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Schullandschaft

Ein Abiturient verändert die Schullandschaft

Sigmaringen / Lesedauer: 3 min

Sinan Özen organisiert ein Schulprojekt, das landesweit umgesetzt wird - dabei ist er erst 17 Jahre alt
Veröffentlicht:31.05.2015, 17:18

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Mit 17 Jahren macht man Abitur, seinen Führerschein - oder organisiert ein landesweites Bildungsprojekt. Sinan Özen ist noch nicht volljährig. Als Leiter des Projekts „Col_labs“ veranstaltet er eine Workshopreihe, an der alle Schüler des Landes Baden-Württemberg teilnehmen können. Gefördert wird sie vom Land mit einem „hohen fünfstelligen Betrag“, wie Sinan verrät.

Sinan besucht die zwölfte Klasse des Wirtschaftsgymnasiums. Seit dem Februar 2014 ist er gewähltes Mitglied im 11. Landesschülerbeirat von Baden-Württemberg. Der Beirat ist die offizielle Interessenvertretung der 1,6 Millionen Schüler des Landes. Sinan selbst vertritt den Regierungsbezirk Tübingen und ist für die beruflichen Gymnasien, Oberschulen und Berufskollegs zuständig. Zudem ist er im Ausschuss Bildung für nachhaltige Entwicklung Ausschussvorsitzender. Mit vier Kollegen stemmt er die „Col_labs“.

Vor gut einem Jahr kam ihm die Idee dazu. „,Col_labs’ steht für wirtschaftlichen und ökologischen Kollaps – aber auch für ,collaborative laboratories’, also Zukunftslabore “, erklärt Sinan. In ihnen sollen Jugendliche aller Schulformen ab der neunten Klasse zukunftsträchtige Projekte entwickeln. In den Themenbereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und Politik stellen sich jeweils 50 Schüler an vier unterschiedlichen Workshopterminen Fragen zur Zukunft. Sie sollen Ideen ausarbeiten und sie in ihre Schulen weitertragen. „Zum Thema Gesellschaft kann das beispielsweise ein Projekt zum demografischen Wandel sein“, konkretisiert Sinan. „Die Schüler könnten dann beispielsweise einmal in der Woche ein Altenheim besuchen.“

Doch es seien die großen Fragen, die sie sich stellen sollen: In was für einem Wirtschaftssystem leben wir eigentlich? Wie viel Macht hat die Wirtschaft? Wie leben wir in Zukunft zusammen?

Jung und ambitioniert

Das sind Fragen, die Sinan bereits seit dem elften Lebensjahr beschäftigen. Damals habe er sich den „Spiegel“ aus der Stadtbücherei ausgeliehen. Doch das war nicht seine einzige Lektüre. „Mit elf habe ich auch mit der Theoriebildung begonnen“, erinnert sich Sinan. Das heißt: politische und gesellschaftliche Bildung über Marx und Hegel.

Wenn Sinan redet, spricht er wie ein promovierter Politikwissenschaftler. Er hat zu allem eine klare Meinung – und vor allem eine reflektierte und erwachsene. Er spricht von Genscher und Brandt, von Politikern, die lange vor seiner Zeit aktiv waren, und über den sozial-ökologischen Umbau. „Wir glauben, dass wir die Welt verändern können“, lässt Sinan nebenbei fallen. Er ist ein Idealist und die Lethargie sein Feind. „Mich haben die Fragen immer angetrieben: Warum ist das Kapital so ein Hauptakteur in der Welt? Wo bleibt die Solidarität?“ Diese Schlagworte bleiben bei ihm keine leeren, revolutionären Worthülsen. Es wird deutlich, dass er weiß, wie er sie auszufüllen hat.

Diesen Antrieb möchte er auch nutzen, um in der Schulpolitik des Landes etwas zu bewegen. Gerechter und fairer für alle solle sie werden. Daher wollte er in den Landesschülerbeirat, das sei „wie ein kleines Schülerparlament“. Gesetzesentwürfe aus dem Kultusministerium müssten auch durch die Hände der 48 Schülerbeiräte. Ob er sich dort als Schüler ernst genommen fühle? „Die Arbeit ist manchmal sehr hitzig, aber am Ende arbeiten alle konstruktiv zusammen“, erzählt er.

An mindestens vier Tagen im Monat sei er in Stuttgart beim Beirat. „Manchmal nimmt die Arbeit auch ein Drittel meiner Zeit in Anspruch“, sagt er. Daneben spiele er noch Fußball, wolle Freunde treffen und habe andere „Peer Groups“, wie er sagt, um die er sich kümmern möchte.

Seinen politischen Ambitionen räumt er einen großen Platz ein. Er möchte auch nach dem Projekt etwas bewegen. „Ob im Parlament oder in einer Organisation, weiß ich noch nicht.“

Doch erst einmal möchte er nächstes Jahr das Abitur machen.

Anmelden können sich Schüler auf der Homepage des Ausschusses Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist unter der Adresse zu erreichen.