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Rechnungslegung

Experte aus der Region rechnet mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Jonas Rossmanith von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen spricht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie
Veröffentlicht:10.05.2020, 14:30

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Die Coronakrise ist seit dem Zweiten Weltkrieg die wohl größte Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Dr. Jonas Rossmanith, Steuerberater und Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, leitet gemeinsam mit Professor Wilfried Funk das Kompetenzzentrum internationale Rechnungslegung und internationales Controlling und vertritt an der Hochschule inhaltlich die Fachgebiete Unternehmensbesteuerung und Rechnungslegung. Im Interview spricht der über die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

Wie zeigen sich jetzt schon die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ?

Aktuell sprechen das Ifo-Institut und die Bundesregierung von der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Beide erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 6,2 bis 6,3 Prozent sinken wird. Dies wäre ein stärkerer Wirtschaftseinbruch als während der Finanzkrise 2008. Bei der prognostizierten Erholung des Bruttoinlandsprodukts von 5,3 Prozent für 2021 würden die Folgen der Krise nicht vollständig kompensiert. Und schauen wir einmal ins Ausland: Italien wie Spanien rechnen mit einem Rückgang ihres Bruttoinlandsprodukts von über zehn Prozent. Und hierbei ist eine zweite Corona-Pandemie-Welle noch nicht einmal berücksichtigt.

Was bedeutet das für die Prognose der deutschen Wirtschaftsleistung für 2020?

Wenn ich die Situation in den angesprochenen Ländern speziell und sonst im Allgemeinen betrachte, und Deutschland ist eine Exportnation, dann gehe ich mindestens von dem prognostizierten Rückgang aus. Wenn aber eine zweite Corona-Pandemie-Welle auf uns zukommt, wovon bereits viele ausgehen, dann werden wir auf jeden Fall einen stärkeren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts haben. Ich rechne dann mit einem Rückgang von bis zu 7,5 Prozent.

 Dr. Jonas Rossmanith ist Steuerberater und Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.

Welche Spuren hinterlässt die Krise jetzt schon bei den Unternehmen?

Deutlich wird das jetzt schon in den Quartalsberichten der Unternehmen weltweit. Die weltgrößten Flugzeugbauer Airbus und Boeing machten bereits im ersten Quartal hohe Verluste. Die Automobilindustrie erlebt ihren stärksten Rückgang seit der Wiedervereinigung 1990. Dem Ifo-Institut zufolge wird es die Automobilindustrie noch schlimmer treffen als nach der Finanzkrise 2008. Dieser Rückgang wird auch Spuren in den Quartalsberichten der Autobauer hinterlassen. Um dieses etwas abzufedern, hofft die heimische Automobilindustrie nun auf bekannte Hilfen.

Die Lufthansa wird ohne Staatshilfen nicht zu retten sein. Beim baden-württembergischen Traditionskonzern Bosch stellt man sich auf eine tiefgreifende Rezession ein, und der Bosch-Chef selbst spricht von einem Ausnahmezustand, der wirtschaftliche Existenzen infrage stellt. Hier sind sicherlich auch die klein und mittelständisch geprägten Unternehmen gemeint. Da der überwiegende Teil der Unternehmen in Baden-Württemberg klein und mittelständisch geprägt ist, kann man sich leicht ausmalen, was diese Krise für unsere Unternehmen in Baden-Württemberg bedeutet.

Wie beurteilen Sie die Corona-Sofortprogramme der Bundesregierung ?

Ziel war es, Liquiditätsengpässe der Unternehmen kurzfristig zu überbrücken – das ist gelungen. Allein in Baden-Württemberg wurden über die Landesbank etwa 1,58 Milliarden Euro an die betroffenen Unternehmen ausgezahlt. So ist es gelungen, mit einem Zuschuss von bis zu 30 000 Euro für Soloselbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern einen kurzfristigen Liquiditätsengpass abzufangen. Zwischenzeitlich hat sich aber gezeigt, dass es alleine mit diesem Zuschuss noch lange nicht getan ist.

Was muss weiter unternommen werden, um die Unternehmen zu unterstützen?

Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Corona-Pandemie verheerende wirtschaftliche Folgen haben wird. Deshalb ist es absolut wichtig, dass die Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten, Tilgungszuschüssen, Bürgschaften und Beteiligungskapital rechnen können, um ihre wirtschaftliche Situation zu stärken. Wenn man davon ausgeht, dass wir uns noch ein Jahr lang auf Einschränkungen einstellen müssen, dann sollten Unternehmen, die nicht öffnen dürfen, weiterhin staatliche Überbrückungshilfen bekommen.

Wie sieht Ihr aktuelles Fazit aus?

Es ist nicht leicht zu formulieren, aber wir werden leider Insolvenzen zu verzeichnen haben. Und daran werden auch die gewährten Corona-Sofortprogramme nichts ändern. Es wird keine leichte Zeit für alle, aber wir können nur hoffen, dass wir diese Corona-Krise gemeinsam meistern. Wir müssen alles dafür tun.