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Schlosserlebnistag

Französischer Einschlag bei Schlosserlebnistag

Sigmaringen / Lesedauer: 2 min

Führungen beschäftigen sich mit französischer Vergangenheit des Sigmaringer Wahrzeichens
Veröffentlicht:16.06.2019, 20:19

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Die Faszination des Hohenzollernschlosses in Sigmaringen hat wieder einmal seine Wirkung nicht verfehlt. Schon zur ersten Führung am Sonntagmorgen anlässlich des Schlosserlebnistages haben sich zahlreiche Besucher vor dem Tor eingefunden, um sich über die besondere Zeit in der Geschichte des Schlosses zu informieren, in der es Sitz der französischen Vichy-Regierung war. Zudem konnten sich die Besucher nach Entrichten des ermäßigten Eintritts den ganzen Tag im Schloss aufhalten und sich auch ohne Führung in der Fürstenresidenz umsehen.

Der besondere Schlosserlebnistag, den die Mitglieder des Vereins Schlösser, Burgen, Gärten Baden-Württemberg zwischen Schwarzwald und Odenwald, Oberschwaben und Hohenlohe begehen, wird in diesem Jahr mit einem bunten Programm unter dem Motto „À la française“ gefeiert. Bei der Führung „Vichy - als die Tricolore über der Donau gehisst wurde“ erinnerte Laurence Böhm an die problematischen Tage, als Sigmaringen die Hauptstadt Frankreichs war.

Die Schlossführerin mit französischen Wurzeln erzählte spannend und informativ über diesen historischen Sonderfall, bei dem am Freitag, 8. September 1944, der französische Staatschef Marschall Pétain, ein Verbündeter Hitlers, dessen Frau und weitere Personen sowie tags darauf Ministerpräsident Pierre Laval auf Befehl der Nazis in Sigmaringen eintreffen. Bis 21. April 1945 war Sigmaringen Regierungssitz und provisorische Hauptstadt des vom Naziregime besetzten Frankreichs . Das Vichy-Regime, benannt nach deren ursprünglichem Regierungssitz in Vichy in der Auvergne, entstand 1940 nach der militärischen Niederlage gegen das Deutsche Reich im autonomen Süden Frankreichs und bestand bis 1944.

Da Hitler den Vichy-Leuten nicht wirklich traute, ließ er die Regierung erst nach Belfort, dann nach Sigmaringen bringen. „Warum ausgerechnet Sigmaringen?“ wollte eine Besucherin wissen. Böhm begründete die Frage mit der besonderen Lage Sigmaringens auf dem Land, wo es zu wenigen kriegsbedingten Schäden kam. Außerdem sei das Schloss durch seinen exponierten Standort gut von den Nazis zu überwachen gewesen.

Beim Gang durch das Schloss sparte Laurence Böhm nicht mit geschichtlichen Einzelheiten, gab Einblick in die Intrigen und Machenschaften sowie in die Persönlichkeiten der damaligen Akteure. In dieser Zeit wuchs das rund 6000 Einwohner starke Sigmaringen auf über 10 000 Menschen an.

Die Schlossführerin ließ die Besucher eingehende Blicke in die Zimmer und Suiten werfen, die die damaligen Akteure bewohnten. „Was war mit der Fürstenfamilie?“ Die berechtigte Frage einer Zuhörerin bewegte auch andere in der Gruppe. Die sei von den damaligen Machthabern kurzerhand ihres Domizils verwiesen worden und konnte erst Jahre nach Kriegsende auf ihren Stammsitz zurückkehren.

Die Führung durch das Schloss erwies sich als echte Wissensquelle, nicht nur was die kurze Episode als Hauptstadt Frankreichs anbelangt. Sie war aber eben auch ein Augenschmaus mit den vielen prächtigen Gemächern, kostbaren Möbelstücken und glänzendem Tafelsilber.