ist durchaus zu verlangen“, sagte er. Letztlich sei das Unglück objektiv mit einem „bisschen Menschenverstand“ sowie auch subjektiv vorhersehbar gewesen.

„Es ist schon eine blöde Sache, dass die Kosten am Opfer hängen bleiben und die so glimpflich davon kommen für ein Menschenleben“, sagte der Ehemann der Angeklagten abschließend.

Der Verteidiger des Angeklagten kündigte an, gegen das Urteil erneut Berufung einzulegen.