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In Gutenstein ist der Brandschutz Frauensache

Sigmaringen / Lesedauer: 5 min

Was die Geschlechterverteilung angeht, ist die Gutensteiner Wehr ausgeglichen aufgestellt
Veröffentlicht:07.09.2018, 11:56

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Wer sich unter Feuerwehr eine Männerdomäne vorstellt, hat in der Regel recht – in Gutenstein aber ist die Wehr recht ausgeglichen aufgestellt, was die Geschlechterverteilung angeht. In der Szene ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Kein Wunder, dass die Gutensteiner Wehr bald im Feuerwehrmagazin, einer Fachzeitschrift mit bundesweiter Auflage von mehr als 50 000 Heften pro Monat, bald mit einer großen Reportage vorgestellt wird. Im Fokus dabei: Die Frauen.

Während die Sigmaringer Wehr händeringend nach Nachwuchs sucht, ist die Abteilung Gutenstein noch nicht in Bedrängnis. Von 34 Mitgliedern bei der aktiven Wehr sind zwölf weiblich. In der Jugendfeuerwehr Gutenstein ist es fast ausgeglichen: 13 Mädchen und 14 Jungs. Daniela Stroppel , stellvertretende Kommandantin, war erstes weibliches Mitglied der Jugendfeuerwehr im Ort, die von Kommandant Werner Kleiner mitgegründet wurde. Die beiden sitzen im Bürgerhaus, an welches die Feuerwache angegliedert ist, und amüsieren sich über die mediale Aufmerksamkeit. In Gutenstein ist es schließlich längst keine Sensation mehr, dass vermehrt Frauen zum Einsatz ausrücken, sondern Alltag im Ehrenamt. Früher war das aber in der Tat anders. „Als die Mädchen in die Jugendfeuerwehr kamen, gab es schon ein paar kritische Stimmen von Alt-Eingesessenen“, sagt Kleiner. Frauen, raunten die Stimmen des Patriarchats, seien zu schwach, könnten nicht anpacken und überhaupt: die Feuerwehr sei doch immer in männlicher Hand gewesen. Was Daniela Stroppel und ihre Kameradinnen solchen Leuten entgegen zu setzen haben? „Wer eingeklemmt oder in einer Notlage ist, sollte froh sein, dass ihn überhaupt jemand rettet.“ Immerhin basiert die Feuerwehr auf ehrenamtlichem Engagement. Ablehnung gibt es auch aus den eigenen Reihen: „Es gibt im Kreis Sigmaringen Feuerwehren, die sagen: Wir wollen keine Frauen“, berichtet Kleiner. Namen möchte er keine nennen. Eine solche extreme Positionierung muss nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun haben: „Das liegt auch an den räumlichen Begebenheiten: Sind Frauen zugegen, braucht es getrennte Sanitäranlagen und Umkleiden“, sagt der Kommandant. Kleinere Gemeinden könnten das schlicht nicht bieten. In Gutenstein gibt es getrennte Nassräume, doch umgezogen wird sich im selben Raum. „Wenn wir Frauen uns nebenan umziehen würden, könnten wir dem Einsatzfahrzeug mit quietschenden Reifen hinterherwinken“, sagt Stroppel. Das Adrenalin, wenn der Alarm losgehe, lasse ohnehin alles andere vergessen.

Frauen können sehr wohl anpacken

Die meisten Sprüche, die sich Daniela Stroppel und ihre Kameradinnen heute anhören müssen, sind selten ernst gemeint obendrein nicht böse aufzufassen. Kleiner möchte „seine Frauen“ nicht missen und ist auch stolz auf sie. Und: „Wir wissen uns zu wehren“, sagt die gelernte Erzieherin schmunzelnd.

Auch die Praxis zeigt, dass Stroppel und die anderen Feuerwehrfrauen sehr wohl anpacken können, dass sie sogar in mancher Hinsicht Männern voraus sind. „Frauen denken im Gegensatz zu Männer immer einen Schritt voraus und haben im Hinterkopf, was noch alles passieren könnte“, sagt Kleiner. Während Männer sofort beherzt zupacken würden, agierten die Frauen mit Weitblick. Eine Kombination, die sich in Gutenstein bewährt hat. Ist die körperliche Arbeit für eine Frau zu schwer – das gilt natürlich auch für Männer kleinerer Statur – übernimmt ein anderer den technischen Part. „Wir lassen natürlich nicht die zarteste Frau den Spreizer tragen“, klärt der Kommandant auf, „sondern schauen, dass die Trupps immer ausgeglichen aufgestellt sind.“ Die Männer würden sich „durchbeißen“, sagt Kleiner. Aber: „das kann ich auch“, hält Daniela Stroppel dagegen. Bei der Feuerwehr käme es obendrein auf Geschick und Technik, nicht nur auf Kraft an. Zudem sei es jedem Mitglied freigestellt, ob es sich bei tödlichen Unfällen lieber im Hintergrund aufhalten möchte. „Wenn es sonst niemand gibt, mache ich es, ansonsten brauche ich diese Bilder nicht im Kopf“, sagt Stroppel über die belastenden Einsätze. Glücklicherweise wohnen gleich vier Notfallseelsorger im Teilort.

Gibt es bald eine komplett weibliche Löschgruppe?

Doch zurück zur Geschlechterverteilung: Was ist in Gutenstein anders als in anderen Orten mit Feuerwehr? Für Kleiner und Stroppel gibt es verschiedene Erklärungen. Zum einen seien die Geburtenjahrgänge derer, die an der Gründung der Jugendfeuerwehr beteiligt waren, sehr mädchenlastig. Zum anderen sieht Kleiner die Besonderheit in der dörflichen Gemeinschaft des Teilorts und im Zusammenhalt der dort ansässigen Jugend. „Die Kinder werden hier anders aufgezogen, als in der Stadt. Gutenstein verfügt über ein prägnantes Vereinsleben, das färbt auf die nachfolgenden Generationen ab“, sagt Kleiner. „Die Kinder kamen cliquenweise zur Feuerwehr, Jungs wie Mädchen“, berichtet Stroppel. Egal, ob es um den Musikverein, die Schule oder die Feuerwehr geht: Die Gutensteiner hielten und halten zusammen. Bei Aktivitäten seien immer die Freunde das Zugpferd für einen ganzen Bekanntenkreis gewesen. Als Erzieherin weiß Stroppel zudem, dass die „Blaulichtfaszination“ und die Uniformen nicht nur Jungs reizen.

Obwohl in der aktiven Wehr die Männer überwiegen, könnte es bald sein, dass ab Ende des Jahres eine Löschgruppe in komplett weiblicher Hand ausrückt: Eine der Feuerwehrfrauen macht gerade nämlich ihren Lastwagen-Führerschein. Im Fahrzeug ist Platz für neu Mann – oder eben Frauen.