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Gustl Bayrhammer und die strenge Frau Kornwachs

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Der bayerische Schauspieler lebte drei Jahre in Sigmaringen und gründete hier seine Familie
Veröffentlicht:29.11.2016, 14:31

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Würde der Schauspieler Gustl Bayrhammer noch leben, würde er am 27. November an die Komödie „Die Mitschuldigen“ denken, die an diesem Tag vor 71 Jahren im Hohenzollerischen Landestheater Premiere hatte. Er tat das immer so und rief am Jahrestag meistens seinen Freund Toni Berger an, der ebenfalls zum Sigmaringer Ensemble gehörte. Der durch die Kinderserie „Meister Eder und sein Pumuckl“ bekannte Schauspieler wirkte drei Jahre lang in Sigmaringen und lernte hier auch seine Frau kennen.

Die Franzosen als Besatzungsmacht nahmen es mit dem Spielverbot nicht so ernst. Deshalb war das Hohenzollerische Landestheater Sigmaringen nach dem Zweiten Weltkrieg eines der ersten Theater, das wiedereröffnete.

Der taufrische, 23 Jahre alte Schauspieler Gustl Bayrhammer saß mit seiner Mutter im November 1945 in einem Haus im Münchner Stadtteil Neuhausen, als es an der Tür klopfte: Robert Marenke, der Intendant des Sigmaringer Theaters, kam persönlich nach München , um Bayrhammer und dessen Theaterkollegen Toni Berger zu engagieren. Vermutlich in der Schauspielagentur hat er die beiden entdeckt. Berger und Bayrhammer kannten sich vorher nicht. Bayrhammer soll keinen Augenblick gezögert haben, und seine Mutter stimmte dem Umzug zu: „Wenns’d schpuiln willst, muast holt gehn“, soll sie laut einem Interview gesagt haben, das Bayrhammer der Schwäbischen Zeitung 1985 gab.

Berger und Bayrhammer reisten über Ulm mit dem Zug. Am Bahnhof Sigmaringen wurden sie von Intendant Marenke abgeholt, der sogar die Koffer seiner beiden Schützlinge trug. Über seine Ankunft in Sigmaringen schreibt Toni Berger in einem Buch über seinen Freund Bayrhammer: „Wir haben gemeint, wir sind da verkehrt, denn da war alles unzerstört.“

Wenige Tage später, am 27. November 1945, feierte Goethes Lustspiel „Die Mitschuldigen“ Premiere. Jedes Jahr am 27. November haben sich die die beiden Schauspieler an diesen Tag erinnert. Die Kulissen bauten die Schauspieler selbst und „schleppten“, wie Bayrhammer erzählte, „eigene Einrichtungsgegenstände mit auf die Bühne“. Seine Vermieterin lieh dem Schauspieler sogar ihre wertvolle Wanduhr.

Zur Untermiete lebte Bayrhammer bei Frau Kornwachs, die in der Schwabstraße im Obergeschoss des heutigen Schuhhauses Noll wohnte. Bayrhammer hatte im Dachgiebel ein Zimmer. Als er am Vormittag die Treppe herunterging, kam er an der Küche von Frau Kornwachs vorbei. Jeden Tag wiederholte sich das Schauspiel. Frau Kornwachs bot Bayrhammer einen Apfel an. Mit dem Zusatz: „Der ist aus meinem Garten.“ Diese Geschichte erzählt der Sigmaringer Stadtführer Helmut Glas, der vor 23 Jahren auf einem Weinfest ein elegantes Ehepaar aus München getroffen hatte. Glas kam mit den Münchnern ins Gespräch. Als er erzählte, dass er aus Sigmaringen sei, gab sich das Paar zu erkennen, das in München in der Nachbarschaft von Bayrhammer wohnte.

Die Geschichte mit Frau Kornwachs und dem Untermieter geht weiter: Eines Tages soll sie ihm Sauerkraut angeboten haben. Daraufhin lehnte Bayrhammer schmunzelnd ab: „Es wäre fatal, vor einer Vorstellung Sauerkraut zu essen.“

Damenbesuch schätzte Frau Kornwachs weniger. „Meine Vermieterin war arg streng“, sagte der Schauspieler einmal, der seine Frau in Sigmaringen kennenlernte und kurze Zeit später heiratete - standesamtlich auf dem Rathaus und kirchlich in St. Johann. Irmgard Henning stammte auch aus München und gehörte zum Ensemble des Landestheaters. „Das Schönste war jedoch, dass meine Frau einen Tag vor Heilig Abend im Sigmaringer Krankenhaus einen Sohn zur Welt brachte.“

Stadtführer Helmut Glas erzählt diese Anekdote immer, wenn er mit einer Gruppe vor dem Hoftheater steht: Sein Opa, der den 1940 geborenen Helmut Glas öfter ins Theater mitnahm, hatte an der Garderobe immer eine Tasche mit Heizmaterial stehen. Bei einem Theaterbesuch war es obligatorisch, ein paar Scheite Holz mitzubringen. Auch den Sommer über. Schauspieler Bayrhammer sagte über das schrecklich kalte Theater: „Am Ende der Vorstellung war es meistens einigermaßen warm.“

Bayrhammer blieb drei Jahre in Sigmaringen. Mit der Währungsreform endete die Blütezeit des Hohenzollerischen Landestheaters. Als 1948 die D-Mark eingeführt wurde, hatten die Menschen plötzlich wieder Bares im Geldbeutel. „Das Publikum blieb weg, weil es in den Läden nun wieder etwas zu kaufen gab“, erinnerte sich der Schauspieler.

Der prominente Schauspieler nahm Abschied aus Sigmaringen und zog weiter nach Tübingen, Augsburg und Karlsruhe. Nach 21 Jahren auf Wanderschaft kehrte er in seine Heimatstadt München zurück. Bayrhammer starb 1993 in München im Alter von 71 Jahren.